Die Beteiligung an der Energiewende in der einen oder anderen Form verändert den Blick darauf. (Bild: H. Stock/​Shutterstock)

Seit mehr als 60 Jahren sieht meine Oma einen Acker, wenn sie aus dem Fenster ihrer Küche schaut. Im Sommer wächst hier Weizen, im Winter Raps, alle paar Jahre Wildblumen.

Jetzt möchte ein Investor eine Solaranlage aufstellen. Zwölf Hektar soll sie groß werden und bis zu zwölf Megawatt Solarstrom erzeugen. Ein lukratives Geschäft. Und wichtig! Denn damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, müssen wir viel mehr Solarstrom erzeugen.

Das weiß auch meine Oma. Dennoch scheut sie sich, ihren Anteil an dem Acker zu verkaufen. Sie möchte nicht auf drei Meter hohe Kunststoff-Glas-Konstruktionen schauen. Und sie hängt an dem Stück Land, das einst ihr Mann gekauft hat.

Es ist ein Dilemma, das wohl vielen hierzulande bekannt ist: Klimaschutz, ja – aber bitte nicht in meinem eigenen Garten. Das spiegelt sich deutlich in den Diskussionen um das Heizungsgesetz wider. Viele Bürger:innen befürworten die Wärmewende, doch Eingriffe in ihren Heizungskeller gehen ihnen zu weit.

Ein ähnliches Bild zeichnen die Proteste der Landwirt:innen, die wegen der Streichung klimaschädlicher Subventionen vor Kurzem auf die Straße gezogen sind.

Es scheint, als wachse der Widerstand gegen den Klimaschutz.

Doch: Stimmt dieser Eindruck? Wie stehen die Menschen in Deutschland aktuell zum Thema Klima? Antworten darauf liefern drei Umfrage-Studien (siehe Kasten ganz unten), deren sieben wichtigste – zum Teil überraschende – Ergebnisse hier vorgestellt werden.

Großteil der Deutschen unterstützt Klimaschutz, Tendenz sinkend

Grundsätzlich kann der Klimaschutz auf einen großen Rückhalt in der Bevölkerung zählen. Laut der Bertelsmann-Studie sind 54 Prozent der Bevölkerung sehr besorgt angesichts des Klimawandels. 69 Prozent der Befragten unterstützen die Energiewende, 56 Prozent die Verkehrswende.

Die PACE-Studie zeigt, dass einem Drittel der Befragten die aktuell ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels nicht weit genug gehen. Sie wollen mehr.

Allerdings ist die Unterstützung im Vergleich zu den Vorjahren gesunken.

Im Sommer 2022 fand noch fast die Hälfte aller Befragten, dass die Klimamaßnahmen nicht weit genug gehen. Das ist fast doppelt so viel wie heute. Und während 2022 nur rund 20 Prozent der Befragten die Klimaschutzmaßnahmen, die damals ergriffen wurden, als stark übertrieben empfanden, sind es heute 36 Prozent.

Anreiz-Maßnahmen sind beliebter als Verbote

Das klingt nach einem Rückschlag für die Klimakrise. Wo die Studien jedoch nach einzelnen Klimamaßnahmen differenzieren, zeichnet sich ein hoffnungsvolleres Bild ab.

So befragt die PACE-Studie die Teilnehmenden nach ihren Meinungen zu 22 verschiedenen Maßnahmen. 17 davon werden von einer Mehrheit unterstützt.

Auf Platz eins der beliebtesten Maßnahmen liegt der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, wobei 76 Prozent der Befragten eine starke Zustimmung zeigen. Auf den weiteren Plätzen folgen der Ausbau des Schienennetzes, die Förderung erneuerbarer Energieträger, finanzielle Anreize für nachhaltiges Verhalten sowie die Abschaffung von Kurzstreckenflügen bei Alternativen.

Die mit Abstand unbeliebteste Klimamaßnahme ist hingegen das Verbot der Erstzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2030. 51 Prozent sind dagegen oder stimmen nur gering zu.

Dahinter folgt der Vorschlag, Klimaflüchtlinge offiziell als Flüchtlinge zu klassifizieren, gefolgt von einem Verbot umweltschädlicher Fahrzeuge in dicht besiedelten Gebieten sowie einem Verbot des Einsatzes von Öl- und Gasheizungen.

Letztere Maßnahme ist im Laufe des letzten Jahres um zwei Prozentpunkte unbeliebter geworden. Gleiches gilt für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Auffällig ist, dass Anreiz-Maßnahmen – also solche, die klimafreundliches Verhalten fördern – beliebter sind als Verbote, die die Nutzung fossiler Brennstoffe verringern sollen.

Mehrere Faktoren beeinflussen, wie wir Klimaschutz wahrnehmen

Nun sind aber nicht alle Menschen gleich. Was einer Gruppe gefällt, empfindet eine andere als unangemessen. Und was an einem Ort beliebt ist, mögen Menschen anderswo nicht. Wo genau liegen die Unterschiede?

Laut den Studien beeinflussen soziodemografische Merkmale unsere Haltungen. Allen voran unsere Parteipräferenz, was wohl wenig überrascht. So zeigen Grünen-Wähler:innen die höchste Handlungsbereitschaft, gefolgt von Wähler:innen der Linken und der SPD. Anhänger:innen der AfD weisen die geringste Neigung zum Handeln auf.

Die PACE-Studie ergab zudem, dass Personen mit einer eher niedrigen Handlungsbereitschaft tendenziell jünger und männlich sind, eine kürzere Schulbildung hatten oder in kleineren Städten oder Gemeinden leben.

Die Ariadne-Studie für die Jahre 2017 bis 2021 zeigt, dass viele Klimaschutzmaßnahmen in städtischen Gebieten populärer sind als auf dem Land, und im Westen Deutschlands beliebter als im Osten. Dies betrifft das Verbot von Neuzulassungen für Benzin- und Dieselautos ab 2030, den CO2-Preis und die Einführung einer Gebäude-Klimaabgabe.

Der Ausbau des Radverkehrs und der Elektromobilität bilden jedoch Ausnahmen vom Stadt-Land- und Ost-West-Gefälle.

Allerdings sind die Unterschiede nach Demografie insgesamt sehr klein und verlieren an Bedeutsamkeit, wenn man statistisch für die psychologischen Variablen kontrolliert, sagt Lena Lehrer, Verantwortliche der PACE-Studie

Laut der Ariadne-Umfrage sind Menschen, egal welcher Demografie, eher handlungsbereit, wenn sie:

  • größere Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel wahrnehmen
  • aktuell diskutierte Maßnahmen als effektiv einschätzen
  • glauben, dass ihre klimafreundlichen Handlungen wirksam sind
  • mehr Wissen über den Klimawandel besitzen
  • mehr Vertrauen in Institutionen haben
  • wahrnehmen, dass sich andere für den Klimaschutz engagieren oder es von einem erwarten

Wirtschaftspolitische Sorgen treiben viele Menschen um

Weniger Unterstützung für Klimaschutz kommt hingegen von Menschen, die die ökologische Transformation als ungerecht empfinden oder Bedenken hinsichtlich ihres potenziellen Einflusses auf den Wohlstand und die Wirtschaftsfähigkeit Deutschlands haben – sei es aufgrund vermeintlich hoher Kosten oder Arbeitsplatzverluste. Sie sind nicht bereit, den Klimaschutz anderen Zielen unterzuordnen.

Laut der Bertelsmann-Studie trifft das auf viele Menschen in Deutschland zu:

  • Knapp die Hälfte der Bevölkerung hält die Umsetzung der Energiewende für ungerecht, bei der Verkehrswende sind es 58 Prozent.
  • Vier von zehn Bürger:innen fürchten, dass die Energiewende den Wohlstand in Deutschland gefährdet. Das sind zehn Prozent mehr als im Jahr 2022.
  • Rund ein Viertel befürchtet Jobverluste durch die Energiewende, bei der Verkehrswende sind es 40 Prozent.
  • Die PACE-Studie ergänzt, dass aktuell rund 40 Prozent der Befragten angeben, durch Entscheidungen in Bezug auf die Klimakrise Geld verloren zu haben. 2022 waren es erst 30 Prozent.

"Zurzeit schlägt das Pendel in Richtung Widerstand aus"

Was bedeuten diese Ergebnisse für den Klimaschutz und die Klimapolitik?

Derk Loorbach, Professor für sozioökonomischen Wandel an der Erasmus-Universität Rotterdam, erklärt, dass der wachsende Widerstand gegen den Klimaschutz charakteristisch für gesellschaftliche Veränderungsprozesse ist.

Gesellschaftliche Umbrüche, so Loorbach, zeigen eine "dialektische Bewegung zwischen dem Aufbau von Alternativen und der Destabilisierung des bestehenden Modells" – wie ein Pendel, das zwischen Unterstützung und Widerstand hin und herschwingt.

Gemeint ist damit: Während Idealist:innen, Unternehmer:innen und progressive Politiker:innen neue Ideen und Interventionen entwickeln und diese mit der Zeit günstiger, sichtbarer und bekannter werden, wackelt gleichzeitig das bestehende System, wird zunehmend unsicher und anfälliger für Krisen, was mit Unruhen, Spannungen und Zweifeln einhergeht.

Zurzeit schlägt das Pendel in Richtung Widerstand aus, sagt Derk Loorbach.

Warum ist das so? Möglicherweise liegt es daran, dass die Debatten konkreter geworden sind und nun mehr Angriffsfläche bieten.

Im Gegensatz zu früher, als es hauptsächlich um die allgemeine Notwendigkeit des Klimaschutzes ging, diskutieren wir heute über direkte, konkrete Veränderungen in den Lebenswelten und Routinen der Menschen – beispielsweise über die Art und Weise, wie wir heizen oder uns fortbewegen.

Dies erweist sich als mühsamer und unbequemer als die generelle Zustimmung zum Klimaschutz.

Eine Klimabremserlobby, die Ängste schürt

Gleichzeitig gibt es Akteur:innen, die gezielt Ängste schüren.

Eine Lobby, bestehend aus rechten Parteien, "alternativen" und Boulevard-Medien sowie Wirtschaftsverbänden, verbreitet lautstark die Behauptung, dass Klimaschutz wirtschaftspolitische Ziele wie Wohlstand und Beschäftigung gefährdet.

Dadurch entsteht der Eindruck, als ob sich Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit grundsätzlich ausschließen.

Ein aktuelles Beispiel dafür war die Debatte um das Heizgesetz, bei der sowohl die Bild-Zeitung als auch die Union affektgeladene Kampagnen fuhren. Mit Erfolg: Wie die PACE-Studie zeigt, ist die Zustimmung zum Verbot von Gas- und Ölheizungen im letzten Jahr gesunken.

Neue Partizipationsmöglichkeiten und Narrative gefragt

Die Politik kann dem entgegenwirken, indem sie Instrumente wählt, die einkommensschwache und sozial benachteiligte Menschen nicht übermäßig belasten oder gar unterstützen.

Eine verstärkte Kommunikation über die langfristigen Kosteneinsparungen durch Klimaschutz ist laut der Entscheidungsforscherin Mirjam Jenny von der Universität Erfurt ebenfalls notwendig. Jenny betont, dass die öffentliche Debatte oft einseitig die Kosten des Klimaschutzes hervorhebt, wobei die Kosten der Klimakrise vollständig ignoriert werden.

Zudem könnten progressive Politiker:innen mehr Unterstützung für den Klimaschutz gewinnen, indem sie klar kommunizieren, dass Maßnahmen einen bedeutenden Beitrag leisten und gesundheitliche Vorteile mit sich bringen.

Derk Loorbach zufolge liegt darin der Schlüssel. "Wir brauchen neue Narrative und politische Gestaltungsmöglichkeiten", sagt er.

Ein Nachbar schlug meiner Oma übrigens kürzlich vor, dass sich die Bürger:innen an der Solar-Freiflächenanlage beteiligen könnten. Sie würden dann direkt Strom daraus beziehen und die Gewinne unter allen Beteiligten aufteilen.

Bisher hat der Investor keinen entsprechenden Vorschlag gemacht. Im nächsten Frühjahr will er voraussichtlich mit den Arbeiten zum Aufbau der Solaranlage beginnen. Die Fläche wäre groß genug, um Gewinne zu erzielen – auch wenn meine Oma ihr Flurstück nicht zur Verfügung stellt.

Der Text ist zuerst bei Perspective Daily erschienen.

Die Studien

Planetary Health Action Survey (PACE)

Seit Sommer 2021 führt PACE regelmäßig Online-Befragungen durch, um Einflussfaktoren auf klimaschutzrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen besser zu verstehen.

Die aktuelle PACE-Befragung basiert auf einer deutschlandweiten Online-Quotenstichprobe mit 1003 Teilnehmer:innen, die die erwachsene Allgemeinbevölkerung zwischen 18 und 74 Jahren für die Merkmale Alter, Geschlecht und Bundesland abbildet.

PACE ist ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt mehrerer Einrichtungen: Universität Erfurt, Robert Koch-Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leibniz-Institut für Psychologie, Science Media Center und Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Ariadne-Studie zur Zustimmung zu Klimaschutzpolitik in Deutschland

Die Ariadne-Studie schätzte die durchschnittliche Zustimmung in der Bevölkerung zu 26 Klimaschutzmaßnahmen in den Sektoren Wärme, Verkehr und Energie auf Bundesländer-, Landkreis- und kommunaler Ebene in den Jahren 2017 bis 2021.

Die Schätzungen basieren auf zwei bundesweit repräsentativen Panel-Umfragen, dem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer und dem Ariadne Wärme-und-Wohnen-Panel.

Ariadne ist ein Konsortium von 27 Forschungseinrichtungen, darunter die TU München, das Klimaforschungsinstitut MCC in Berlin und das Münchner Ifo-Institut.

Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung untersucht Zielkonflikte in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen, Wirtschaftspolitik und soziale Gerechtigkeit. Sie basiert auf Umfragedaten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energie- und Verkehrswende, einer bevölkerungsrepräsentativen Online-Panelbefragung von über 6.500 Personen, aus den Jahren 2021 bis 2023.

Die Studie wurde im Dezember 2023 veröffentlicht und entstand in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Nachhaltigkeit (RIFS) in Potsdam.

Die Bertelsmann-Stiftung ist eine private Stiftung, die "Reformprozesse" und "Prinzipien unternehmerischen Handelns" für eine "zukunftsfähige Gesellschaft" fördern will. Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer wurde im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne durchgeführt.