Klimareporter: Herr Chruszczow, Polen hat die Präsidentschaft der nächsten UN-Klimakonferenz COP 24 inne, die gerade in Bonn vorbereitet wird. Wenn das Abschlussplenum am 14. Dezember in Katowice tagt: Was wäre ein gutes Ergebnis?
Tomasz Chruszczow: Das Wichtigste an der Konferenz in Katowice ist die Entscheidung über das Regelbuch des Paris-Vertrages. Nur ein Konsens darüber macht den Weltklimavertrag wirklich irreversibel. Dann haben die Regierungen und auch alle anderen Beteiligten endlich Klarheit über ihre Aufgaben und Pflichten im Klimaschutz und ihre Rolle beim Erreichen der nationalen Klimaziele bis 2030. Das Regelwerk macht auch Fortschritte sichtbar und für alle nachvollziehbar – das ist für den Paris-Prozess entscheidend, denn alle haben sich freiwillig verpflichtet …
… und einige wollen wieder aussteigen. Könnten die USA auf den letzten Metern doch noch die Verhandlungen gefährden?
Die USA müssen für sich entscheiden, was sie wollen. Das stört den Gesamtprozess aber nicht mehr. Bei der Ausverhandlung waren die USA und China sehr wichtige Partner. Danach hat der neue Präsident zwar angekündigt, aus dem Paris-Abkommen auszutreten, aber im Verhandlungsalltag nehmen die USA derzeit eine fast konstruktive Rolle ein. Man muss unterscheiden zwischen den Tweets des Präsidenten und dem, was auf diplomatischer Ebene passiert.
Welche Rolle spielen Sie dabei als polnische Präsidentschaft?
Wir versuchen zu garantieren, dass niemand außen vor bleibt. Niemand soll sich ausgrenzt fühlen, für etwas beschuldigt oder gar bestraft werden. Es geht jetzt darum, sich zu einigen und nicht gegenseitige Anschuldigungen zu erheben. Auch dank des Talanoa-Dialogs können wir uns nun viel konstruktiver über Ergebnisse und Erfahrungen auf internationaler Ebene austauschen.
Der Talanoa-Dialog hat auf der Zwischenkonferenz in Bonn begonnen. Dabei sollen Diplomaten der Regierungen und die Zivilgesellschaft auf einer Ebene miteinander reden. Bringt das wirklich etwas für den harten Verhandlungsprozess?
Ich glaube, dass Talanoa eine Schlüsselrolle bei der Erfüllung des Paris-Vertrages spielt. In den letzten 20 Jahren Klimaverhandlungen scheiterte vieles an der Kommunikation der Staaten untereinander. Die Diplomaten der Länder sprachen nicht miteinander, sondern zueinander – vieles prallte einfach an ihnen ab. Nur wenigen gelang es, wirklich aufeinander einzugehen. Es geht darum, eine neue Gesprächskultur zu etablieren – niemand sollte Angst haben, sich zu blamieren oder als Außenseiter stigmatisiert zu werden. Jeder ist wichtig, und jeder hat das Recht etwas beizutragen.
Aber was soll das konkret für die Verhandlungen bringen?
Zur Person
Tomasz Chruszczow ist Polens Chefverhandler bei der UN-Klimakonferenz COP 24, die im Dezember dieses Jahres in der polnischen Industriestadt Katowice stattfindet. Seit 2009 leitet Chruszczow die polnische Delegation bei den internationalen Klimaverhandlungen.
Bei Talanoa geht es um den Austausch von "Best practise"-Erfahrungen, Inspiration für neue Klimaschutz-Lösungen und Ideen, die Länder kreativ nutzen und ausbauen können. Das ist auch eine Chance für Städte, Unternehmen und viele andere. Jeder kann etwas tun und wir wollen diese Potenziale zusammenbringen. Es soll nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen, schließlich ist Klimawandel eine globale Angelegenheit
Das Klimasekretariat der UN versucht schon seit der erfolgreichen Klimakonferenz in Paris, auch Unternehmen und die Zivilgesellschaft einzubinden. Was soll das bringen?
Klar: Die Entscheidungen fällen immer noch die Regierungen. Aber parallel dazu hat man begonnen, auch nichtstaatliche Teilnehmer einzubinden. Die haben keinen direkten Einfluss auf die Regierungen aber trotzdem eine wichtige Rolle: Wir brauchen sie, um den Klimaschutz in die Gesellschaft zu tragen.
Es geht also weniger um Partizipation als um Kommunikation?
Nein. Es geht darum, die Leute zum Mitmachen zu motivieren. Und darum, wie die Zivilgesellschaft und Unternehmen auf neue Klimaregulierungen ihrer Regierungen reagieren, diese unterstützen und sogar mithelfen. Oder ob sie diese blockieren. Viele haben schon jetzt verstanden, dass sie gar keine Gesetze brauchen, um selbst zu handeln.
Glauben Sie, dass man mit Partizipation und Selbstverpflichtungen wirklich schnell genug ist, um den globalen Anstieg der Temperaturen noch zu stoppen?
Im Pariser Weltklimavertrag sprechen wir von einem nachhaltigen Übergang in eine klimaneutrale Welt. Es geht also nicht nur darum, Treibhausgase zu reduzieren, sondern einen nachhaltigen Weg zu finden, um die Welt aus der Klimakrise zu führen. Dazu gehören eine Technologieoffenheit und auch die Nutzung von CO2-Senken unserer Biosphäre, um Treibhausgase zu binden, die bereits freigesetzt wurden. Deshalb ist es so wichtig, dass alle gemeinsam über ihre Ideen und Lösungen sprechen.
Derzeit steigen die CO2-Emissionen weltweit, auch in der EU. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Ja, im vergangenen Jahr stiegen die Emissionen. Das ist sicher kein gutes Signal. Aber in vielen Ländern – übrigens auch in Polen – sinken die Emissionen. Doch es gibt natürlich immer ökonomische oder auch wetterbedingte Gründe, warum die Emissionen variieren.
Polen ist in der EU nicht gerade als Klimavorreiter bekannt, 80 Prozent der Stromversorgung kommen aus der Kohleverbrennung: Ist das ein Problem für einen Gastgeber der nächsten UN-Klimakonferenz?
Nein. Wir sind bekannt dafür, sehr fortschrittlich zu sein, aber leider werden wir oft als rückschrittlich wahrgenommen. Die deutsche Stromversorgung aus Kohle ist um einiges höher als die gesamte polnische Stromerzeugung. Und da sprechen wir noch nicht über deutsche Autohersteller.
Wir können den Ländern nicht verübeln, wenn sie an ihre Energiesicherheit denken. Und Polens Versorgungssicherheit hängt derzeit an der Kohleverbrennung. Wir können nicht einfach unser Energiesystem von einem Tag auf den anderen ändern. Auch Deutschland weiß das.
Kann Polen als Kohleregion dann auch auf Länder wie Indien besser eingehen, die ebenfalls auf Kohle setzen?
Ja, wir haben ein Verständnis für solche Staaten, die gerade erst beginnen ihr Energiesystem aufzubauen. In Ländern wie Indien leben immer noch Millionen Menschen ohne Strom. Auch in vielen afrikanischen Ländern, deren Bevölkerung rapide ansteigt. All diese Menschen müssen versorgt werden. Sicher ist die Kohle keine Antwort, aber sie ist derzeit noch für viele Länder die einfachste Lösung. Wir müssen dennoch versuchen, Kohle in Zukunft so wenig wie möglich einzusetzen.