Am kommenden Samstag will Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler in Bayern, vor den Parteitag in Regensburg treten und sich die ausgehandelten Punkte von seinen Parteifreunden absegnen lassen, bevor das neu geschmiedete Bündnis mit der CSU die Regierungsgeschäfte im Freistaat aufnehmen kann. Inhaltliche Differenzen gibt es wenige: Die Freien Wähler sind ebenso wie die CSU für eine Stärkung von Heimat, ländlichen Regionen und Familien. Brisant wird es aber bei der Energiepolitik. Hier fallen die inhaltliche Positionen der beiden Koalitionsparteien weit auseinander.
Ein Beispiel: die 10-H-Abstandsregel. Während die CSU mit der Vorgabe für die Errichtung neuer Windräder den Ausbau der Windkraft im Freistaat praktisch zum Erliegen gebracht hat, wollen die Freien Wähler die "unselige Klausel" am liebsten unverzüglich streichen.
"Die Abschaffung der 10-H-Regelung ist für die Freien Wähler ein wichtiger Punkt", bestätigt Martin Geilhufe, Landesbeauftragter beim Bund Naturschutz in Bayern. Auch die Wahlprüfsteine des Umweltverbandes habe die Partei entsprechend beantwortet. Die Frage sei jedoch, ob die Freien Wähler ihre energiepolitischen Anliegen bei den Koalitionsverhandelungen gegen die dreimal stärkere CSU durchsetzen können.
"Energie wird neu gedacht"
Bislang dringt nur wenig Konkretes aus den Koalitionsgesprächen an die Öffentlichkeit, die schon Ende der Woche abgeschlossen sein sollen. Am vergangenen Montag standen Wirtschaft und Energie auf der Agenda. "Das Thema Energie wird im weitesten Sinn neu gedacht werden", äußerte sich Aiwanger am Dienstag vage.
Die Freien Wähler hofften die wichtigsten Punkte durchbringen zu können, sagte Aiwanger. Er habe den Eindruck, dass man bei den Kernthemen deutlich vorankomme, auch wenn man bei einigen großen Fragen noch nicht ganz beisammen sei.
Fünf Tage nach der Landtagswahl in Bayern, bei der die CSU das schwächste Ergebnis seit 1950 einfuhr und die absolute Mehrheit verlor, hatte die Dauerregierungspartei Verhandlungen über eine Koalition mit den nochmals erstarkten Freien Wählern aufgenommen.
Floskeln zum bisherigen Stand der Koalitionsgespräche kamen auch von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Wir wollen ökologische Politik machen", sagte Söder. Das könnten CSU und Freie Wähler sehr gut, dazu brauche es keine anderen Parteien in Bayern, so Söder mit einem Seitenhieb auf das gute Wahlergebnis der Grünen – ohne jedoch konkrete ökologische Vorhaben anzusprechen.
Gegen Stromtrassen, gegen Flächenfraß
Die Freien Wähler sind vor allem stark in den Kommunen verankert. In Bayern stellen sie 600 Bürgermeister und 14 Landräte. Kernforderungen der Partei, die sich zum Teil aus ausgetretenen CSU-Mitgliedern speist, sind deshalb die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen überall in Bayern und die Stärkung des ländlichen Raums.
Parteichef Aiwanger bezeichnet die Freien Wähler deshalb auch als "CSU plus", deren Platz in der Mitte zwischen der nach rechts gerückten CSU und der nach links gerückten SPD sei. Aber anders als die CSU haben die Freien Wähler verstanden, dass die erneuerbaren Energien ländliche Regionen stärken können.
"Die Freien Wähler setzen sich für die dezentrale Bürgerenergiewende ein", sagt Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz. Zum Einsatz für lokale Windkraft kommt dabei das Engagement gegen die geplanten Hochspannungstrassen. Das Aktionsbündnis der Trassengegner warnte die Freien Wähler deshalb schon, bei dieser Frage in den Koalitionsverhandlungen einzuknicken. Man müsse weiter gemeinsam für eine dezentrale Energiewende einstehen.
Anders als die CSU wollen die Freien Wähler auch die Flächenversiegelung in Bayern reduzieren. "Sie scheinen erkannt zu haben, dass die massiven Veränderungen infolge des Flächenverbrauchs in Bayern drastisch geworden sind", sagt Geilhufe. Dabei gehe es ihnen ebenso um den Erhalt ländlicher Strukturen.
Doch auch wenn die Freien Wähler den Ausbau der erneuerbaren Energien befürworten, müssen die bayerischen Grünen deshalb noch lange keine Konkurrenz in Umweltfragen fürchten. Den Freien Wählern geht es um die Bewahrung der Heimat und der ländlichen Traditionen, für Ökopolitik stehen sie nicht. Zum Bedauern von Umweltschützer Geilhufe: "Sie sind leider gegen einen weiteren Nationalpark."