Einige Windräder in Landschaft mit Wäldern und feldern, im Hintergrund ein großes Kohlekraftwerk mit neun dampfenden Kühltürmen.
Windkraft am Kohlekraftwerk Jänschwalde in der Lausitz: Wie wird die Transformation gesteuert? (Bild: Thomas Knauer/​Visdia/​Shutterstock)

Die letzte Frist, um das Heizungsgesetz fertigzustellen, hat die Ampel am Freitag eingehalten. Andere Fristen lässt die Regierung um Monate verstreichen, etwa die fürs Klimasofortprogramm oder – weniger bekannt – die Frist zur Evaluierung des Strukturwandels in den Kohlerevieren.

Im Juli 2020 hatten Bundestag und Bundesrat das sogenannte "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" verabschiedet. Dessen Kernstück ist das "Investitionsgesetz Kohleregionen". Die Wirkungen dieses Gesetzes müssen, so die Vorschrift im Paragrafen 26, alle zwei Jahre evaluiert werden. Erstmals hätte das bis zum 30. Juni 2023 geschehen müssen, also bis zum gestrigen Freitag. Zuständig ist das Bundeswirtschaftsministerium.

Soweit bekannt, gibt es diese Evaluierung nicht. Stattdessen präsentierten die Fraktionen der Linken in den Kohlerevieren am Freitag eine Art eigene Evaluierung, ein mehr als 30-seitiges Positionspapier zum Stand des Strukturwandels in den drei Braunkohlerevieren – im Rheinland, in der Lausitz sowie im Revier Halle/​Leipzig.

Im Rheinland wird die Linke parlamentarisch von der Fraktion im Kreistag Rhein-Erft repräsentiert, im Osten sind es jeweils Fraktionen in den Landtagen von Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Lage in West und Ost unterscheidet sich durch den Deal mit RWE für einen Ausstieg bis 2030 inzwischen sichtlich. So stellen die fünf Linken-Fraktionen in ihrem Positionspapier letztlich bundesweit nur zwei gemeinsame Forderungen auf.

Zum einen sollen Mittel aus dem Just Transition Fund, dem "Fonds für einen gerechten Übergang" der EU, nicht mehr mit den Mitteln aus dem Investitionsgesetz verrechnet werden dürfen. Die Bundesregierung solle stattdessen zusichern, die Just-Transition-Gelder den Revieren komplett zur Verfügung zu stellen.

Als Zweites verlangen die Linken, die Förderbedingungen zu präzisieren, um ökologische und nachhaltige Industriearbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen in den Revieren zu schaffen oder zu erhalten. Direkt an Unternehmen gezahlte öffentliche Gelder seien an Arbeitsplatzgarantien zu knüpfen.

Ausstiegsjahr für den Osten wird nicht genannt

Im Positionspapier ist weiter viel von "weichen" Standortfaktoren die Rede, von Transparenz und Bürgerbeteiligung, von Mitreden, Mitdiskutieren und Mitentscheiden. Zum derzeit umstrittensten Thema in den Ostrevieren, einem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg, findet sich auf den 30 Seiten aber kein Wort.

Zwar nehmen die Linken darin Bezug auf das Pariser Klimaabkommen und das darin vereinbarte globale Ziel, die Erderwärmung auf "deutlich unter zwei Grad" zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad. Das mache den Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie der Kohle "unausweichlich", heißt es dann nur noch, ohne ein Datum zu nennen.

Obwohl die Linken-Parteispitze Anfang 2022 einen bundesweit abgeschlossenen Kohleausstieg bis 2030 forderte, vermieden es die Fraktionsmitglieder, sich auf Nachfrage für den Osten auf diese Zahl festzulegen.

"Wenn wir zeitiger aus der Kohle aussteigen müssen, muss der Strukturwandel im Gleichschritt dazu passieren", erklärte Anke Schwarzenberg von der Linksfraktion in Brandenburg dazu lediglich. Dieser Gleichschritt sei im Moment nicht zu erkennen.

Sie selbst würde liebsten so schnell wie möglich aussteigen, gab Antonia Mertsching von der sächsischen Linksfraktion zu verstehen. Die Frage sei aber, was dann geschehe, und da sei vieles noch nicht geklärt. Mertsching nannte als Beispiel die Wassersituation in der Lausitz.

Die Pariser Klimaziele erforderten ein schnelles Handeln, erklärt auch Martin Schirdewan, einer von zwei Bundesvorsitzenden der Linken, auf Nachfrage. Doch gerade im strukturschwachen Osten müsse der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung arbeitsmarkt- und sozialpolitisch begleitet werden.

In den vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen sollen nach dem Willen der Linken "Transformationsräte" eingerichtet werden, die den Umbau der Wirtschaft fachlich begleiten. So könne sichergestellt werden, dass ein früherer Kohleausstieg auch von der Gesellschaft mitgetragen werde, meint Schirdewan.

Verschiedene Ansichten zur grünen Stiftungs-Idee

Was die Transformation betrifft, halten die Linken in Ost und West meist auch an dem energiepolitischen Narrativ fest, dass Versorgungssicherheit eine Voraussetzung für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren ist.

Kein einheitliches Meinungsbild hat die Linke zum jüngsten Vorschlag dreier Landtagsfraktionen der Grünen, eine spezielle Stiftung zu gründen, um die sogenannten Ewigkeitsfolgen des Braunkohleabbaus in Ostdeutschland zu bewältigen und die Wiedernutzbarmachung langfristig zu finanzieren.

Die sächsische Abgeordnete Mertsching beklagt in dem Zusammenhang, die für die Sanierung der noch aktiven Tagebaue zuständigen Zweckgesellschaften arbeiteten intransparent. Bergbaufolgeflächen, die zu DDR-Zeiten dem Bergbau übereignet wurden, müssten ihrer Ansicht nach anders behandelt werden als Flächen, die Bergbau-Unternehmen nach 1990 erworben haben. Ob alle diese Fragen in einer Stiftung, an einem Runden Tisch oder in einem ganz anderen Format behandelt werden sollten, sei für sie noch nicht geklärt.

Deutlich ablehnend bewertet Schwarzenberg aus Brandenburg die Stiftungsidee. So bleibe unklar, wie zum Beispiel Flächen des Lausitzer Braunkohleverstromers Leag, der sich in einem Transformationsprozess befinde, in eine Stiftung übertragen werden sollten. Kein Unternehmen werde Flächen freiwillig abgeben wollen, und wenn, dann nur gegen eine Entschädigung. Der Vorschlag sei sehr nebulös, so Schwarzenberg.

Die Brandenburger Linksfraktion zeigt sich zugleich bereit, der Leag entgegenzukommen, und spricht sich im Positionspapier dafür aus, die geplante zukünftige Lausitzer Wasserstoffpipeline als kritische Infrastruktur einzustufen und unter Beteiligung der öffentlichen Hand zu betreiben.

Linke will staatliche Beteiligung am Wasserstoffnetz

Die Linke habe immer eine Energieversorgung in staatlicher Hand angestrebt, erläutert Anke Schwarzenberg die Motivlage. Dazu gebe es jetzt mit dem neu zu errichtenden Wasserstoffnetz eine Chance.

Die Idee wird auch von Andreas Schubert von der Thüringer Linksfraktion unterstützt. Man dürfe es nicht dem Markt überlassen, wann und wo Gewerbe und Industrie ans Wasserstoffnetz angeschlossen werden, sagte er am Freitag. Neben der Fachkräftesituation sei die grüne Wasserstoff-Infrastruktur eine entscheidende Frage für die Zukunft.

Zuletzt hatte Leag-Chef Thorsten Kramer beklagt, dass die Kraftwerke seines Unternehmens nicht vom künftigen deutschen Wasserstoffnetz erfasst werden sollten. Bei einem Besuch im Leag-Kraftwerk Jänschwalde sicherte ihm Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jetzt zu, die Notwendigkeit der Anbindung der Lausitzer Standorte an das Wasserstoff-Kernnetz im Blick zu haben, so teilte es jedenfalls die Leag selbst mit.

Zum Aufbau des Wasserstoffnetzes liegt seit Mitte Mai ein Referentenentwurf aus Habecks Ministerium vor. Er sieht vor, dass die derzeitigen Betreiber von Ferngasleitungsnetzen gemeinsam einen Antrag auf Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes zu stellen haben und dieses dann auch betreiben müssen.

Von einer Beteiligung der öffentlichen Hand am Betrieb des Netzes steht in dem Entwurf nichts, auch nicht von einer künftigen Energieversorgung in staatlicher Hand.

Die Frist dafür scheint schon abgelaufen zu sein.