Wir schreiben das Jahr 2018. Die deutsche Umweltministerin spricht auf einem hochrangigen Treffen von Klimadiplomaten und Politikern aus 35 Ländern. Und stellt fest: Das mit dem Klima scheint eine wichtige Sache zu sein. "Der Klimaschutz ist wirklich eine große Herausforderung", sagt Svenja Schulze am Dienstag zum Abschluss des Petersberger Klimadialogs in Berlin. Es sind solche wenig neuen Erkenntnisse, die – zumindest im öffentlichen Teil – den diesjährigen Petersberger Klimadialog ausmachen. Nicht nur Schulze liefert sie, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Tala... na... Talanoa-Dialog", verhaspelt sich Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede. Der sogenannte Talanoa-Dialog war auf der von Fidschi geleiteten Klimakonferenz in Bonn im vergangenen Herbst eingeläutet worden. Die auf mehreren pazifischen Inseln verbreitete Dialogstrategie soll dafür sorgen, dass die Länder ihre Klimaschutzversprechen für das Paris-Abkommen nachschärfen.
Das ambitionierteste, was von Merkel zu hören ist, ist die schon lange bekannte Tatsache, dass die bisher eingereichten Klimaversprechen noch nicht ausreichen. "Es muss eine Bewegung aus der Bevölkerung heraus geben", sagt die Kanzlerin.
In Bezug auf die die Klimapolitik ihrer Regierung bleibt Merkel vage: "Wir müssen gucken, wie wir im Bereich der Braunkohle vorankommen." Außerdem müsse man sich andere Bereiche anschauen. "Unser großes Sorgenkind ist der Verkehr", erklärt sie – um gleich einen Teil der Verantwortung weiterzureichen. Bedingt durch die geografische Lage Deutschlands habe man viel Transitverkehr.
Während Umweltverbände sowie Linke und Grüne die Kanzlerinnenrede wegen der zahlreichen Allgemeinplätze in der Luft zerreißen, spricht Ministerin Schulze später von einem "enormen Rückenwind". Im Tonfall auffällig sanft, fast unterwürfig, erklärt die Sozialdemokratin, wie froh sie sei, dass die Kanzlerin in ihrer Rede betont habe, es werde das geplante Klimaschutzgesetz auf jeden Fall geben. Auf ein solches Gesetz hatten sich SPD und Union eigentlich schon im Koalitionsvertrag ausdrücklich geeinigt.
Nun liegt das vielleicht auch am Petersberger Klimadialog an sich. Das Treffen ist als informelle Gesprächsrunde gedacht, es geht um das Ausloten möglicher Bündnisse und um gute Stimmung. Eingeführt wurde der Klimadialog nach dem gescheiterten Weltklimagipfel von Kopenhagen. Die Minister, Staatschefs und Diplomaten aus unterschiedlichen Ländern sollten ein Forum bekommen, um über die politischen Fragen des Klimaschutzes zu diskutieren – ohne den Druck, tatsächlich Beschlüsse fassen zu müssen. Getragen wird das Treffen immer von Deutschland und dem Gastgeberland des nächsten Weltklimagipfels, diesmal Polen. Die Hoffnung: So können Impulse entstehen, die dann die formellen Verhandlungen vorantreiben.
"Wir wurden zur Kohle gezwungen"
In diesem Sinne war der Petersberger Klimadialog noch nie ein Ort des Streits – aber durchaus der gepflegten Auseinandersetzung. Im vergangenen Jahr etwa hatte der damals frischgebackene französische Umweltminister Nicolas Hulot zumindest sanfte Kritik an seinen Gesprächspartnern geübt. Während die anderen Staatenvertreter sich vor Begeisterung überschlugen angesichts einer Studie des Industrieländerclubs OECD, die mit dem Klimaschutz als Wachstumsmotor warb, rief Hulot zur Abkehr vom Wachstums-Mantra auf.
"Man muss doch verrückt oder vielleicht ein Ökonom sein, um zu glauben, dass unendliches Wachstum möglich ist", sagte der schillernde Star der französischen Umweltbewegung, dessen Berufung von Macron ins Ministeramt allgemein als politischer Coup bewertet wurde. In einigen Rohstoffbranchen müsse es doch zwangsläufig bergab gehen, sagte er. Es war Hulots erste Dienstreise in offizieller Mission.
Auch bei Hulot hat die Bereitschaft zum Stänkern ein Jahr später nachgelassen. Ob man nicht Klimaschutz und Artenvielfalt zusammendenken solle, fragt der Minister die Kanzlerin und erntet Zustimmung. Frankreich versucht indes seit Monaten, mit Deutschland in Sachen CO2-Preis zusammenzuarbeiten – und beißt dabei auf Granit. Es ist also nicht so, als gäbe es nichts zu besprechen.
Auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) spricht auf der Konferenz. Für ihn – dessen Land noch ganz offen auf die Kohleverstromung setzt – steht im Vordergrund, dass verschiedene Staaten mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen starten. "Unser Land ist immer noch von fossilen Brennstoffen und Energieträgern abhängig. Wir wurden von der Sowjetunion gezwungen, Kohle als Energieträger zu nutzen", sagt er.
In Bezug auf den Klimagipfel im Dezember in seinem Land gibt sich der Premier hoffnungsvoll: "Wir werden in Katowice ganz bestimmt das Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens erarbeiten."