Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD haben am Sonntagabend offenbar einen Kompromiss beim EEG 2021, dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz, erzielt. Zur Vorlage eines überarbeiteten Gesetzentwurfs reichte die Zeit erwartungsgemäß aber nicht mehr.
Die beiden Regierungsfraktionen wollen deswegen parallel zum Gesetz nur einen Entschließungsantrag vorlegen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die erzielten Einigungen umzusetzen. Noch nicht klar ist bislang, ob es auch kleinere Änderungen am EEG-Entwurf selbst gibt.
Größtes Manko bleibt, dass die von den meisten Experten als zu gering kritisierten Ausbauziele für Wind- und Solarstrom (71.000 Megawatt Wind an Land und 100.000 Megawatt Photovoltaik bis 2030) nicht erhöht werden sollen. Dies soll vermutlich erst im ersten Quartal des neuen Jahres geschehen.
Das bestätigte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch im Kern auch am heutigen Montagmittag und räumte zugleich ein, dass die SPD "mehr" wolle, "wenn möglich, noch in dieser Koalition". So zeigten die jüngsten Beschlüsse der EU, dass die Ausbaupfade angehoben werden müssten.
"Damit der Ausbau auch wirklich passieren kann, wollen wir das Planungs- und Genehmigungsrecht insbesondere mit Blick auf Repowering weiter reformieren", erklärte Miersch. Zudem sei klar, dass das gesamte Finanzierungs- und Fördersystem der Energiewende grundsätzlich neu gefasst werden müsse.
Eine solche Reform, so Miersch weiter, gehe "nicht über Nacht und nur mit sorgfältiger Beratung". In einem Entschließungsantrag habe man deshalb die Aufgaben beschrieben. Die SPD sei bereit, in den kommenden Wochen dafür die Weichen zu stellen.
"Wertvolle Zeit vertan"
Für Julia Verlinden von der Grünen-Fraktion im Bundestag ist das erneute Hinausschieben "geradezu ein Witz" angesichts der Tatsache, dass die EEG-Novellierung bereits seit dem Frühling angekündigt worden und auch das Auslaufen der EEG-Finanzierung für ältere Anlagen seit Langem absehbar war.
Verlinden, Grünen-Sprecherin für Energiepolitik, kritisiert auch, dass die Ausbaupfade für Wind- und Solarenergie nicht wesentlich geändert werden. "Damit bleibt der von der Koalition vorgesehene Ausbau viel zu gering, um die eigenen und erst recht die von der EU angehobenen Klimaziele zu erreichen."
Stattdessen wolle die Koalition die Anpassung der Ausbauziele auf das kommende Frühjahr verschieben. Verlinden: "Damit vergeudet sie erneut wertvolle Zeit beim Klimaschutz und schürt die Unsicherheit bei betroffenen Unternehmen. Diese Regierung bleibt mal wieder eine reine Ankündigungsregierung."
Tatsächlich bedeutet die Auslagerung all dessen, worauf sich die Koalitionsfraktionen jetzt geeinigt haben, in einen Entschließungsantrag, dass es am Entwurf des EEG 2021 selbst offenbar kaum noch substanzielle Änderungen gibt.
In dem Entschließungsantrag reagieren die Koalitionsfraktionen vor allem bei der Photovoltaik auf die massive Kritik der letzten Monate. So sollen neue Techniken wie schwimmende und Agrophotovoltaik in die sogenannten Innovationsausschreibungen aufgenommen werden.
Solar-Dachanlagen erhalten Wahlmöglichkeit
Mehr Raum soll auch die Förderung von Solarstrom-Dachanlagen erhalten, allerdings weitgehend zulasten der Freiflächen-Photovoltaik. So ist geplant, das jährliche Ausschreibungsvolumen für Dachanlagen um insgesamt 50 Megawatt zu erhöhen, dafür aber entsprechend beim Freiflächen-Kontingent zu kürzen.
Weiter soll die Grenze, ab der Dachanlagen in die Ausschreibungen gehen können, auf 300 Kilowatt abgesenkt werden. Das eröffnet kleineren Dachanlagen zwischen 300 und 750 Kilowatt die Wahl, entweder an Ausschreibungen teilzunehmen und dann sogenannte Volleinspeiser mit einer Festvergütung zu werden oder einen Teil des Stroms selbst zu verbrauchen. Den Dachanlagen, die auf Eigenverbrauch setzen, soll dabei aber nur 50 Prozent ihrer erzeugten Strommenge vergütet werden.
Photovoltaik-Anlagen ab 750 Kilowatt Leistung sollen generell – ob Dach- oder Freiflächenanlage – in Ausschreibungen gehen. Damit wird diese Grenze gegenüber dem Entwurf des EEG 2021 von 500 auf 750 Kilowatt heraufgesetzt.
Die Solarbranche zeigt sich enttäuscht über die Pläne, Solardächern ab 300 Kilowatt nur noch dann eine Marktprämie für jede eingespeiste Kilowattstunde zu gewähren, wenn diese zuvor erfolgreich an einer Auktion teilgenommen haben. Die Alternative, maximal 50 Prozent des Sonnenstroms ohne Auktionsteilnahme vergütet zu bekommen, komme für viele Betreiber von Lagerhallen mit geringen Stromverbräuchen aber einer Halbierung der Förderung gleich, heißt es beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW).
Eine Auktionsteilnahme kommt für die Mehrzahl von ihnen zugleich nicht in Betracht. Besonders im wichtigen Photovoltaik-Marktsegment großer gewerblicher Anlagen befürchtet der BSW einen weiteren deutlichen Marktrückgang im kommenden Jahr.
Grenze für Eigenverbrauch heraufgesetzt
Wie schon von der Unionsfraktion in einem früheren Papier vorgeschlagen, soll der Eigenverbrauch massiv unterstützt werden. Für selbst verbrauchten Strom soll künftig keine EEG-Umlage mehr fällig werden, jedenfalls für Anlagen bis zu einer Nennleistung von 30 Kilowatt und einer jährlichen Strommenge von 30 Megawattstunden. Zuvor hatte die Grenze bei zehn Kilowatt und zehn Megawattstunden gelegen.
Für den Solarverband BSW stellt das einen Schritt in die richtige Richtung dar. Nicht vermittelbar bleibe jedoch, dass höhere solare Eigenverbräuche über 50 Prozent weiterhin mit der anteiligen EEG-Umlage belastet würden.
Unklar bleibt vorerst, wie eine verbesserte Anschlussregelung für ältere Windkraftanlagen aussieht. Nach Darstellung des Bundesumweltministeriums ist die Gefahr, dass ältere Windräder vom Netz genommen werden, abgewendet worden.
Spekuliert wird, ob älteren Windanlagen, bei denen die Förderung Anfang 2021 ausläuft, im ersten halben Jahr ein Aufschlag von einem Cent auf den Marktwert des Stroms gewährt wird. Näheres soll auch hier eine im Frühjahr vorzulegende Verordnung bringen. Diese soll eine eigene, neue Förderung für die alte Windkraft schaffen, auf die Betreiber sich bewerben können.
Unzufrieden bei der Windkraft zeigt sich der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). "Die nicht erfüllte Zusage von Peter Altmaier für einen Vorschlag zu Bestandsanlagen mündet offenbar in einer komplizierten und kaum tauglichen Regelung, die darüber hinaus noch einer Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums bedarf", erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter. "Eine Repowering-Strategie fehlt weiter völlig, der lapidare Hinweis, dass das Planungs- und Genehmigungsrecht weiter reformiert werden soll, reicht nicht."
Bezüglich der vielfach kritisierten Kosten für den Einbau von Smart Metern wollen die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung beauftragen zu prüfen, wie sich der Einbau intelligenter Messsysteme wirtschaftlich und technisch realisieren lässt.
Das Bundeswirtschaftsministerium soll auf Basis dieser Prüfung dann in einer Verordnung festlegen, ab welchen Kilowattgrenzen Betreiber von Neu- und Bestandsanlagen Smart Meter einbauen müssen.
Verbesserungen beim Mieterstrom
Beim Mieterstrom wollen die Koalitionsfraktionen auch eine Quartiersversorgung ermöglichen. "Darüber hinaus werden wir sicherstellen, dass Mieterstrom von der Gewerbesteuer befreit wird", heißt es im Entschließungsantrag.
Die geplanten neuen "unbürokratischen Mieterstrommodelle", lobte sich denn auch SPD-Fraktionsvize Miersch, würden die "Energiewende als Mitmachprojekt für alle stärken".
Für die Solarwirtschaft ist die Kompromissvorlage insgesamt "viel zu verzagt". Gleichzeitig würden zu viele wichtige Punkte vertagt, erklärte BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig. Die Einigung würde zwar einzelne Marktbremsen ein wenig lockern, sie schaffe aber neue Marktbarrieren und greife in den Vertrauensschutz der Unternehmer ein.
Der Erneuerbaren-Verband BEE nannte es "völlig unverständlich", dass die Erhöhung der Ausbauziele auf das kommende Jahr verschoben wird. "Damit fehlt die entscheidende Grundlage, um Erneuerbaren-Ausbauziele und Klimaziele zu erreichen", sagte Verbandschefin Peter.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Die sieben Sterbehelfer des EEG