Typische Braunkohle-Mondlandschaft, in der sogar der riesige Kohlebagger klein aussieht, dahinter das große Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe.
Die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz gehören dem Prager Energiekonzern EPH. (Foto: Bildagentur Zoonar/​Shutterstock)

Der gute Wille ist Bundestag und Bundesregierung nicht abzusprechen. Auf dem Klimareporter° vorliegenden Zeitplan des Bundeskabinetts steht für den morgigen Mittwoch der Entwurf für das "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen".

Allerdings geht es nicht um den Gesetzentwurf selbst, denn der schmort längst im Bundestag. Sondern das Kabinett will – wie jüngst schon bei der Abschaffung des Solardeckels – eine vom Wirtschaftsministerium erarbeitete Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen verabschieden.

Das Strukturstärkungsgesetz ist ein Teil des deutschen Kohleausstiegs. Mit dem Gesetz sollen jedes Jahr um die zwei Milliarden Euro in betroffene Regionen fließen.

Zum zweiten Teil des Kohleausstiegs – dem Kohleausstiegsgesetz – ist für die morgige Kabinettssitzung keine Formulierungshilfe angekündigt, sondern die Vorlage einer "Konkretisierung der politischen Empfehlungen der 'Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung' zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung".

Was diese kryptische "Konkretisierung" sein soll und ob sich dahinter vielleicht die öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen der Regierung und den Braunkohle-Eigentümern verbergen, darüber hüllt sich das Wirtschaftsministerium in Schweigen. Dazu äußere man sich nicht.

Dafür, dass die Kabinetts-Vorlagen bis Mittwoch fertig werden, legt sich heute der Wirtschaftsausschuss des Bundestages in einer Sitzung ins Zeug. Ab 11 Uhr geht es unter dem Tagesordnungspunkt 3 um das Strukturstärkungs- und das Kohleausstiegsgesetz.

Noch zwei Wochen Zeit

Bis zur Sommerpause, so das Versprechen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), sollen die Gesetze beschlossen sein. Die Sitzungsperiode des Bundestages endet am 3. Juli.

Vor Tagen zeigte sich das Ministerium auf Nachfrage noch ganz zuversichtlich. Bund und Länder hätten sich darauf verständigt, das Gesetzgebungsverfahren zum Kohleausstieg möglichst im ersten Halbjahr dieses Jahres abzuschließen. "Daran hält das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fest", erklärte das Haus Altmaier gegenüber Klimareporter°.

Auch für die Verhandlungen mit den Braunkohlekraftwerksbetreibern um den öffentlich-rechtlichen Vertrag sei es bis zum 30. Juni "noch knapp zwei Wochen hin", teilte das Ministerium Ende letzter Woche ganz optimistisch mit.

Im Ausstiegsgesetz ist dabei ein Termin versteckt, der lange keine große Aufmerksamkeit fand, weil er zeitlich immer noch weit weg lag. In Paragraf 43 des Gesetzentwurfs heißt es: "Sofern die Verhandlungen zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ... scheitern oder bis zum 30. Juni 2020 keine Einigung erzielt wird, wird die Bundesregierung ermächtigt, zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages ... zu erlassen."

Was für ein Paragraf! Scheitern die Entschädigungsverhandlungen, kann die Bundesregierung par ordre du mufti die Abschaltung einfach mal anordnen – und zwar schneller, als es bisher die mit den Betreibern ausgehandelten Pläne vorsehen.

Drohung mit Ordnungsrecht ohne Biss?

Kai Niebert, Präsident des Umwelt-Dachverbandes DNR, rief den Paragrafen 43 kürzlich in einer Anhörung des Bundestags-Umweltausschusses den Abgeordneten ins Gedächtnis. Der öffentlich-rechtliche Vertrag, dessen Stand noch niemand kenne, sei ein "Kernelement" des Ausstiegs. Die Abgeordneten sollten sich, so Niebert, hier "nicht über den Tisch ziehen lassen".

Ausdrücklich machte Niebert darauf aufmerksam, dass in Paragraf 43 ein ordnungsrechtlicher Ausstiegspfad vorgeschlagen ist, der greifen soll, wenn der Vertrag mit den Eignern nicht zustande kommt. Das habe die Kohlekommission ganz bewusst so vorgeschlagen, so Niebert.

Der DNR-Chef forderte die Abgeordneten auf, für den Fall, dass die Verträge nicht auf den Tisch kommen, mit dem ordnungsrechtlichen Ausstieg zu drohen. Dieser Pfad würde nach Nieberts Angaben die zusätzliche Abschaltung zweier großer Braunkohleblöcke und damit die Einsparung von jährlich zehn Millionen Tonnen CO2 bedeuten.

Nun kann man sich natürlich fragen, welche rechtliche Bedeutung ein Termin in einem Gesetz hat, das noch gar nicht in Kraft ist. Allerdings wäre es recht absonderlich, würde in dem vom Bundestag beschlossenen Ausstiegsgesetz der Termin 30. Juni stehen, wenn der öffentlich-rechtliche Vertrag erst später vorliegt. Dann wären Fristsetzung und Drohung mit dem Ordnungsrecht reiner Fake.

Rechtsexperten meinen hierzu: Wird das Gesetz wirklich erst nach dem 30. Juni beschlossen und die öffentlich-rechtlichen Verträge sind vom Bundestag noch nicht abgesegnet, verlegt man den Termin einfach nach hinten.

Regierung verhandelt "indirekt"

Dafür hat das Wirtschaftsministerium inzwischen eine Antwort auf eine andere Frage, die die Kohlebranche seit einiger Zeit bewegt: Warum sind beim Braunkohleausstieg konkrete Milliarden-Entschädigungen nur für das rheinische und das Lausitzer Revier festgeschrieben, während das sogenannte Mitteldeutsche Revier mit keinem Wort und keinem Cent gewürdigt wird?

Die Bundesregierung, teilt das Wirtschaftsministerium Klimareporter° dazu mit, befinde sich in laufenden Verhandlungen mit dem Lausitzer Braunkohlebetreiber Leag und seinem Eigner, der tschechischen EPH. "Die Mibrag, die die Tagebaue im Mitteldeutschen Revier betreibt, ist eine hundertprozentige Tochter der EPH", erklärt das Ministerium – und so würden die Anliegen der Mibrag "in den Gesprächen mit EPH indirekt auch thematisiert".

Da fragt man sich doch gleich, ob durch die "indirekte Thematisierung" die Entschädigungssumme für den Ausstieg aus der Lausitzer Braunkohle – das heißt am Ende: für die EPH – steigt. In zwei Wochen werden wir es wissen – so oder so.

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