Der Chef der Freien Wähler Hubert Aiwanger
Freie-Wähler-Chef Aiwanger ist Bayerns neuer Wirtschafts- und Energieminister. (Foto: Leonie Rabea Große/​Wikimedia Commons)

Fast könnte man meinen, die Freien Wähler hätten, noch ganz im Freudentaumel über den Wahlerfolg in Bayern und die erste Regierungsbeteiligung im Freistaat, kurz die Orientierung verloren, wo sie denn nun gelandet sind – im Maximilianeum in München oder doch unter der Reichstagskuppel in Berlin. Den Eindruck kann man zumindest beim Blick in den Koalitionsvertrag gewinnen, der am heutigen Montag bekannt wurde.

Im Wahlkampf hatte die Partei von Hubert Aiwanger, der laut Medienberichten nun Minister für Wirtschaft, Energie und Landesentwicklung wird, dafür gekämpft, der Energiewende in Bayern neuen Schwung zu verleihen. Ihre wichtigste Forderung dafür mussten sie allerdings beerdigen: die umstrittene 10‑H‑Abstandsregelung zu kippen. "Wir werden den weiteren Ausbau der Windkraft im Einvernehmen mit Bürgerinnen und Bürgern und Kommunen voranbringen", heißt es nun im Koalitionsvertrag. "Dabei halten wir an der geltenden bayerischen Rechtslage fest."

Fast mehr noch als auf Bayern konzentrieren sich die Forderungen zu Energiewende und Klimaschutz nun auf die Bundesebene. So will die neue Landesregierung aus CSU und Freien Wählern sich in Berlin dafür einsetzen, den Solardeckel abzuschaffen, bessere Rahmenbedingungen für Energiespeicher durchzusetzen und das Fördersystem für die Erneuerbaren zu reformieren, außerdem den EU-Emissionshandel auszuweiten und einen CO2-Preis auf internationaler Ebene voranzubringen. Also statt der bayerischen lieber der deutschen Energiewende – und am besten der europäischen – wieder Schwung zu verleihen.

Mehr Solarmodule auf die Dächer

Ein paar Punkte zum Klimaschutz in Bayern hat sich die neue Koalition aber dann doch vorgenommen: ein Klimaschutzgesetz für den Freistaat mit konkreten CO2-Zielen zum Beispiel. Als starkes Industrieland müsse Bayern seiner Vorbildfunktion gerecht werden. "Deshalb wollen wir mit dem weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien, Stromspeichern und Stromnetzen und dem Ausstieg aus der Kohleverstromung schnellstmöglich vorankommen", so der Vertrag.

Konkret heißt das: den Moorschutz stärken, die Städte klimafreundlicher gestalten und die Energieversorgung möglichst dezentral und regional organisieren, also eher die Verteilnetze statt die Übertragungsnetze ausbauen und vor allem für mehr Solarmodule auf den bayerischen Dächern sorgen. Außerdem sollen 20 Millionen Euro in eine neue bayerische Landesagentur für Energie und Klimaschutz fließen und der Bund soll bei den Solar- und Windausschreibungen für höhere Anteile in Bayern sorgen.

Umweltverbände begrüßen die Pläne für eine dezentrale Energiewende und ein Klimaschutzgesetz. Allerdings monieren sie, dass schnelleren Ausbau der Erneuerbaren mit dem Fortbestehen der 10‑H-Regelung nach wie vor enge Grenzen gesetzt seien.

"Relikt aus Seehofer-Zeiten behindert die Energiewende"

"Wenn Energiepolitik und Landesentwicklung aus einem Guss gemacht würden und in einem Klimaschutzgesetz klare Reduktionsziele festgelegt werden, ist das ein Lichtblick", erklärte Richard Mergner, Chef beim Bund Naturschutz in Bayern. "Doch wer Ja zur dezentralen Energiewende sagt, muss Nein zur 10‑H‑Abstandsregelung bei der Windenergie und den geplanten Stromautobahnen sagen."

Die Trassengegner, die lange mit den Freien Wählern paktiert haben, sind indes enttäuscht. "Der jetzige Koalitionsvertrag bleibt zu zurückhaltend und unverbindlich, um für die brachliegende Energiewende in Bayern ein Zeichen zu setzen", sagte Dörte Hamann, Sprecherin des Aktionsbündnisses "Für eine dezentrale Energiewende ohne überdimensionierten Netzausbau".

So bleibe es nun dabei, dass die 10‑H‑Regel die Windkraft ausbremse und die dezentrale Energiewende in Bayern behindere, so Hamann. "Ein Ende dieses Relikts aus Seehofer-Zeiten wäre ein notwendiges Zeichen für einen Aufbruch hin zu einer zeitgemäßen Energiepolitik."

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