Porträtaufnahme von Sebastian Sladek.
Sebastian Sladek. (Foto: Bernd Schumacher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Klimareporter°: Herr Sladek, die Elektrizitätswerke Schönau haben den globalen Klimastreik am 24. September unterstützt und ihre Mitarbeiter:innen ermutigt, sich an den Protesten zu beteiligen. Es sei höchste Zeit, den Druck auf der Straße zu erhöhen, erklärten Sie persönlich dazu.

Schaut man sich aber das Wahlergebnis an – haben sich die Aktionen denn gelohnt?

Natürlich hätte ich mir am 26. September ein deutlicheres Wahlergebnis für mehr Klimaschutz gewünscht. Nun ja, zumindest in einer Demokratie bekommt das Wahlvolk eben die Regierung, die es bestellt, und eine gesellschaftliche Mehrheit hat offensichtlich den Schuss noch immer nicht gehört.

Doch auch, wenn die Wirkung des Klimastreiks nicht so richtig aufs Wahlergebnis durchgeschlagen ist, gelohnt hat er sich in jedem Fall. Mit 620.000 Menschen haben Fridays for Future und Unterstützer die zweitgrößte Demonstration nach den Klimaprotesten vor zwei Jahren auf die Beine gestellt und so ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt.

Allein schon, damit wir Klimabewegten uns gegenseitig versichern, dass wir noch da sind – und dass wir auch die neue Regierung nicht in Ruhe lassen werden.

In den letzten Tagen gab es schon die ersten Sondierungen für eine neue Bundesregierung. Diese wird in jedem Fall mehr für den Klimaschutz tun müssen, meint Klimaforscher Mojib Latif im Interview mit Klimareporter°. Er rät der Politik, die Vorteile deutlich zu machen und die Energiewende sozial verträglich zu gestalten. Was raten Sie der Politik?

Ich würde der Politik zu deutlich mehr Mut raten: Mut zur Ehrlichkeit und Mut zu entschlossenem Handeln. Ohne Professor Latif allzu vehement widersprechen zu wollen, möchte ich doch zweierlei einwenden. Zum einen liegen die Vorteile der Energiewende angesichts eines fortschreitenden Klimawandels längst überdeutlich auf der Hand.

Zum zweiten bin auch ich davon überzeugt, dass die Energiewende nur dann akzeptiert werden und erfolgreich sein kann, wenn sie sozial verträglich ist – ich warne allerdings davor, der Energie- und Klimapolitik auch noch soziale Lasten aufzubürden und sie zu sehr mit Sozialpolitik zu vermischen. Ansonsten drohen wiederkehrend endlose Debatten, die uns kosten, was wir längst nicht mehr haben: Zeit.

Die Preise für Energie, besonders für Gas und Strom, steigen in bisher nicht gekannte Höhen. Viele Haushalte befürchten schon jetzt, sich in der kommenden kälteren Jahreszeit eine warme Wohnung oder ein warmes Haus nicht mehr leisten zu können. Lässt sich dagegen kurzfristig überhaupt etwas tun?

Der Strommarkt ließe sich – nach altbewährtem Muster – mit kostenlosen Emissionszertifikaten überschwemmen, um die Preise zu dämpfen. Das wäre natürlich klimapolitischer Irrsinn, denn die Preisanstiege bei fossiler Energie durch steigende Zertifikatskosten sind ja eben die beabsichtigte Klimaschutzstrategie.

Das Kurzfristigste, was mir für den Gasmarkt einfällt, wäre, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, denn zumindest die Gaspreise steigen ganz offensichtlich infolge eines politischen Erpressungsversuchs. Will man sich nicht erpressen lassen, dann sehe ich nicht, wie sich die Gaspreise dämpfen ließen.

Fakt ist jedenfalls: Das Fehlen preisgünstiger grüner Wärme und preisgünstigen grünen Stroms, wie es sich in den aktuellen Marktpreisen widerspiegelt, ist das Ergebnis der energiepolitischen Kurzsichtigkeit der letzten zehn Jahre. Deswegen muss jetzt sofort begonnen werden, erneuerbare Energien viel stärker auszubauen, um wenigstens mittelfristig Deutschland mit günstigerer klimaneutraler Energie versorgen zu können. Klimaschutzmaßnahmen sind nicht Kostentreiber, sondern sparen Geld!

Das künftig erneuerbare Energiesystem muss stärker darauf setzen, Strombedarfe schon vor Ort zu koppeln, fordert der Energieexperte Fabian Zuber. Die technischen Möglichkeiten seien jetzt vorhanden – über zwei Millionen Photovoltaikanlagen, immer mehr Speicher, Wärmepumpen und E-Autos. Wie ortsnah muss die Energie künftig erzeugt und verbraucht werden?

Für uns ist die Zukunft der Energieversorgung ganz klar dezentral. Die energietechnischen Herausforderungen der Zukunft, die viel grünen Strom erfordern, werden sich mit dem konventionellen, zentralistischen System nicht bewältigen lassen. Das lokale Zusammenspiel von Erzeugung und Verbrauch testen wir ja schon eine Weile im Schönauer Modellprojekt. Um diesen Umbau zu gestalten, ist aber ein klares Bekenntnis der Politik vonnöten und ein Wille zur Veränderung.

Der Reformbedarf beginnt schon bei der Gesetzgebung, wo verbrauchsnahe Lösungen, etwa Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften, noch immer von überbordendem bürokratischem Aufwand behindert werden.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Es hat mich doch überrascht, dass seit einigen Wochen viele Umfrageinstitute dieses schauerliche Wahlergebnis ziemlich treffsicher vorhergesagt hatten.

Fragen: Jörg Staude

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