Jennifer Morgan, Stefan Tidow, Jochen Flasbarth und Patrick Graichen sitzen im Halbkreis vor einem Flipchart.
Klausur zur deutschen Klima-Außen­politik auf Staats­sekretärs­ebene im April: Stefan Tidow (Umwelt), Jennifer Morgan (Außenamt), Jochen Flasbarth (Entwicklung), Patrick Graichen (Wirtschaft, v.l.n.r.). (Foto: Screenshot/​Jennifer Morgan/​Twitter)

Ende 2020 war's, als die damalige Bundesregierung die Ergebnisse der fünften Sitzung des sogenannten Klimakabinetts verkündete. Unter Leitung der Bundeskanzlerin hätten die klimarelevanten Ressorts eine positive Bilanz gezogen. Die meisten Vorhaben seien an den Start gebracht worden: der Kohleausstieg, der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, der neue CO2-Preis ...

Eine weitere Sitzung des Klimakabinetts gab es seitdem nicht. Seit fast zwei Jahren tagte es nicht mehr. Übersehen hat die Ampel-Regierung das Gremium bei der Regierungsbildung aber nicht, sie bedachte es im Koalitionsvertrag sogar mit einer Aufgabe. Auf Seite 49 steht: "Unsere Klimaaußenpolitik wollen wir u. a. mit dem Klimakabinett kohärenter und stärker machen."

Die Ampel hätte ihren Vertrag an der Stelle ernster nehmen sollen. Ihrer Klimaaußenpolitik fehlt es an Kohärenz, klarer Strategie und an finanziellen Ressourcen für eine glaubwürdige und ehrgeizige Umsetzung. So lautet die mehr als ernüchternde Bilanz, die das Berliner New Climate Institute in einer heute veröffentlichten Analyse zieht.

Der knapp 70-seitige Report bescheinigt zunächst der Ampel, sie habe im Koalitionsvertrag eine positive Vision entworfen. Danach solle die deutsche Außenpolitik den Klimaschutz als Querschnitts- und ressortübergreifende Aufgabe verstehen. Die Regierung solle beim Klima geschlossen agieren.

Fast ein Jahr später zeige die Umsetzung der Vision jedoch, wie sehr sich das klimapolitische Verständnis der Ampel-Parteien unterscheide, erklärte Lukas Kahlen, Finanzexperte beim New Climate Institute und Hauptautor der Studie. "Während beispielsweise das Auswärtige Amt Klimaschutz zum übergreifenden außenpolitischen Ziel erhebt, gibt das Finanzministerium nicht genügend Mittel frei, damit Deutschland seinen finanziellen Beitrag für internationale Klimafinanzierung wie versprochen erhöhen kann", kritisierte der Experte.

Einen Grund für das offensichtliche Versagen sehen Beobachter in der Neuaufteilung der Zuständigkeiten. Offiziell führt das Außenamt in der Klimaaußenpolitik die Feder. Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungsministerium mischen aber kräftig mit. Das Entwicklungsministerium verfügt über 85 Prozent der deutschen Mittel zur internationalen Klimafinanzierung, also über das Geld.

Deutschland spielt mit seiner Glaubwürdigkeit

Für eine effiziente internationale Klimapolitik wäre es nach Kahlens Einschätzung wichtig, Koordinationsstrukturen zwischen allen betroffenen Ministerien zu schaffen und ein konkretes Vorgehen zur Lösung von Konflikten zu vereinbaren. Idealerweise sollten diese Strukturen und Prozesse nicht nur die vier zentralen Ressorts Äußeres, Wirtschaft, Umwelt und Entwicklung einbeziehen, sondern auch andere für die Klima-Außenpolitik wichtige Ministerien wie Finanzen, Forschung und Landwirtschaft.

Als Strukturvorschlag greift die Studie dabei eine Ankündigung von Jennifer Morgan aus dem April auf. Die Staatssekretärin für Klimaaußenpolitik hatte auf Twitter bekannt gegeben: "Wir bauen das Klima-Team Deutschland auf!" Neben ihr waren dabei in der Runde einige Staatssekretäre aus den anderen klimarelevanten Ressorts zu sehen.

Dieses "Klima-Team" könnte um weitere wichtige Ministerien erweitert werden, schlägt nun das New Climate Institute vor und hat dabei vor allem Verkehr, Landwirtschaft, Forschung und Finanzen im Blick. Eine bessere Koordination sei nicht nur aus inhaltlicher, sondern auch aus finanzieller Sicht wünschenswert.

In diesem Zusammenhang kritisiert das Papier, dass die Haushaltsgelder stagnieren oder gar zurückgehen, mit denen Deutschland vom Klimawandel betroffene Länder unterstützt. Für das selbstgesteckte Ziel von jährlich sechs Milliarden Euro, das 2025 erreicht sein soll, müssten die Mittel aber kontinuierlich erhöht werden.

Alternativ zum "Klima-Team" könnte auch das eingangs erwähnte Klimakabinett um die internationale Dimension der Klimapolitik erweitert werden, schlagen Kahlen und seine Mitautor:innen vor. Sie begrüßen zudem den Vorschlag, die deutschen Auslandsvertretungen in "Klimabotschaften" umzuwandeln und mit deren Hilfe die verschiedenen Initiativen Deutschlands in den Partnerländern zu koordinieren.

Selbstverständlich weisen die Autor:innen die deutschen Bestrebungen zurück, sich fossiles Erdgas beispielsweise vor der Küste Senegals zu sichern. "Deutschland sollte seine internationalen Zusagen – dazu gehört auch das Ende der Förderung fossiler Brennstoffe im Ausland – unbedingt einhalten, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren und das 1,5-Grad-Ziel nicht zu unterminieren", stellte Lukas Kahlen klar.

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