Tony Rinaudo vor einer aufgeschichteten und gesicherten Steinmauer.
Tony Rinaudo bereist heute für die Hilfsorganisation World Vision verschiedene Länder, um seine Methode zur natürlichen Ökosystem-Wiederherstellung zu verbreiten. (Foto: Silas Koch)

Klimareporter°: Herr Rinaudo, man nennt Sie den "Waldmacher". Sind Sie stolz darauf?

Tony Rinaudo: Ja, ich finde, das ist ein schöner Titel. Er wurde von dem Journalisten Johannes Dieterich erfunden, mit dem ich das Vergnügen hatte, durch Somalia, Äthiopien und Niger zu reisen. Ich habe auch noch andere "Titel", wie zum Beispiel "Waldflüsterer", was lustig ist. Aber "Waldmacher" ist leicht und doch ernst.

Wie haben Sie Ihre Methode entdeckt?

Eigentlich ist es keine neue Erfindung. Schon in der alten Forstwirtschaft in Deutschland war das "Auf den Stock setzen" eine gängige Baumpflegemethode. Hier und auf anderen Kontinenten wird so etwas seit Jahrhunderten gemacht.

Ich kam darauf während einer Baumpflanzaktion in der Republik Niger. Ich war – nach zweieinhalb Jahren wachsender Frustration – schon bereit aufzugeben und nach Hause zu gehen.

Ich hatte versagt. Das "Waldmachen" mit der Methode funktionierte nicht richtig, und ich schaffte es nicht, die Unterstützung der Bevölkerung dafür zu bekommen.

An einem meiner Tiefpunkte fuhr ich mit einer Anhängerladung Setzlinge in die Dörfer. Die Hoffnungslosigkeit des Ganzen lastete schwer auf mir. Ich hielt an, um den Luftdruck in den Reifen zu verringern, damit das Fahrzeug leichter über losen Sand fahren konnte.

Während ich anhielt, ließ ich meinen Blick über die karge Landschaft schweifen. Norden, Süden, Osten, Westen: So weit ich sehen konnte, gab es windgepeitschte Ebenen, die fast völlig baumlos waren.

Mir wurde klar. Mit den Methoden, die ich anwandte, würde ich hier nichts ausrichten können, selbst wenn ich ein Multi-Millionen-Dollar-Budget, viele Jahre für die Arbeit und Hunderte von Mitarbeitern hätte. Es war hoffnungslos.

Tony Rinaudo

lässt verdorrte Landschaften in Afrika ergrünen – und inzwischen auch weltweit. Der 64-jährige Australier war von 1981 bis 1999 als Landwirt und Missionar in Niger tätig und dabei auch für ländliche Entwicklung und große Hilfsprogramme verantwortlich. Dort entdeckte und entwickelte er die regenerative Wiederaufforstungsmethode FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration). Mit Hilfe der Bauern konnte er mehr als sechs Millionen Hektar Land bewalden.

Die freikirchliche Hilfsorganisation World Vision, zu der Rinaudo 1999 stieß, unterstützt ihn dabei, dass seine Methode auch außerhalb Afrikas Anwendung findet. Als "Senior Climate Action Advisor" betreut Rinaudo Forst- und Agroforst-Initiativen in mehreren Ländern.

Rinaudo ist mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem "Alternativen Nobelpreis", dem World Future Council Agroecology Award und einem hohen Orden der nigrischen Regierung. Jüngst ist seine Autobiografie unter dem Titel "Unsere Bäume der Hoffnung" im Verlag Rüffer & Rub erschienen.

Aber Sie warfen nicht hin?

Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich für den Niger bestimmt war. Der Glaube hat schon immer eine große Rolle bei meinen Entscheidungen gespielt, und an diesem Tiefpunkt bat ich Gott erneut um Hilfe.

Kurz gesagt: Ich bat Gott, uns zu vergeben, dass wir das Geschenk seiner wunderschönen Schöpfung zerstören. Ein Großteil des Leids und des Hungers, den die Menschen erleben, hängt ja direkt mit der Umweltzerstörung zusammen.

Ich bat Gott, mir die Augen zu öffnen und mir zu zeigen, was ich tun soll. An diesem Tag fiel mir einer der üblichen kleinen Büsche auf, die auf dem Feld wuchsen. Ich hatte diese Büsche schon oft gesehen, aber nie ihre Bedeutung registriert.

Ich ging hin, um ihn mir genauer anzusehen. Als ich die Blätter sah, erkannte ich sofort, dass es sich nicht um einen Busch handelte, sondern um einen Baum, der gefällt worden war und wieder aus dem Stumpf spross.

In diesem Moment änderte sich alles. Ich wusste irgendwie, dass dies die Lösung war, nach der ich gesucht hatte – und sie lag mir die ganze Zeit zu Füßen. Es gab Millionen ähnlicher Büsche, die anzeigten, dass ein riesiger unterirdischer Wald direkt unter der Oberfläche dieser scheinbar kargen Landschaft existierte.

Aber ein Wald wurde nicht daraus ...

Richtig. Die sprießenden Stämme wuchsen jedes Jahr bis zu einem Meter in die Höhe, aber dann kappten die Bauern die Triebe. Sie verbrannten die Stämme und Zweige, um mit der Asche den Boden zu düngen, oder sie nahmen sie als Brennholz mit nach Hause.

Landschaft mit bewaldeten Hügeln, weitgehend grünen Wiesen und einem Rind.
Ganze Regionen profitieren enorm durch Rinaudos Regenerations-Methode. Die Pflanzen und vor allem die Bäume verändern das Mikroklima. (Foto: Silas Koch)

Solange dieses regelmäßige Abholzen und Verbrennen anhielt, wuchsen die "Büsche" nie zu richtigen Bäumen heran, und der Wald blieb unter der Erde verborgen. Wenn ein Baum gefällt wird, bleibt bei den meisten Arten ein großer Teil der Wurzelmasse am Leben, und der Baum hat die Fähigkeit, aus dem Stumpf schnell wieder zu wachsen.

Mit der Entdeckung dieses unterirdischen Waldes wurde alles anders. Bei der Aufforstung ging es nun nicht mehr um genügend Budget, Personal oder Zeit. Es ging nicht mehr um den Kampf gegen die Sahara-Wüste, gegen Ziegen oder Dürre.

Es ging jetzt darum, die Menschen davon zu überzeugen, dass es in ihrem besten Interesse wäre, zumindest einige dieser Büsche wieder zu Bäumen werden zu lassen. Ich erkannte: Wenn es Menschen waren, die den Wald zu einer kargen Landschaft reduziert hatten, würde es Menschen brauchen, um ihn wiederherzustellen.

Warum sind die Bäume so wichtig?

So einfach wie möglich ausgedrückt: Bäume sind Leben. Ihr größter Wert ist wahrscheinlich ihre wohltuende Wirkung auf die Gesundheit, den Boden, das Klima, den Niederschlag und die Gewässer.

Bäume verschönern das Land, spenden Schatten für Mensch und Vieh, schützen die Feldfrüchte vor Wind und Sturm und halten das Wasser im Boden auf einem Niveau, auf dem es vom Menschen genutzt werden kann.

UN-Dekade zur Ökosystem-Wiederherstellung

Rinaudos Methode spielt auch eine wichtige Rolle in der UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen, die am morgigen Samstag offiziell beginnt. Ihr Ziel ist die Wiederbelebung degradierter oder bereits zerstörter Ökosysteme als Beitrag zu den Zielen der drei UN-Konventionen zu Klimawandel, Biodiversität und Wüstenbekämpfung und zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG).

Dabei geht es darum, wichtige Ökosystem-Dienstleistungen wie die CO2-Speicherung und die Regulierung des Wasserhaushalts zu erhalten und die Widerstandsfähigkeit dort lebender Menschen gegenüber dem Klimawandel zu stärken. Geschehen soll das unter anderem durch Sicherung einer natürlichen Regeneration, Aufforstung und Förderung angepasster Agroforst-Systeme.

Die Vernachlässigung der Forstwirtschaft in der Vergangenheit hat zu den Wüsten geführt, die es heute gibt, denn wenn die Baumbedeckung von der Erde verschwindet, sinkt der Wasserspiegel. Bäume sind eine Grundlage der Zivilisation.

Bäume verdienen auf jeden Fall unsere Aufmerksamkeit, denn unser heutiges Verhalten ihnen gegenüber kann über das Wohl oder Wehe von morgen entscheiden.

Ihre Anwesenheit oder Abwesenheit kann für die Nachwelt über Gesundheit oder Krankheit, Nahrung oder Hunger, sauberes oder verdrecktes Wasser, gute oder schlechte Ernten entscheiden, über fruchtbaren Regen oder Überschwemmungen, hilfreiche Vögel oder schädliche Insekten, Wohlstand oder Armut, reine Luft oder verdorbene Luft, fruchtbares oder wüstes Land.

Wir haben die Wahl. Verschwinden die Wälder, verschwinden die Gewässer, die Fische und das Wild, die Ernten, die Fruchtbarkeit der Böden. Dann tauchen die uralten Gespenster heimlich auf, eines nach dem anderen – Überschwemmung, Dürre, Feuer, Hungersnot.

Lesen Sie hier Teil 2 des Interviews: "Die Natur ist in der Lage, sich selbst zu heilen"

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