Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Greenpeace besprühte kürzlich die Wände der DWS-Zentrale in Frankfurt am Main. Der Konflikt zwischen der Umweltorganisation und DWS, der größten deutschen Fondsgesellschaft, die mehrheitlich der Deutschen Bank gehört, spitzt sich zu.

Greenpeace fordert energisch mehr Ehrgeiz beim Verfolgen von Klimazielen. Untermauert wird dies durch eine aktuelle Berechnung des Beratungsunternehmens Right Based on Science, nach der die Produktpalette der DWS auf eine Klimawirkung von umgerechnet 2,6 Grad Erderhitzung hinausläuft.

"Das ist ein verheerendes Ergebnis für die DWS, die sich zum 1,5-Grad-Klimaschutzziel bekannt hat", lässt sich Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas zitieren. Andere Fondsgesellschaften seien hier schon weiter.

Doch in der Praxis tut sich die Fondsbranche schwer. Das belegt ein "Update" des Verbraucherportals Faire Fonds, das die gemeinnützigen Organisationen Facing Finance und Urgewald vorgenommen haben.

Von 2.580 untersuchten Fonds, die insgesamt mehr als 2,2 Billionen Euro verwalten, waren nach Faire-Fonds-Methodik 405 Milliarden Euro in Aktien und Anleihen "von konfliktbehafteten Unternehmen" investiert – jeder fünfte investierte Euro. So waren beispielsweise 33 Milliarden Euro in Wertpapiere von Kohleunternehmen und 91 Milliarden Euro in Öl- und Gasunternehmen angelegt.

Intern wird solche Kritik in der Finanzbranche gern als "populistisch" abgetan. Dabei teilt das DWS-Management offenbar durchaus die erklärten Klimaziele ihres Vorgesetzten Christian Sewing. Finanzdienstleister werden "eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen", verspricht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank.

Ohne "schmutzige" Industrie keine Energiewende 

Entsprechend weisen Fondsmanager darauf hin, dass heute noch schmutzige Energiekonzerne für ihre grüne Transformation schließlich frisches Kapital benötigten.

Auch Daniel Sailer warnt vor argumentativen Schnellschüssen. "Eine Windkraftanlage besteht zu 98 Prozent aus Zement, Stahl und Aluminium", sagt der Nachhaltigkeitschef von Metzler Asset Management. Solche energieintensiven, "schmutzigen" Hersteller aus dem Portfolio zu nehmen, sei dem Kampf gegen den Klimawandel nicht dienlich.

Zum Jahreswechsel sind sogar häufiger Stimmen zu vernehmen, die nicht an eine bedeutende Rolle von Fondsgesellschaften glauben. Der Kauf von Wertpapieren und Aktien durch Fonds habe – anders als Bankkredite – keine realwirtschaftliche Auswirkung. Da die Papiere bereits im Umlauf sind und von Dritten, meist über eine Börse, erworben werden, ist es für Unternehmen egal, ob DWS, Blackrock oder ein Umweltaktivist sie kaufen.

Gleichzeitig scheint die grüne Fonds-Linie porös zu werden. Der weltgrößte Fondsmanager Vanguard löste in der Szene ein Beben aus, als er sich im vergangenen Monat aus einer wichtigen Branchen-Initiative zur angeblichen Bekämpfung des Klimawandels zurückzog.

Die Kritik richtete sich gegen die als "Net Zero Asset Managers", kurz NZAM, bekannte Initiative. Sie soll Fondsfirmen ermutigen, bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen. Derzeit zählt die NZAM 291 Unterzeichner mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt rund 66 Billionen US-Dollar. Auf Vanguard entfallen davon sieben Billionen.

"Wir haben uns zum Rückzug aus der NZAM entschlossen, um unseren Anlegern die gewünschte Klarheit über die Rolle von Indexfonds zu verschaffen und darüber, wie wir über wesentliche Risiken, einschließlich klimabezogener Risiken, denken", erklärte Vanguard. Zudem wolle man klarstellen, "dass Vanguard unabhängig über Themen spricht, die für unsere Anleger wichtig sind". Noch im Mai hatte das Unternehmen mit Verpflichtungen geworben, die zu den NAZM-Zielen passen.

"Nachhaltige" Fonds oft gar nicht klimafreundlich

DWS zeigt inzwischen Reue über Grünfärberei, die ihr in der Vergangenheit vorgeworfen wurde. Der neue Vorstandsboss Stefan Hoops spricht von einst "überschwänglichem Marketing".

Offenbar kein Einzelfall. So entfernte Deka kürzlich Fonds aus der obersten Nachhaltigkeits-Kategorie "Artikel 9" und stuft sie nur noch als "Artikel 8" ein. Dort werden die Kriterien für ESG, also für Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung, nicht allzu streng ausgelegt.

Dabei sollte es in der Branche nicht bleiben. 45 Prozent der sich als nachhaltig bezeichnenden Fonds schneiden beim CO2-Ausstoß schlechter ab als der Durchschnitt aller deutschen Fonds. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommen die Datenanalysten von ESG Book. Lukrative Renditen beim Greenwashing mögen dazu beitragen, aber vor allem viele noch auf Jahre hin unbeantwortete Rechtsfragen.

Andere Studien zeigen, dass extrem viel "grünes" Geld in Wertpapiere von Konzernen wie Microsoft, den Chipmaschinenhersteller ASML oder Tesla fließt, die nicht gerade unter Kapitalmangel leiden. Faktisch können sich Fonds auf diesem grauen Markt (fast) alles erlauben. Private Anleger müssen also ganz genau in den Prospekt schauen, bevor sie ein ESG-Produkt erwerben.

Ein ermutigender Schritt in die richtige Richtung ist die "Greenwashing-Abfrage" der europäischen Aufsichtsbehörden für Fonds, Banken und Versicherungen, die gestern endete.

Unternehmen, Kleinanleger, Verbraucherverbände, Nichtregierungsorganisationen und Hochschulen sollten die Frage beantworten, was aus ihrer Sicht die wichtigsten Merkmale, Treiber und Risiken im Zusammenhang mit Greenwashing sind. Außerdem wollen die europäischen Aufsichtsbehörden konkrete Beispiele für potenzielles Greenwashing sammeln. Auf die Antworten darf man gespannt sein.

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