Weniger als ein Prozent des deutschen Gebäudestandes wird jedes Jahr energetisch saniert. Zwar hat das Bauministerium bisher keine Zielvorgabe für die Sanierung gesetzt, aber ein Blick auf die Klimabilanz des Gebäudesektors offenbart: Das ist zu wenig.
2022 verfehlte der Sektor zum dritten Mal in Folge sein Klimaziel. Und auch der neueste Bericht des Expertenrats für Klimafragen prognostiziert, dass der Gebäudesektor sein Soll bis 2030 um 33 Millionen Tonnen CO2 übersteigen wird.
Das Instrument der Wahl, um diese Schieflage zu beheben, sind für die Bundesregierung finanzielle Anreize. Über verschiedene Förderungen soll die energetische Sanierung angeschoben werden.
Ob die nötige Sanierungssteigerung damit erreicht werden kann, sei angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre fraglich, heißt es in einer neuen Studie des Öko-Instituts. Da die Politik aber voraussichtlich weiter an Förderungen als Hauptmaßnahme festhalten werde, konzentriert sich die vom Deutschen Mieterbund in Auftrag gegebene Untersuchung auf die sozialen Effekte der Förderung in Mietwohnungen und schlägt Verbesserungen vor.
In Deutschland ist über die Hälfte aller Wohnungen vermietet. Dabei wohnen überproportional viele Menschen mit geringem Einkommen zur Miete.
Mieterbund-Chefin Melanie Weber-Moritz fordert: "Die Bundesregierung muss die Förderung im Mietwohnbereich sozialer ausgestalten – das ist für die Akzeptanz der Klimaschutzmaßnahmen von zentraler Bedeutung."
Selbst die EU schreibt in ihrer Energieeffizienzrichtlinie und ihrer Gebäuderichtlinie vor, dass energetische Maßnahmen in ärmeren Haushalten Vorrang haben sollen und sich gleichzeitig für diese nicht nachteilig auswirken dürfen.
Das Gegenteil ist gegenwärtig allerdings Realität.
Warmmiete trotz besserer Energieeffizienz höher als zuvor
So hat die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), der mit Abstand größte Fördertopf für die energetische Sanierung, gegenwärtig keine sozial gestaffelten Angebote für vermietete Gebäude. Diese Fördermittel werden "heute vielfach von Haushalten mit hohem Einkommen in Anspruch genommen", betont Studien-Hauptautorin Sibylle Braungardt vom Öko-Institut in Freiburg.
Außerdem haben Vermieter:innen die Möglichkeit, die Kosten einer Sanierung als Modernisierungsumlage auf die Miete umzulegen. Dabei gilt: Bis zu acht Prozent der Kosten dürfen auf die jährliche Miete aufgeschlagen werden.
Das Resultat ist, dass trotz energetischer Einsparungen die Warmmiete nach der Sanierung häufig höher liegt als zuvor.
Grundsätzlich kommen den Mieter:innen Förderungen durchaus zugute. Diese müssen von den Kosten, die aufgeschlagen werden können, nämlich abgezogen werden.
Das Problem ist nur: Die Förderung entlastet in erster Linie die Mieter:innen, muss aber von der Vermieter:in beantragt werden. Das ist nicht nur mit bürokratischem Aufwand verbunden. "Aus Sicht der Vermietenden ist eine Sanierung ohne Förderung finanziell häufig attraktiver", schreiben die Autor:innen.
Da Vermieter:innen im gegebenen Rechtsrahmen keinen wirtschaftlichen Vorteil von den Förderungen haben, so die Studie, hätte eine Erhöhung der Fördermengen vermutlich kaum einen Effekt.
Die Autor:innen schlagen deshalb eine Reihe von Anpassungen vor. So könnte etwa ein Förderbonus an eine vereinbarte Mietpreisobergrenze gekoppelt werden.
Wenn diese Obergrenze im Verhältnis zur ortsüblichen Vergleichsmiete festgelegt wird, würden einkommensschwache Haushalte dadurch zumindest indirekt bevorzugt. Denn die vergleichsweise geringen Mieterhöhungen würden dann von den Einsparungen bei den Energiekosten übertroffen.
Förderung allein reicht nicht
Bei einem Förderbonus von 45 Prozent käme es nach den Berechnungen der Studie zu gar keiner Mieterhöhung.
Der Vorteil dieses Ansatzes gegenüber der Verknüpfung zusätzlicher Förderungen mit der Miethöhe oder mit Gebäudemerkmalen wäre laut den Autor:innen, dass längerfristig bezahlbare Mieten gewährleistet seien.
Zusätzliche Finanzhilfen zur energetischen Modernisierung im sozialen Wohnungsbau wären eine weitere Möglichkeit, um speziell Haushalte mit geringerem Einkommen stärker zu berücksichtigen.
Bisher fließt der Großteil der Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau in den Neubau und den Erwerb von Wohnungen. Das auch aus gutem Grund. Während es Anfang der 2000er Jahre noch deutlich über zwei Millionen Sozialwohnungen in Deutschland gab, ist der Bestand heute auf das historische Tief von rund einer Million gesunken.
Als dritte Möglichkeit empfehlen die Autor:innen die Aufstockung von quartierbezogenen Förderprogrammen, etwa der Städtebauförderung, sowie die Schaffung spezieller Programme zur Förderung sozial benachteiligter Quartiere.
Um über diese Ansätze bis 2030 alle sogenannten Worst-Performing-Wohnungen – das energetisch schlechteste Viertel des deutschen Gebäudebestandes – mit einkommensschwachen Mieter:innen zu sanieren, wären laut der Studie fünf bis acht Milliarden Euro im Jahr nötig.
Sollten diese Mittel nicht zur Verfügung stehen, schlagen die Autor:innen vor, Förderungen für höhere Einkommen – etwa zum Heizungswechsel – zu verringern.
"Geld ist nicht alles", bekräftigt Sibylle Braungardt. Neben einer solchen sozial gerechteren Förderung brauche es auch Anpassungen beim Mietrecht sowie ordnungsrechtliche Vorgaben.
Der Deutsche Mieterbund fordert etwa, die Modernisierungsumlage auf vier Prozent zu senken. Nötig sei auch eine Verpflichtung, die energetisch schlechtesten Gebäude zuerst zu sanieren.