Rotorblätter für Windräder warten auf einer Lagerfläche außerhalb des Werkes auf den Versand.
Neue Rotorblätter für Windkraftanlagen warten auf ihren Einsatz. Wie lange wollen die Groko-Parteien noch mit der Energiewende warten? (Foto: Henrik Jonsson/​Shutterstock)

Neuerdings bekommen gerade beschlossene Gesetze der Bundesregierung ein Ablaufdatum – so etwa bei der jüngsten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Noch bevor die große Koalition es verabschiedete, wurden bereits Stimmen besonders aus der SPD laut, dass das Gesetz im Frühjahr nachgebessert werden müsse, um den neuen EU-Klimazielen Rechnung zu tragen.

Das läuft auf eine Mindesthaltbarkeitsdauer von gerade einmal drei Monaten hinaus. Und das für ein Gesetz, mit dem eigentlich eine Jahrhundertaufgabe gestemmt werden soll: der Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtigstes Mittel zur Dekarbonisierung der Energieversorgung und zur Einhaltung der Klimaziele.

Aber selbst diese Selbsteinschätzung der großen Koalition zur Haltbarkeit ihres Gesetzeswerks stellt sich in der Praxis noch als Beschönigung dar. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat das EEG 2021 analysiert und die Schwachpunkte herausgearbeitet. Ergebnis: Das neue EEG hinkt nicht nur dem notwendigen Anspruch hinterher, sondern weist auch grobe handwerkliche Fehler auf.

Ein Gesetz voller Mängel

Damit ist das Gesetz der schwarz-roten Koalition nicht nur eine verpasste Chance, es stellt absurderweise den Ausbau der erneuerbaren Energien und das Erreichen der Klimaziele infrage.

Erstes und größtes Defizit: Mit dem mangelhaften Ausbaupfad für die Erneuerbaren rücken die Klimaziele in unerreichbare Ferne. Um eine realistische Chance zu haben, diese zu erreichen, ist nach Abschätzung der DUH bis 2030 ein Ausbau der Windenergie an Land auf 100 Gigawatt und der Photovoltaik auf 150 Gigawatt notwendig.

Mit diesem EEG kommen wir aber gerade einmal auf 71 Gigawatt Wind an Land und 100 Gigawatt Photovoltaik. Das ist viel zu wenig, auch weil der zusätzliche Ökostrombedarf durch den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft und der Sektorenkopplung nicht mitgedacht wird.

Der zweite Mangel betrifft die sogenannte "endogene Rationierung". Nicht nur die Begrifflichkeit ist ein Ungetüm, auch die Folgen sind verheerend: Werden die laufenden Windenergie-Ausschreibungen nicht vollständig gedeckt – wie gleich zu Beginn des neuen Jahres geschehen – verringert sich der Ausbaupfad noch weiter.

Eine Abwärtsspirale, solange die Bundesregierung nicht für eine bessere Genehmigungssituation und mehr Flächen für Windparks an Land sorgt.

Dritter Mangel sind die fehlenden Impulse für die Bürgerenergie. Während die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Engagement den Ausbau der Erneuerbaren gegen den Widerstand der Energiekonzerne vorangebracht haben, wird ihnen nun durch Bürokratie und unnötige Abgaben die Grundlage entzogen.

Vierte Baustelle ist die Förderung auch von solchem Wasserstoff, der aus Atom-, Kohle- und Erdgasstrom produziert wird. Das ist geradezu paradox: Für die Produktion von Wasserstoff wird auch "grauer" Strom von der EEG-Umlage befreit. Das Gesetz zur Förderung von erneuerbaren Energien ermöglicht damit Privilegien für Strom aus CO2-intensiven Quellen.

Ein fünftes Defizit betrifft die Entscheidung der großen Koalition, den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht als "öffentliches Interesse" zu qualifizieren. Was sonst kann ein "öffentliches Interesse" sein – wenn nicht die Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Bewältigung der Menschheitsaufgabe Klimaschutz? Nun aber wird der Ausbau erneuerbarer Energien rechtlich weiter so behandelt wie etwa die Errichtung einer Tankstelle.

Kommunen können an Windenergieanlagen finanziell beteiligt werden, wenn sich Betreiber laut Gesetz freiwillig dafür entscheiden – ein weiterer Mangel. Denn das ist zu wenig: Diese Regelung muss verpflichtend werden und auch für große Freiflächen-Photovoltaik gelten. Nur dies ist gerecht, schafft für alle Beteiligten Sicherheit und wird weithin die Akzeptanz verbessern.

Ein letztes hier genanntes Defizit ist der Vergütungsstopp für Windenergieanlagen, wenn diese aufgrund von Netzengpässen abgeschaltet werden müssen. Schon nach vier Stunden sollen die Anlagen keine Kompensation mehr erhalten – obwohl Kohle- und Atomstrom die Leitungen verstopfen. Hier muss dringend zur alten Regelung zurückgefunden werden.

Nur schlecht gemacht oder auch schlecht gemeint?

In der Summe muss man sich beim EEG in seinem jetzigen Zustand fragen, ob es nur schlecht gemacht oder nicht auch schlecht gemeint ist.

In jedem Fall zeigt sich die Unfähigkeit der großen Koalition, den Ausbau der Erneuerbaren und damit den Klimaschutz voranzubringen. Insofern tut Nachbesserung, nicht nur bei den Ausbauzielen, bitter not.

Porträtaufnahme von Sascha Müller-Kraenner.
Foto: Stefan Wieland

Sascha Müller-Kraenner

ist seit 2015 Geschäfts­führer der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH). Der studierte Biologe ist seit über 30 Jahren umwelt­politisch aktiv und war zuvor für den Deutschen Natur­schutz­ring, die Heinrich-Böll-Stiftung und die US-Natur­schutz­organisation The Nature Conservancy in führenden Positionen tätig.

Immerhin kommen aus der SPD erste Signale, dass bei den Ausbauzielen für Erneuerbare nachgebessert werden muss. So forderte Bundesumweltministerin Svenja Schulze kürzlich für 2030 eine Wind-Kapazität von 95 Gigawatt sowie bei Photovoltaik von 150 Gigawatt.

Das ist fast identisch mit der Abschätzung der DUH. Insofern hoffen wir, dass die Umweltministerin sich mit diesem zentralen gesellschaftlichen Anliegen in der Bundesregierung durchsetzt.

Wir müssen auf Tauwetter hoffen. Und Frühlingsgefühle wären mehr als wünschenswert, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren geht. Nur darf es nicht bei Ankündigungen bleiben – das EEG muss grundlegend überarbeitet werden. Diesmal aber mit den richtigen Zielen und ohne handwerkliche Fehler. Es ist Zeit, den Murks im EEG zu beenden.

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