Mit Autos beladener Sattelschlepper auf einer mehrspurigen Straße in Texas.
Autos sollen in den USA künftig elektrisch angetrieben werden – und aus heimischer Produktion oder von einem privilegierten Handelspartner kommen. (Foto: Fard Muhammad/​Artistic Operations/​Pixabay)

Die EU und die USA versuchen einen möglichen Handelskonflikt zu vermeiden. Ein solcher Konflikt droht, weil der "Inflation Reduction Act" der USA Klauseln beinhaltet, die den Kauf von US-Produkten vorschreiben, um die verschiedenen Steuervergünstigungen aus dem Gesetz bekommen zu können.

Das Gesetz ist das bislang wichtigste US-Klimagesetz und sieht Steuerrabatte von bis zu 7.500 Dollar pro Elektroauto vor. Dafür müssen die Autos aber in den USA gefertigt sein oder in einem Land, mit dem die USA ein "Freihandelsabkommen" haben.

Das Gleiche gilt für die Batterien. Die darin enthaltenen kritischen Mineralien wie Silizium müssen zu 40 Prozent und ab dem Jahr 2027 sogar zu 80 Prozent aus den USA kommen oder eben aus einem Land, mit dem die USA ein "Freihandelsabkommen" haben. Doch die EU hat kein solches Abkommen mit den USA und folglich sind EU-Hersteller von der Subvention ausgeschlossen.

Absurderweise war das dem US-Senator Joe Manchin nicht bekannt, als er die entscheidende Stimme zur Verabschiedung des Gesetzes lieferte, wie er selbst gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte. Doch jetzt ist das Gesetz verabschiedet und kann wegen der veränderten Mehrheitsverhältnisse im US-Parlament seit den Zwischenwahlen auch nicht mehr verändert werden.

Doch vielleicht ließe sich das Problem mit einem relativ einfachen Kniff umgehen: Die EU und die USA müssten einfach ein "Freihandelsabkommen" abschließen und schon wäre das Problem gelöst. Und genau das haben US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vereinbart.

Doch die Aushandlung von solchen Abkommen dauert in der Regel viele Jahre. Aus diesem Grund soll nun ein "Abkommen über kritische Mineralien" geschlossen werden, das man dann einfach zum "Freihandelsabkommen" erklärt.

Abkommen mit Japan trat kurzfristig in Kraft

Möglich ist das, weil weder im Inflation Reduction Act noch anderswo in der US-Gesetzgebung definiert ist, was ein "Freihandelsabkommen" ist. Aus diesem Grund meint das US-Finanzministerium, es könne selber entscheiden, was ein "Freihandelsabkommen" im Sinne des Gesetzes ist.

Praktischerweise hat die US-Handelsbeauftragte auf der Internetseite ihrer Behörde nun eine zweite Kategorie von "Freihandelsabkommen" geschaffen. Dort sind zuerst die 20 "umfassenden Freihandelsabkommen" aufgelistet und in der Kategorie "Freier Handel mit kritischen Mineralien" steht dann ein Abkommen mit Japan.

Dieses wurde erst vor zwei Wochen abgeschlossen und hat magere elf Seiten. Letzteres ist allerdings nicht weiter erstaunlich, weil derzeit weder die USA noch Japan kritische Mineralien in großer Menge fördern oder verarbeiten.

Der Clou dieses Abkommens findet sich schließlich im vorletzten Artikel. Dieser besagt: "Dieses Abkommen tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft." Japan hat also geschafft, was die EU noch anstrebt: Es hat in wenigen Wochen ein "Freihandelsabkommen" mit den USA abgeschlossen.

Dieses Vorgehen stößt im US-Parlament allerdings auf massive Kritik – aus beiden Parteien. "Der Kongress wird unter keinen Umständen seine verfassungsmäßig verankerte Verantwortung für die Überwachung aller Handelsangelegenheiten aufgeben", sagte etwa der Republikaner Adrian Smith.

Der Demokrat Earl Blumenauer schlug in dieselbe Kerbe: "Die Regierung schlägt mehr als nur eine Steuergutschrift für saubere Fahrzeuge vor, sie definiert Freihandelsabkommen neu" – und dies sei eine "Missachtung der verfassungsmäßigen Rolle des Kongresses im internationalen Handel durch die Regierung".

"Eine Menge verwirrender Terminologie"

Aber auch in der EU gibt es einige, denen bei diesem Vorgehen unwohl ist. Um ein echtes "Freihandelsabkommen" abzuschließen, müssen die EU-Länder erst der Europäischen Kommission ein Verhandlungsmandat erteilen und anschließend muss das EU-Parlament dem Abkommen zustimmen.

"Dies ist verfahrenstechnisch sehr, sehr kompliziert", sagte ein ungenannter EU-Diplomat dem Nachrichtenportal Politico. "Wir wollen es als nicht bindendes Instrument bezeichnen, aber wir müssen auch an den inneramerikanischen Kontext denken. Daher ist es besser, es ein "Freihandelsabkommen light" zu nennen."

Hinzu kommt, dass das "Freihandelsabkommen" wahrscheinlich auch gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstößt. Die frühere EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström warnt: "Ein solches Abkommen – so vorteilhaft es auch für beide Seiten des Atlantiks sein mag – wäre ein weiterer Schritt zur Untergrabung der globalen Handelsregeln".

Diese besagen, dass ein "Freihandelsabkommen" einen "wesentlichen Teil" des Handels zwischen den Partnerländern abdecken muss, um WTO-konform zu sein. Das wäre bei einem Abkommen nach dem Vorbild des US-Japan-Deals offensichtlich nicht der Fall. Malmström sagt denn auch: "Es gibt hier also eine Menge verwirrender Terminologie."

Trotzdem könnten die "Freihandelsabkommen light" Schule machen: Indonesien hat den USA bereits signalisiert, dass es ebenfalls ein solches Abkommen anstrebt – egal unter welchem Namen, solange es für die Steuergutschriften genügt.

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