Matthias Willenbacher
Matthias Willenbacher. (Foto: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, die Debatte um die Zukunft von Gas- und Ölheizungen hört nicht auf. Das vom Kabinett verabschiedete Gebäudeenergiegesetz verlangt, dass ab 2024 alle neuen Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Zur Entlastung gibt es Ausnahmen, Übergangsregeln und Fördermöglichkeiten. Die Opposition im Bundestag kritisiert das Gesetz dennoch scharf, aber auch die FDP verlangt noch Korrekturen. Was würden Sie denn an dem Gesetz noch ändern wollen?

Matthias Willenbacher: Ich würde drei Dinge an dem Gesetzentwurf ändern. Erstens würde ich die Möglichkeit streichen, dass man "H2-ready"-Gasheizungen einbauen darf, sofern der Gasverteilnetzbetreiber über einen "Transformations- und Investitionsplan" eine Wasserstoffversorgung ab 2035 zusichert. Die Stadtwerkevertreter sagen zwar, dass sie die Möglichkeit in der jetzigen Form nicht nutzen würden. Aber sicher ist sicher.

Der Vorschlag ist einfach Unsinn. Wasserstoff wird aller Voraussicht nach immer ein rares Gut sein, das deshalb nicht einfach verheizt werden sollte. Zudem ist es ein teures Gut. Es gibt deutlich effizientere Wege, Gebäude zu heizen: Wärmepumpen, Holzpellets, grüne Nah- und Fernwärmenetze, die mit Biomasse oder Geothermie versorgt werden, und vieles mehr.

Zweitens würde ich vorschreiben, dass jede neue Wärmepumpe mit einem Pufferspeicher kombiniert werden muss. Dessen Volumen muss so groß sein, dass die Wärmepumpe ihren Betrieb mindestens 18 Stunden am Stück aussetzen kann. Dann kann die Pumpe bei Bedarf flexibel vom Netz genommen werden – etwa, wenn nur wenig erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, oder bei Stromlastspitzen. Die Wohnqualität bliebe so dieselbe.

Flexibilität wird im zukünftigen Energiesystem immer wichtiger, deshalb sollten wir jetzt vorsorgen. Die Mehrkosten sind im Vergleich zu den Gesamtkosten vernachlässigbar.

Drittens würde ich parallel die verbindliche kommunale Wärmeplanung auf den Weg bringen und das Gebäudeenergiegesetz damit verknüpfen. Dann könnten für Orte, an denen viele Menschen dichter zusammenwohnen, wie Dörfer, Wohnsiedlungen oder Stadtquartiere, einfacher gemeinschaftliche Wärmelösungen gefunden werden.

Sehr häufig bieten sich dort sogenannte kalte Nahwärmenetze an. Diese werden mit relativ niedrigen Temperaturen zwischen zehn und 20 Grad betrieben und dienen als Wärmequelle für Wasser-Wärmepumpen in Gebäuden. Aufgrund des geringen Dämmbedarfs für das Rohrnetz und die hohe Effizienz der Wärmepumpen ist das Gesamtsystem im Ergebnis für alle günstiger als viele verschiedene Einzellösungen.

Einige Bundesländer haben seit Jahren Klimaanpassungsgesetze, jetzt hat das Umweltministerium auch für die Bundesebene einen Entwurf vorgelegt. Der wichtigste Punkt: Im Herbst 2025 soll eine Anpassungsstrategie vorliegen. Gibt es für die Projekte, die Wiwin umsetzt oder unterstützt, einen verbindlichen Check, ob sie den Folgen des Klimawandels standhalten?

Ja, den gibt es. Anhand von strengen Ausschlusskriterien stellen wir seit Beginn bei Wiwin sicher, dass alle unsere Projekte einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeitswende leisten. Dazu wenden wir die Kriterien des Forums Nachhaltige Geldanlagen an und überprüfen die Einzahlung anhand der SDGs, der UN‑Nachhaltigkeitsziele.

Mit dem Wiwin Impact Scoring gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir haben einen standardisierten Ansatz entwickelt, bei dem die Projekte auf unserer Plattform bewertet werden und wir transparent dokumentieren, wie nachhaltig sie sind. Dabei stellen wir nicht nur fest, ob ein positiver Beitrag vorliegt, sondern auch, wie stark die einzelnen Projekte Umwelt und Gesellschaft beeinflussen.

Wir stützen uns dabei auf wissenschaftliche Standards und Maßstäbe, beziehen Expert:innen aus Bereichen wie Energieeffizienz, Ökobilanzierung und nachhaltige Unternehmensentwicklung ein und forschen auch selbst nach. In jeder Projektklasse – Erneuerbare, Start-ups, Immobilien – haben wir sechs Bewertungsdimensionen festgelegt und berechnen den Einfluss mithilfe von ein bis drei qualitativen und quantitativen Indikatoren pro Bewertungsdimension. Das ist ein ziemlich komplexes und aufwändiges Verfahren.

Ergebnisse und Methodik stellen wir transparent dar. Anleger:innen können so den Einfluss der einzelnen Projekte auf Umwelt und Gesellschaft gut nachvollziehen und haben damit eine Grundlage, um fundiert über ein Investment zu entscheiden.

In Berlin versucht die "Letzte Generation" seit einer Woche, die Stadt zum Stillstand zu bringen. Die Kontroversen um die Gruppe nehmen zu, auch Teile der Klimabewegung halten die Aktionen für kontraproduktiv. Sind diese Auseinandersetzungen unter Ökofinanzierern überhaupt ein Thema?

Nein, auf Ökofinanzierer hat das zumindest aktuell keinerlei Auswirkungen – ganz im Gegenteil. Das Interesse von Privatpersonen, in konkrete Erneuerbaren-Projekte zu investieren, steigt immer weiter, wie wir bei Wiwin sehen.

Generell ist es richtig und wichtig, dass gerade die junge Generation immer wieder auf den Themenkomplex Klimawandel aufmerksam macht. Ich persönlich stehe hinter den friedlichen Klimaklebern. In der öffentlichen Debatte werden sie – gerade durch die Lobby via Springer-Presse – zu Unrecht als Extremisten bezeichnet und an den Pranger gestellt.

Aber es ist unsere Bundesregierung, die das Pariser Klimaabkommen und das Klimaschutzgesetz nicht einhält und damit Verträge und geltendes Recht bricht. Und das alles, ohne dafür bestraft zu werden.

Eine andere Frage ist, ob die Aktionen helfen, Ziele wie ein Tempolimit zu erreichen. Und da muss ich leider feststellen: nein. Offensichtlich funktioniert es nicht, Menschen in ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit einzuschränken und damit eine Regierung zum Handeln zu bringen. Deshalb brauchen wir neue, kreative Ideen, mit denen die politischen Akteure direkter angesprochen werden.

Ich kämpfe und arbeite seit mehr als 28 Jahren für die Energiewende und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, in der Gesellschaft und der Politik Gehör zu finden.

Was gar aber nicht geht: dass Aktivist:innen jetzt in höchstem Maße kriminalisiert werden, während etwa Big-Oil-Firmen weiterhin ungestraft – und sogar staatlich unterstützt – die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten vernichten. Da wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Überrascht hat mich die Leichtigkeit, mit der die FDP Forderungen aufstellt, die gar nicht zusammenpassen. Auf ihrem Parteitag haben die Delegierten unter anderem vier Dinge beschlossen: keine Steuererhöhungen, keine Überforderung der Bürger:innen beim künftigen Heizungstausch, ein Bekenntnis zu den Klimazielen und ein Bekenntnis zur Schuldenbremse.

Egal, wie man es wendet: Mindestens eines dieser Ziele ist nicht zu erreichen, wenn die anderen erreicht werden sollen.

Sollen zum Beispiel die Klimaziele erreicht werden und die Gebäudeeigentümer nicht überfordert werden, muss die Förderung zumindest für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln erhöht werden. Dafür muss der Staat entweder mehr Geld einnehmen, also Steuern erhöhen, oder mehr ausgeben, also Schulden machen.

Wird das finanzielle Volumen nicht erhöht, werden viele Bürger:innen den Heizungsaustausch schlicht nicht finanzieren können. Und darüber hinaus werden dann die Klimaziele verfehlt.

Meine Befürchtung ist, dass die FDP den Klimaschutz unter dem Vorwand opfert, die Bürger:innen vor finanzieller oder sonstiger Überforderung schützen zu wollen. Aber in Wahrheit vertritt sie die Interessen der Öl- und Gaslobby.

Ich lasse mich aber durch entsprechende Taten gerne vom Gegenteil überzeugen.

Fragen: Jörg Staude

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