Wie kann es sein, dass Klimaminister Robert Habeck über die Verschiebung des Klimageldes auf die nächste Legislaturperiode sagen kann: "Aber, tja, ich würde mal sagen, wie fast immer in Deutschland ist das irgendwie kompliziert und dauert länger." Dass er sich herausreden kann, es handle sich "auch um eine datenschutzrechtliche Herausforderung" – ohne dass ihn Medien und Umweltorganisationen in der Luft zerreißen?
Zum Vergleich: In Österreich hat die Einrichtung eines Auszahlungssystems für den dortigen Klimabonus nur acht Monate gedauert. Sind die Bedingungen in Österreich so viel anders als in Deutschland?
Die Grünen hatten das Energie- oder Klimageld im Koalitionsvertrag festschreiben lassen. Am 23. März 2022 wurde im Koalitionsausschuss vereinbart, dass "die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln" wird. Warum nun eine Verschiebung in die nächste Legislaturperiode?
Ottmar Edenhofer, als Direktor des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC maßgeblich mit dem Thema CO2-Preis befasst, hat immer wieder gefordert, der Frage des Klimageldes oberste Priorität einzuräumen. Sie solle sogar "Vorrang haben vor klimafreundlichen Investitionen".
Denn eine Direktzahlung als flankierende Maßnahme zur Einführung von CO2-Steuern ist die Voraussetzung dafür, dass soziale Gründe nicht länger gegen wirksame Klimaschutzmaßnahmen ins Feld geführt werden können.
Klimageld-Zahlung ließe sich einfach organisieren
Ende Juni erklärte Finanzminister Lindner, über keine der möglichen Transferstellen wie Finanzämter, Familien- oder Krankenkassen könnten alle Bürger erfasst werden. Es fehle ein Überweisungsmechanismus, die öffentliche Verwaltung könne derzeit mit ihren IT‑Kapazitäten nur 100.000 Überweisungen pro Tag vornehmen. Die Voraussetzungen für die Auszahlung des Klimageldes zu schaffen, würde mindestens 18 Monate dauern.
Anfang desselben Monats hatte eine Studie des MCC allerdings gezeigt, dass mit der Familienkasse eine Einrichtung zur Verfügung stehen würde, die schon jetzt jeden Monat 17 Millionen Überweisungen innerhalb von zehn Tagen tätigt.
Wie Studienautor Maximilian Kellner im Dezember ergänzte, liegen bereits jetzt Kontodaten von insgesamt 75 Millionen Bundesbürgern bei Renten- und Familienkassen, Bafög-Ämtern, Arbeitsagenturen und Finanzämtern vor. Die restlichen Kontodaten könnten bei den Bürgern in kurzer Zeit abgefragt werden – postalisch mit Bitte um Mitteilung per Onlineportal oder schriftlicher Rückantwort.
Mit dem Jahressteuergesetz von 2022 besteht nun auch die rechtliche Grundlage, all diese Daten beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zusammenzufassen. Damit sollten auch die datenschutzrechtlichen Bedenken ausgeräumt sein.
Bleibt die Frage, warum gerade das Klimaministerium diese Fakten ignoriert.
Lindner hatte auch erklärt, dass die Einnahmen aus der CO2-Steuer im Klima- und Transformationsfonds schon vom Wirtschafts- und Klimaministerium für wichtige Vorhaben verplant seien. Es gebe also derzeit gar keine CO2-Steuereinnahmen, die man als Klimageld überweisen könne. Aus dem Wirtschaftsministerium kam dazu kein Widerspruch.
Besser Folgekosten anlasten als Öko-Umbau fördern
Hier stoßen wir auf eine Grundsatzfrage, die wir schon aus der Debatte um die Ökosteuerreform in den 1990er Jahren kennen: Über welchen Weg kann die Wirtschaft am sinnvollsten umgebaut werden?
Die Antwort war damals eindeutig: Sinnvoller als die Förderung des ökologischen Umbaus – gegen bestehende Rahmenbedingungen des Marktes – ist die Veränderung dieser Rahmenbedingungen. Mit der Anlastung bisher externer Folgekosten über Öko- oder CO2-Steuern würde die Vermeidung dieser Kosten für jeden Unternehmer wirtschaftlich sinnvoll werden. Was ökologisch notwendig ist, würde sich endlich rechnen.
Dabei gilt: Je höher der CO2- oder Energiepreis, desto größer die Lenkungswirkung. Damit dies politisch durchsetzbar ist, muss ein möglichst großer Teil der Einnahmen an Unternehmen und Verbraucher zurückgegeben werden.
Gerhard Hübener
ist studierter Bauingenieur und war lange selbstständiger Projektentwickler in der Solarbranche. Seit 1991 befasst er sich in Artikeln und Projekten mit Marktinstrumenten für Arbeit und Umwelt.
In der Schweiz wird seit 2008 eine CO2-Abgabe auf alle fossilen Brennstoffe erhoben. Zwei Drittel der Einnahmen aus dem privaten Verbrauch werden als gleich hoher Betrag pro Kopf der Bevölkerung zurückgezahlt, ähnlich geschieht das bei der Wirtschaft. Das restliche Drittel wird als Anschubfinanzierung für Energie- und Klimaschutzinvestitionen verwendet.
Energieverschwender sind potenzielle Verlierer, Geringverbraucher gehören zu den Gewinnern der Regelung. Das Modell hat es ermöglicht, dass die Schweizer inzwischen bei einer Abgabenhöhe von 120 Euro je Tonne CO2 angekommen sind.
Damit wäre endlich auch die Frage nach einem wirksamen Energieeffizienzinstrument beantwortet. Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) rechnet vor, dass die Industrie längst ein Vielfaches der fünf Terawattstunden, die durch den Streckbetrieb der letzten Kernkraftwerke erzeugt werden, hätte einsparen können: beim Einsatz energiesparender Pumpen fünf Terawattstunden, bei Lüftungsanlagen sieben, bei Druckluftsystemen fünf und bei effizienter Beleuchtung neun Terawattstunden.
Die Wirtschaft hatte in der langen Phase von Hochkonjunktur und Niedrigzinsen genug Geld, um zu investieren. Das Preissignal war offensichtlich nicht stark genug.
Das Modell Energie- oder Klimageld hätten wir auch in der jetzigen Energiekrise gut gebrauchen können. Schon bei der Benzinpreisbremse wäre ein Mobilitätsgeld pro Kopf der Bevölkerung weitaus sinnvoller gewesen. Ähnlich bei der Gaspreisbremse. In beiden Fällen wäre eine Direktzahlung pro Kopf sozialer und effizienter gewesen – bei Aufrechterhaltung des Preissignals als wichtigstem Anreiz zum Energiesparen.
Die Aufhebung des Preisdrucks hat den Einspareffekt dagegen sichtbar vermindert: Derzeit liegt die Einsparung von Erdgas durch die Verbraucher trotz sehr milder Temperaturen bei nur zehn Prozent.