Greenpeace und andere Umwelt- und Klimaschutzgruppen sind eine tragende Säule der neuen breiten Bewegung gegen Rechtsextremismus. (Bild: Klaus Radetzki/​Shutterstock)

Klimareporter°: Herr Kaiser, Greenpeace hat sich an den Demos gegen die AfD und den Rechtsruck im Land beteiligt und den Aufruf der Initiative "Hand in Hand" unterzeichnet. Worin besteht denn die Verbindung zum Kernthema Ihrer Organisation, Umwelt- und Klimaschutz?

Martin Kaiser: Wir verstehen es als unsere Pflicht als gemeinnütziger Verein, die Demokratie gemeinsam mit anderen zu verteidigen. Das sieht auch der Bundespräsident so, der die Zivilgesellschaft vor wenigen Tagen dafür gelobt hat.

Der Vereinszweck des Greenpeace e.V. besteht in der "Förderung des Umwelt- und Tierschutzes sowie des Friedens und der Völkerverständigung". Dazu zählt auch die Auseinandersetzung mit und das Aufdecken von rechtsextremistischen Kräften, die auf die systematische Ausgrenzung und die Vertreibung von Menschen abzielen. Solche Bestrebungen gefährden die Demokratie und somit den inneren und äußeren Frieden. Und selbstverständlich bewirken sie das Gegenteil jeder Völkerverständigung.

Also: Umweltschutz braucht Demokratie?

Eines ist absolut klar: Zivilgesellschaftliches Engagement, auch wie in unserem Fall für Natur-, Tier- und Klimaschutz, ist nur in einer funktionierenden Demokratie möglich. Dazu zählen Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber auch das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten oder daran teilzunehmen.

Was mit der Zivilgesellschaft passiert, wenn eine Demokratie bricht, kann man gut am Beispiel Russlands beobachten. Dort wurden NGOs und zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine zunächst stark eingeschränkt und anschließend verboten.

Das betraf auch Greenpeace Russland. Das Büro musste innerhalb weniger Tage geschlossen werden. Die wichtige Arbeit der Kolleg:innen vor Ort, wie beispielsweise zum Schutz des Baikalsees, wurde so von einem Tag auf den anderen unmöglich gemacht.

Haben Sie schon Ärger deswegen bekommen? Gibt es Spender, die solch ein allgemeines politisches Mandat ablehnen?

Nein, überhaupt keinen Ärger. Die überwältigende Mehrheit unserer Unterstützer:innen und Fördermitglieder hat uns schon immer darin bestärkt, uns gegen demokratiefeindliche Strömungen, Gruppierungen und gegen jede Art von Diskriminierung auszusprechen. Wenn wir uns mit den großen Konzernen anlegen, die ihre ökonomische Macht gegenüber der Politik ausnutzen, versuchen wir immer wieder, Menschen und auch der Natur ihre demokratischen Rechte zurückzugeben.

Hier wird die Mitte der Gesellschaft angesprochen, um unsere verfassungsrechtlich gesicherten Grundwerte zu schützen. Und die Mitte der Gesellschaft zeigt klar und deutlich, dass ihr diese Werte wichtig genug sind, um Gesicht zu zeigen und auf die Straße zu gehen. Das sind deutliche Zeichen und die stimmen mich optimistisch.

Greenpeace hat selbst zu dem konspirativen Treffen zur "Remigration" in Potsdam recherchiert, das durch den Correctiv-Bericht Schlagzeilen machte. Gab es hier auch einen Umwelt-Hintergrund?

Rechtsextremistische Bestrebungen, wie sie in Potsdam sehr deutlich wurden, gehen meist mit der Leugnung des menschengemachten Klimawandels und einer rückwärtsgewandten Klima- und Umweltpolitik einher. Dennoch waren Umwelt-Themen in diesem Fall nicht Ausgangspunkt der Recherche.

Da Greenpeace qua Satzung auch dem Frieden und der Völkerverständigung verpflichtet ist, konnten wir den Hinweisen zu diesem Treffen dennoch nachgehen. Wir haben unsere Ergebnisse dann zur Verfügung gestellt, da Correctiv mit der Recherche schon weiter fortgeschritten war.

Über Umwelt- und Klimaschutz wird in der aktuellen Debatte um AfD und Rechtsextremismus kaum diskutiert. Dabei will die AfD auch hier ein Rollback, nämlich die Energie- und Verkehrswende stoppen. Ist das sekundär?

Porträtaufnahme von Martin Kaiser.
Foto: Daniel Müller

Martin Kaiser

ist seit 2016 geschäfts­führender Vorstand von Green­peace Deutsch­land. Bei der Umwelt­organisation, für die er sich seit 1998 engagiert, leitete der studierte Geo­ökologe und Forst­ingenieur zuvor inter­nationale Bio­diversitäts- und Klima­projekte und vertrat Green­peace auf den Welt­klima­gipfeln.

Nein, dieses gewollte Rollback ist alles andere als sekundär. Er ist Teil des Problems mit Faschisten und Rechtsextremen, die sich die Argumentation der Klimaleugner und der fossilen Industrien zu eigen machen. Dabei sind die Energie- und Verkehrswende entscheidend dafür, ob wir es schaffen, die schlimmsten Folgen der Klimakrise für uns Menschen abzuwenden.

Wir müssen jetzt in Europa und weltweit ganz konkrete Maßnahmen durchsetzen, um das Schlimmste zu vermeiden, die nicht so reichen Menschen dabei mit einem Klimageld unterstützen und dafür sorgen, die Lebensgrundlagen für unsere Kinder und Enkel zu erhalten. Uns bleiben nur wenige Jahre, und wir sind bereits in der Situation, um Zehntelgrade kämpfen zu müssen.

Hier geht es um die Interessen der breiten Bevölkerung beziehungsweise der ganzen Menschheit. Wir müssen jetzt gemeinsam gegen den Versuch der Rechtsextremist:innen aufstehen, den Diskurs zum Klimaschutz zu diskreditieren. Union und FDP müssen aufpassen, dass sie sich da nicht mit reinziehen lassen.

Umweltorganisationen haben derzeit generell einen schweren Stand. Klimaschutz, noch vor vier Jahren das absolute Megathema, scheint abgestürzt. Woran liegt das?

Auf der einen Seite ist die Mehrheit der Bevölkerung tief besorgt über die extrem schnell voranschreitenden Klimaextreme mit existenziellen Folgen für uns alle. Auf der anderen Seite bleibt die notwendige Transformation nicht mehr bei einzelnen Kohlekraftwerken stehen, sondern kommt bei uns allen in Haus und Wohnung sowie bei der individuellen Mobilität an.

Und es kostet natürlich auch Geld, was in Zeiten von Inflation und hohen Energiepreisen für viele ohne weitere Unterstützung kaum zu verkraften ist.

Und noch immer weigern sich Lindner, Scholz und Habeck ein Klimageld einzuführen, also eine pro Kopf ausgezahlte Prämie, die jedes Jahr etwa 250 Euro bringen sollte. Schlechte Kommunikation in Teilen der Regierung und ständiger öffentlicher Streit haben es einer kurzsichtig agierenden Unions-Opposition extra leicht gemacht, den Klimaschutz in Grund und Boden zu reden.

Was steckt dahinter, dass Umwelt und Klima zum Kulturkampfthema wurden? Und wer?

Die Interessen der Vielen an wirksamem Klimaschutz für unsere Kinder und Enkel entsprechen nicht den Interessen fossiler Energiekonzerne. Und hier findet der Brückenschlag statt: Rechte und extrem rechte Kräfte machen sich die Argumente der Fossilindustrie zu eigen, um gegen eine Transformationsagenda zu polarisieren. Sie bilden also eine Allianz gegen das Progressive, gegen die Veränderung, gegen einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.

Lesen Sie hier Teil 2: "Aussitzen darf für die Ampel keine Option sein"

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