Sebastian Sladek. (Bild: Bernd Schumacher)

Das Wichtigste aus 52 Wochen: Sonst befragen wir die Mitglieder unseres Herausgeberrats im Wechsel jeden Sonntag zu ihrer klimapolitischen Überraschung der Woche. Zum Jahresende wollten wir wissen: Was war Ihre Überraschung des Jahres? Heute: Sebastian Sladek, Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Eine Überraschung ist es nicht gerade und das Thema ist auch nicht neu, in diesem Jahr ist aber durch den enormen Anstieg der Umfragewerte für die AfD sehr viel klarer und sichtbarer geworden: Wenn wir im Klimaschutz weiter vorankommen wollen, müssen wir Klimaschutz und Antifaschismus sehr viel stärker zusammendenken.

Im kommenden September werden in Sachsen, Thüringen und in Brandenburg Landtagswahlen stattfinden. Glaubt man den aktuellen Umfragen, so könnte in allen drei Ländern die AfD stärkste Partei werden. Wir wollen nicht darüber spekulieren, was dann auf politischer Ebene geschehen wird.

Für den Klimaschutz und für unsere Demokratie stehen in jedem Fall alle Warnzeichen auf Rot. Die AfD, weitere rechtslibertäre Gruppierungen und auch Teile der CDU haben es geschafft, in der Gesellschaft tiefes Misstrauen gegen die demokratischen Institutionen zu säen. Speziell ist es ihnen gelungen, notwendige Klimaschutzmaßnahmen in der Wahrnehmung weiter Teile der Bevölkerung mit der Zunahme sozialer Ungerechtigkeit verknüpfen. Ich nenne nur den Begriff "Heizhammer".

Es ist wahr, dass sozial benachteiligte gesellschaftliche Gruppen stärker von den Klimaschutzmaßnahmen beeinträchtigt werden. Deshalb ist die solidarische Ausgestaltung des Klimaschutzes dringend geboten, zum Beispiel mit der schnellen Einführung eines Klimageldes.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass Menschen sich in einem solchen Maße als bedroht empfinden und mit der AfD eine Partei wählen, die ihre Interessen überhaupt nicht vertritt. Denn die AfD setzt sich unter anderem für eine extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik ein, die vor allem den Besserverdienenden nützt.

Der Historiker und Autor Yuval Noah Harari vertritt in seinem düsteren Buch "Homo Deus" die These, dass große Teile der Mittelschicht weltweit durch den technischen und digitalen Fortschritt an gesellschaftlicher Relevanz verlieren.

Instrumentalisierung der Mittelschicht

Auch eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung legt nahe, dass es AfD-Wähler:innen im Arbeitsleben stärker an Anerkennung und Wertschätzung fehlt als Anhänger:innen anderer Parteien. Diese Lücke schließt die AfD, indem sie sie mit system- und menschenfeindlichen Narrativen und Verschwörungserzählungen füllt, die die Menschen in ihrem grundsätzlichen Verdruss bestätigen.

Hinter dem rechten Kampf gegen den Klimaschutz stehen einflussreiche rechte und rechtslibertäre Milieus, die den Klimawandel leugnen oder zumindest Klimaschutzmaßnahmen verhindern wollen, weil sie um ihre Privilegien fürchten und ihre Lebensweise nicht infrage stellen wollen. Zu diesem Schluss kommt Matthias Quent in seinem Buch "Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende".

Darin analysiert der Soziologe und Rechtsextremismusforscher den Einfluss rechter Gruppierungen auf die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Letztlich heißt das: Eine kleine, elitäre Gruppe instrumentalisiert große Teile der Mittelschicht, die aus ganz anderen Gründen unzufrieden sind, für ihre Interessen.

Die wichtigste Frage ist am Ende natürlich: Wie können wir dieser gefährlichen Situation wirksam begegnen und hoffentlich verhindern, dass die AfD weiter zulegt? Sonst könnten wir im kommenden September wirklich eine böse Überraschung erleben.

Letztlich ist die fortschreitende Erderwärmung für uns und besonders für die jungen Menschen und kommende Generationen die größte Bedrohung überhaupt, der wir jetzt begegnen müssen. Die Lösungen müssen dabei solidarisch sein. Wir müssen den Klimaschutz weiter vorantreiben und gleichzeitig gegen die empfundene Ungerechtigkeit angehen.

Neben dem Klimageld braucht es dafür weitere Maßnahmen. Es muss mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Die Infrastruktur, besonders der öffentliche Nah- und Fernverkehr, muss wieder besser funktionieren. Es müssen mehr Gelder für die Integration von Geflüchteten fließen. Christian Lindners Sparpolitik ist angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung hochgefährlich.

Und natürlich müssen wir weiter effektiv aufklären. Wege finden, wie wir die Menschen auf Augenhöhe für den Klimaschutz gewinnen können, und die Gefahren aufzeigen, die von den Rechten für unser demokratisches System ausgehen. Denn die Demokratie hat sich letztlich für eine funktionierende Gesellschaft als mit Abstand am tauglichsten erwiesen.