Eine dreispurige Autobahn
Straßenverkehr in Polen: Ein EU-weiter sozialer Ausgleich für ein "ETS 2" wird extrem schwierig. (Foto: Friederike Meier)

Die Steuersenkung auf Diesel und Benzin ab Juni, der sogenannte Tankrabatt, fällt in eine Zeit, "in der wir mehr denn je den Klimawandel spüren", merkte der sächsische SPD-Abgeordnete Carlos Kasper am vergangenen Freitag im Bundestag an.

Als letzten Punkt der Tagesordnung beriet das Parlament in erster Lesung das Energiesteuersenkungsgesetz, mit dem von Juni bis August Kraftstoffe und das ÖPNV-Ticket verbilligt werden sollen.

Die Pariser Klimaziele, meinte Kasper, werde Deutschland nur mit "allergrößten Anstrengungen" erreichen. "In dieser Lage die Steuern auf fossile Energieträger zu senken, ist keine Tat für das Klima."

Den klimabesorgten SPD-Abgeordneten kann man zumindest in einer Hinsicht beruhigen. Zwar fällt mit dem Tankrabatt die Energiesteuer auf das europarechtliche Mindestmaß – der nationale Emissionshandel auf Kraftstoffe ist davon aber nicht betroffen.

Unverändert werden von Juni bis August gemäß dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf den Liter Benzin – Mehrwertsteuer inklusive – 8,57 Cent aufgeschlagen, bei Diesel und Heizöl sind es 9,55 Cent.

Kernstück der EU-Klimapolitik

So einen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude soll es ab 2026 in der ganzen EU geben – unter dem Kürzel "ETS 2". Er ist Teil eines Gesamtpakets, zu dem auch eine Reform des "ETS 1" gehört, des 2005 eingeführten europäischen Emissionshandelssystems (ETS) für Kraftwerke und Industrie.

Das Gesamtpaket passierte heute zunächst den Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. Anfang Juni soll das Parlament darüber befinden.

Das Emissionshandels-Paket gilt wiederum als Kernstück des Gesetzespakets "Fit for 55", das die EU bis 2050 klimaneutral machen soll. Dem heute vom Ausschuss beschlossenen Paket muss auch der Ministerrat noch zustimmen, also die Vertretung der EU-Staaten.

Schon nach den jetzigen Plänen wird das ETS 2 im Jahr 2026 nur eingeschränkt starten. Es soll nur gewerbliche Gebäude und Verkehre betreffen. Im Unterschied zum ETS 1, wo der CO2-Preis letztlich an der Börse ausgehandelt wird, soll im ETS 2 ein Höchstpreis von 50 Euro pro Tonne CO2 gelten.

2026 soll die EU-Kommission dann analysieren, ob das ETS 2 auch für private Haushalte infrage kommt, so beschlossen es die Umweltparlamentarier. Wird dies bejaht, dürfen die Haushalte frühestens ab 2029 einbezogen werden.

Um die befürchteten sozialen Folgen abzufedern, darf der ETS 2 nach dem Willen des Parlaments nur dann auf Haushalte und Pkw ausgeweitet werden, wenn ein zu schaffender Klima-Sozialfonds bereits drei Jahre die Haushalte für Mehrkosten entschädigt. Die Kommission hat weiter dafür sorgen, dass Öl- und Gaskonzerne die Hälfte der künftigen ETS‑2-Kosten selbst tragen und die Verteuerung nicht in vollem Umfang an die Haushalte durchreichen.

Am heutigen Dienstag meldete sich in Deutschland der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zu Wort und wies darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen gewerblich und privat unnötigen Aufwand verursache, etwa bei der Bepreisung von Energielieferungen an Gebäude, die gewerblichen und privaten Wohnraum vereinen. Auch gewerbliche und private Fahrzeuge an Tankstellen unterschiedlich zu behandeln, erscheint dem VKU praxisfern.

Den Wunsch des Ausschusses, die Weitergabe der Kosten an Private auf die Hälfte zu deckeln, kann der VKU in Zeiten steigender Energiepreise nachvollziehen. Doch gebe es bisher keine Antwort auf die Frage, wer die restlichen 50 Prozent finanziert, so der Verband.

Eine europaweite Verteilungsfrage

Ob der ETS 2 tatsächlich so in Kraft tritt, ist für Brigitte Knopf vom Klimaökonomie-Forschungsinstitut MCC vor allem eine Verteilungsfrage, wie sie bei einem Briefing des Science Media Center betonte.

Bei einer Deckelung auf 50 Euro pro Tonne CO2 würden laut MCC-Analysen die Mehrkosten für die Bevölkerung in Ländern wie Bulgarien, Polen und Rumänien bei drei bis vier Prozent ihrer Ausgaben liegen. In Frankreich, Deutschland und Italien lägen sie eher nur bei einem Prozent.

Um das auszugleichen, hält Knopf eine Pro-Kopf-Rückverteilung der CO2-Einnahmen für die sozial gerechteste Lösung. Dies durchzusetzen sei schon in Deutschland eine "riesige und schwierige Diskussion", räumte sie ein. Das gelte noch viel stärker auf EU-Ebene. Ein denkbares europäisches Klimageld könnte zum Beispiel schon rein administrativ nicht von Brüssel aus an jede Bürgerin und jeden Bürger ausgezahlt werden.

Ein CO2-Preis mit Klimageld-Rückzahlung stellt für MCC-Expertin Knopf sogar eine Art "ETS 3" dar. Sie zweifelt aber bereits daran, ob das von den EU-Abgeordneten erdachte Modell fürs ETS 2 sich durchsetzt.

Im Moment müsse man gar nicht fragen, ob der Spatz in der Hand besser sei als die Taube auf dem Dach, so Knopf. Die Frage sei eher, ob nicht auch der Spatz noch auf dem Dach sitze – ob also überhaupt ein Minimalkonsens für ein ETS 2 in Reichweite ist.

Dauert es wieder zehn Jahre, bis das System CO2 einspart?

So zeichnen sich für das ETS 2 erhebliche Abstimmungsprobleme ab. 2026 wird der CO2-Preis für Gebäude und Verkehr in Deutschland laut Gesetz 55 Euro betragen. Muss dieser dann aufs den EU-Preis von 50 Euro abgesenkt werden? Das wäre klimapolitisch wenig sinnvoll.

Derzeit liegt der CO2-Preis im ETS 1, also für Kraftwerke und Industrie, bei über 80 Euro. Für Mitte der 2020er Jahre kommen die Prognosen auf einen Preis von mindestens 90 Euro pro Tonne.

Mit diesem Preisniveau sei es endlich gelungen, den Emissionshandel "scharfzustellen" und die Kohle- und auch die Gasverstromung im Markt unter Druck zu setzen, betonte der Ökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum beim Briefing.

Die Experten sorgten sich deswegen, so Löschel, dass man beim ETS 2 wieder mit 50 Euro und einem System anfange, das "viele Schwachstellen" habe und bei dem es erneut sehr lange dauern werde, bis es richtig laufe.

Dauert es beim ETS 2 auch wieder eine ganze Dekade wie beim ETS 1, bis die Steuerung über den Preis tatsächlich funktioniert, dann wäre das, warnte Löschel, "ein ganz schlechtes Signal".

Denn zu geringe Steuern auf CO2 sind, mit Carlos Kasper gesprochen, keine Tat fürs Klima.

Der Beitrag wurde um 18:30 Uhr aktualisiert (Stellungnahme des VKU).

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