Baustelle eines Einfamilienhauses auf der grünen Wiese, der Kran schwenkt gerade ein Wandelement für die obere Etage ein.
Die Effizienzstandards für Gebäude werden von der Bundesregierung derzeit eher abgerissen als für den Klimaschutz neu justiert. (Foto: Tim David/​Shutterstock)

Nach einem Jahr Ampel-Regierung stellt sich eine bittere Erkenntnis ein: Eine ernst zu nehmende Effizienzpolitik fristet in Deutschland weiterhin ein Schattendasein.

Trotz drängender Krisen sind wichtige Gesetze für Energieeffizienz und Energiesparen auf die lange Bank geschoben worden. Das wird für die Regierung zu einem Problem – denn ohne Energieeinsparungen sind die Klimaziele nicht zu erreichen.

Die umweltfreundlichste Kilowattstunde ist jene, die wir gar nicht erst produzieren. Dem zu widersprechen, wagt öffentlich niemand. Energieeffizienz – und damit die Absenkung unserer Energieverbräuche – ist ein zentrales Element jedes Szenarios in Richtung Klimaneutralität.

Umso unverständlicher wirkt es, wie sich die Bundesregierung gerade vor einem besonders wichtigen Gesetz wegdrückt, um genau diese Zielpfade zu verankern – vor dem Energieeffizienzgesetz.

Selbst die direkte Weisung aus dem Kanzleramt half nicht: Im selben Machtwort-Schreiben, das den Reservebetrieb der drei letzten Atomkraftwerke verlängerte, forderte Bundeskanzler Olaf Scholz seine Minister auch auf, "parallel" das Effizienzgesetz voranzubringen.

Zwei Tage später wurde der Reservebetrieb der AKW über das Jahresende hinaus im Bundeskabinett beschlossen. Das geforderte Energieeffizienzgesetz hängt zwei Monate später immer noch in SPD- und FDP-geführten Ministerien fest.

Die Reduzierung des Energieverbrauchs findet nicht statt

Die Dringlichkeit, Effizienzziele gesetzlich festzuschreiben, steht angesichts der klima- und energiepolitischen Herausforderungen außer Frage. Das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands ist nur über zwei stabile Säulen zu erreichen: den Ausbau der erneuerbaren Energien und die gleichzeitige deutliche Reduzierung des gesamten Energiebedarfs.

Der Blick in die Realität zeigt: Das klappt bisher nicht. Die Sektoren Verkehr und Gebäude haben die Klimaziele bereits mehrfach verfehlt. In beiden Fällen ist dafür der viel zu hohe Energieverbrauch durch schlecht gedämmte Gebäude oder zu schwere und große Fahrzeuge maßgeblich.

Die Prognose lautet: Bleibt es bei den aktuellen Maßnahmen, werden mit Sicherheit bei Gebäuden und Verkehr weitere Ziele verfehlt.

Damit stehen alle Anstrengungen, um die Klimaneutralität zu erreichen, auf mehr als wackeligen Beinen. Deutlich wurde das jüngst wieder bei der Präsentation der Langfristszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums.

In den Szenarien werden verschiedene Zielpfade zu einem klimaneutralen Deutschland durchgerechnet. Eines nimmt "reduzierte Effizienzanstrengungen" an. Dieses "Redeff"-Szenario hat gravierende Konsequenzen: Dann gestalten sich die Vorgaben für den Ausbau der Erneuerbaren steil bis unrealistisch steil aus.

Im Gebäudesektor bedeutete Redeff beispielsweise, bis 2030 neun bis zwölf Millionen Wärmepumpen installieren zu müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Sogar von "Pop-up-Wärmenetzen" nach dem Vorbild der Pop-up-Radwege ist bei Redeff die Rede – eine Vorstellung, die jeder technischen Machbarkeit widerspricht.

Porträtaufnahme von Barbara Metz.
Foto: Stefan Wieland

Barbara Metz

Die studierte Politologin und Soziologin ist Bundes­geschäfts­führerin der Deutschen Umwelt­hilfe. Zuvor baute sie bei der Organisation den Bereich Energie­effizienz auf – mit Fokus auf nachhaltige Sanierung.

Dies macht eindeutig klar, wie entscheidend es ist, schnell anspruchsvolle Effizienzvorgaben über alle Sektoren hinweg zu beschließen.

Nicht nur der Streit um das Effizienzgesetz macht den Effizienz-Light-Kurs der Bundesregierung deutlich. Bereits bei der Revision des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Frühjahr wurden große Einsparpotenziale verschenkt.

Nach wie vor sind die Effizienzanforderungen an die Gebäudehülle im Neubau auf dem Niveau von 2009 eingefroren. Dabei wäre das Gegenteil nötig, nämlich das Anheben der Effizienzstandards auf ein Niveau, das den Klimazielen entspricht.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bundesregierung hier die gesetzlichen Anforderungen für Gebäude schon für die Zukunft aus den Angeln gehoben. Ab Januar 2023 gilt ein Effizienzhausstandard 55, der faktisch keiner ist, weil die energetischen Anforderungen für die Gebäudehülle nicht verbessert wurden. Für künftige Neubauten bedeutet das einen klimapolitischen Rückschritt hinter das, was in Deutschland seit Jahren gebaute Praxis ist.

Rückschlag bei der Förderung energetischer Sanierungen

Ein weiterer Rückschlag für die Effizienz ist die massive Reduktion bei der Förderung für energetische (Voll-)Sanierungen. Zwar sind die Förderprogramme deutlich stärker auf den Gebäudebestand ausgerichtet, die individuellen Fördersätze aber wurden gekürzt und die Möglichkeit der Zuschussförderung gänzlich abgeschafft – und das alles in Zeiten explodierender Bau- und Materialkosten.

So wird es nicht möglich sein, die jährliche Sanierungsrate der Gebäude von einem Prozent, wo sie seit Jahren stagniert, um die notwendigen zwei bis drei Prozentpunkte zu steigern.

Wir erleben hier einen brisanten Kurswechsel, dessen Auswirkungen wir noch über Jahre spüren werden. Eigentlich ist allen Beteiligten klar: Wir können uns angesichts unseres ambitionierten Klimaziels nicht erlauben, bei der Effizienz zu sparen.

Wir haben weniger als 20 Jahre, um den Energieverbrauch unserer Gebäude zu halbieren. Jede verpasste Sanierungsentscheidung in diesem Jahr, jeder Neubau, der nicht klimaneutral errichtet wurde, ist ein Risiko für die Erreichung der Klimaziele für 2030 und 2045.

Angesichts der gerissenen CO2-Vorgaben in den letzten Jahren muss hier endlich eine wirkliche Wende her. Deshalb setzen wir uns mit allen Mitteln für eine bundesweite Sanierungswelle ein, angefangen bei den maroden öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kindergärten.

Kein Geld aus dem "Doppelwumms" für Energieeffizienz

Auch die sozialpolitischen Folgen der verfehlten Effizienzpolitik dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Mit Milliarden subventioniert die Regierung in diesem und dem kommenden Jahr fossile Brennstoffe. Dieser – kurzfristig wichtigen – Entlastung fehlt jedoch bisher eine flankierende Investitionsoffensive in Energieeffizienz.

Das wäre auch der einzige Weg, um Energiekosten dauerhaft zu senken. Absolut unverständlich also, dass genau für diesen Zweck aus dem 200 Milliarden Euro schweren "Doppelwumms" bisher keine Mittel bereitgestellt werden. Eine dauerhafte Bezuschussung der fossilen Energiequellen werden die öffentlichen Haushalte nicht lange durchhalten.

Auswege aus diesem Teufelskreis werden jedoch von dieser Bundesregierung nicht nur ignoriert, sondern aktiv blockiert. Ein Beispiel ist ein geplanter Passus im Energieeffizienzgesetz, der der energetischen Sanierung von sozialen Wohnungsbeständen Vorrang einräumte, um Energiesparziele auf Länderebene zu erreichen.

Diese sozial- wie klimapolitisch so sinnvolle Vorgabe soll jedoch sofort den Widerstand des SPD-geführten Bauministeriums auf den Plan gerufen haben – und anscheinend auch mit Erfolg. Nach unseren Informationen wird genau dieser Passus bei der kommenden Wiedervorlage des Referentenentwurfs gestrichen sein – ein Trauerspiel gerade vor dem Hintergrund, dass gerade einkommensschwache Bevölkerungsgruppen überproportional häufig in energetisch sehr schlechten Gebäuden leben müssen.

Die Botschaft an die Bundesregierung ist klar: Energieeffizienz ist keine zusätzliche Belastung, sondern ist die entscheidende Voraussetzung, um viele Haushalte zu entlasten und die Energie- und Klimaziele zu erfüllen. Die so wichtigen Effizienzgesetze weiter zu verschleppen, können wir uns nach den Jahren des Stillstands schlicht und einfach nicht mehr leisten.

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