Gerodete Wälder, vergiftete Flüsse, hoher Trinkwasser- und Energieverbrauch: Schwere Umweltprobleme charakterisieren den Bergbau. In immer entlegenere Gebiete der Regenwälder, in immer tiefere Gesteinsschichten dringen schwere Maschinen vor. Hinzu kommen gefährliche Arbeitsbedingungen, Korruption und immer wieder Menschenrechtsverletzungen. Und dennoch liegt die Hoffnung für eine bessere Zukunft auf diesem Industriesektor.
Metallische Rohstoffe gelten als entscheidende Ressourcen im Kampf gegen die Klimakrise. Sie sollen unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen reduzieren, denn sie werden in grünen Technologien eingesetzt, von der E-Mobilität über Windkraft- und Solaranlagen bis hin zur Digitalisierung.
Nahezu alle Studien – ob von der Internationalen Energieagentur IEA, der Weltbank, der EU-Kommission, der Bundesregierung oder der bundeseigenen Entwicklungsorganisation GIZ – prognostizieren deshalb einen stark wachsenden Bedarf an Metallen. So wird die EU zum Beispiel im Jahr 2050 das 60-Fache an Lithium benötigen, wie Vizekommissionspräsident Maroš Šefčovič bei der Präsentation des Aktionsplans für kritische Rohstoffe im September 2020 erklärte.
Zu den "kritischen Rohstoffen" zählen für die EU etwa Bauxit, Kobalt, Lithium, Graphit oder Phosphor. Von solchen Rohstoffen importierten die EU-Länder 2020 insagesamt etwa 6.000 Tonnen. Diese Menge könnte laut den Prognosen auf über 250.000 Tonnen im Jahr 2050 steigen und dann das Dreifache der gesamten heutigen Weltjahresproduktion dieser kritischen Rohstoffe betragen.
Die rasant wachsende Nachfrage wird – wie erwähnt – damit gerechtfertigt, dass metallische Rohstoffe als Basis der grünen Technologien dringend benötigt werden. Diesen Zusammenhang nutzt die Bergbauindustrie gern, um sich als "grün" und "nachhaltig" darzustellen. Eine Darstellung, die nicht nur falsch, sondern auch gefährlich ist, wie eine neue Publikation der Nichtregierungsorganisation Powershift und der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt.
Zum einen profitieren von diesem Greenwashing vor allem Unternehmen wie der brasilianische Eisenerz-Konzern Vale, der sich auf seiner Website auch als "Hüter des Regenwaldes" präsentiert. Dabei wurde der Konzern erst im vergangenen Dezember von einem brasilianischen Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er 15 Hektar zum Teil geschützten Waldes abgeholzt haben soll. Auch die größte Eisenmine der Welt im brasilianischen Carajás-Gebirge befindet sich inmitten des Regenwaldes.
Ohne die stete Betonung der Politik, dass im Kampf gegen die Klimakrise in Zukunft noch mehr Metalle benötigt werden, hätten es Konzerne wie Vale sicher weitaus schwerer, Investoren zu finden und sich als nachhaltig zu präsentieren.
Waldzerstörer und CO2-Quelle
Im öffentlichen Diskurs wird zudem eine entscheidende Sache ausgeblendet: Der Rohstoffabbau und die Weiterverarbeitung von Erzen zu Metallen haben selbst einen großen Einfluss auf die Klimakrise.
Zum einen tragen neue Abbauprojekte zur Zerstörung des Regenwaldes bei. In Brasilien, so schätzen Wissenschaftler, sind von 2005 bis 2015 zehn Prozent der Entwaldung auf Bergbauaktivitäten zurückgegangen.
Auch für den Verlust von Tropenwäldern in Westafrika ist der Rohstoffabbau mitverantwortlich. Die Rodungen von Flächen für den Abbau von Bauxit in Guinea, von Gold in Ghana oder von anderen Rohstoffen in der Region nehmen immer größere Ausmaße an.
Zudem erzeugen die Weiterverarbeitung von Bauxit zu Aluminium und von Eisenerz zu Stahl zusammen schon heute mehr als zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen. Hinzu kommen die Emissionen, die beim Bergbau selbst sowie beim Transport der Erze entstehen.
Eine Forschergruppe um den japanischen Umweltwissenschaftler Takuma Watari hat kürzlich anhand von Ökobilanzen und Stoffstromanalysen gezeigt, dass die globalen Metallnutzungsziele und die Wachstumsprognosen der Weltbank, der EU-Kommission oder auch der Bundesregierung nicht mit dem Zwei-Grad-Klimaziel vereinbar sind.
Die Wissenschaftler um Watari verweisen deshalb auf die Notwendigkeit, die Kreislaufwirtschaft massiv auszubauen und Bergbauprojekte ab 2030 insgesamt zu reduzieren.
Das Problem heißt nicht Energiewende
Was bedeutet all dies nun für die Energiewende? Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien am Ende gar nicht mit den Klimazielen vereinbar?
Die gesamte globale Metallproduktion hat sich seit dem Jahr 2000 fast verdreifacht, seit 1960 sogar versechsfacht. Mehr als 90 Prozent davon entfallen auf Eisen. Eisen und Stahl sind zwar auch für erneuerbare Energien bedeutsam, die Energiewende ist aber nicht der Haupttreiber für den Stahlverbrauch.
Michael Reckordt
arbeitet seit 2013 zum Thema Ressourcengerechtigkeit bei der Nichtregierungsorganisation Powershift. Seine Schwerpunkte sind die deutsche Rohstoffpolitik und Rohstoffwende. Der studierte Geograf ist Autor der Publikation "Heißes Eisen für kaltes Klima?".
Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass für die komplette Umstellung auf Erneuerbare bis zum Jahr 2050 insgesamt 3,2 Milliarden Tonnen Stahl benötigt werden. Das entspricht ungefähr dem Anderthalbfachen der aktuellen Jahresproduktion. Allein die Automobilindustrie wird dieselbe Menge Stahl schätzungsweise schon bis zum Jahr 2030 verbrauchen.
Dass die erneuerbaren Energien im Vergleich zu anderen Industriesektoren keine Haupttreiber für den Abbau von Metallerzen sind, unterstreicht auch eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag mehrerer grüner Europaabgeordneter. Zwar ist der Ausbau von Windkraft, Photovoltaik oder Elektromobilität laut der Studie nicht rohstoffneutral – zum Beispiel werden heute 70 Prozent des Lithiums für Batterien genutzt, vor zehn Jahren waren es nur 23 Prozent. Im Vergleich zum Bau- oder Automobilsektor sind die Verbräuche allerdings gering.
Nur für sechs Rohstoffe, darunter Lithium, Kobalt, seltene Erden und Tantal, ist die Nachfrage nach grünen Technologien wie der Elektromobilität überhaupt ein Treiber.
Selbst die Steigerung des Lithiumverbrauchs auf das 45-Fache bis zum Jahr 2050 relativiert sich, wenn die 3,8 Millionen Tonnen ins Verhältnis zum bisherigen Metallverbrauch gesetzt werden, wie die Studie des Öko-Instituts anmerkt. Denn schon jetzt beläuft sich die globale jährliche Eisenerzproduktion auf etwa 2.450 Millionen Tonnen, also fast das 650-Fache der Lithiumproduktion, die in 30 Jahren erwartet wird.
Weniger Autos, mehr Reparatur, echte Kreisläufe
Organisationen wie Powershift fordern schon länger eine Rohstoffwende, um die Menschenrechtsverletzungen und Umweltkatastrophen zu reduzieren. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse erfordern es aber, das "heiße Eisen" der Verbrauchsreduktion noch stärker in den Blick zu nehmen.
Die Bekämpfung der Klimakrise wird ohne eine Reduktion des Rohstoffverbrauchs an Primärmetallen nicht gelingen. Diese Reduktion darf natürlich nicht auf Kosten des Ausstiegs aus fossilen Rohstoffen und des damit verbundenen Ausbaus erneuerbarer Energien geschehen.
Aber in vielen anderen Bereichen sind umfangreiche Veränderungen notwendig – vom Wandel der Mobilität mit Reduktionszielen für die Zahl der Autos über eine Bauwende, die Rohstoffe länger nutzt und ihre Kreislaufführung von vornherein einplant, bis hin zum Recht auf Reparatur. Es braucht viele kleinteilige Schritte, aber auch grundsätzliche Änderungen, um Produkte und Produktdesign neu zu denken.
Zum Weiterlesen: Lithiumgewinnung in Europa: Tschüss Kohle, hallo Lithium?