Immer wenn ich für das Ende des Verbrennungsmotors plädiere, melden sich besorgte Umweltfreunde, die der Meinung sind, E-Autos seien auch nicht die Lösung, weil der Strom immer noch aus klimaunfreundlicher Kohle komme, die Batterien umweltschädlich seien, Materialien unter problematischen Bedingungen abgebaut werden und Raumprobleme in den Städten sowieso damit nicht gelöst würden.
Diese Kommunikation hat Auswirkungen. Wo in anderen Ländern die Umweltbewegung das Ende des Verbrennungsmotors erfolgreich thematisiert hat (Norwegen, Niederlande, Frankreich, Großbritannien) und den Übergang in die Elektromobilität als wesentliche Voraussetzung für Klimaschutz sieht, ist die Haltung in Deutschland ein wenig überzeugendes "Ja, aber ...".
Das ist insofern erklärbar, da die vorgetragenen Bedenken tatsächlich relevant sind und eine massive Elektrifizierung auch darauf reagieren muss. Natürlich muss der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion beschleunigt werden, müssen Recycling und Wiederwertung gesichert und die Umwelt- und Arbeitsbedingungen bei der Gewinnung bestimmter Materialien verbessert werden.
Kritik am Auto – mit Recht, aber ohne Wirkung
Das gilt mit Blick auf die Batterietechnik allerdings auch für andere Technologien, deren Wachstumsraten schwindelerregend waren, wie Handys, I-Pads und Computer. Insofern ist eine wirklich nachhaltige "Circular Economy", also eine echte Kreislaufwirtschaft, eine Herausforderung für viele Wirtschaftsbereiche.
Doch haben viele Umweltbewegte in Deutschland noch ein anderes Problem mit E-Autos. Im Sinne der Verkehrswende haben wir jahrelang das Auto kritisiert und mehr öffentlichen Verkehr gefordert. Wer nun plötzlich das Elektroauto gut findet, gefährdet gemäß dieser Denkschule die Grundlagen der allumfassenden Verkehrswende.
Und es stimmt: Alle Verbrenner lediglich mit Elektroautos zu ersetzen ist keine Verkehrswende. Deshalb sollten Elektroautos, die wesentlich effizienter und lokal emissionslos sind, auch in Zukunft im digitalen Zeitalter eine andere Rolle im Verkehrsmix spielen. Natürlich brauchen wir insgesamt weniger Autos, die viel effizienter genutzt werden.
Allerdings ist es in Sachen Verkehrswende auch Zeit, das eigene Scheitern zu analysieren. Bisher hat nämlich die Auto-kritische Kommunikation in Deutschland erschreckend wenig erreicht. Die Autoliebe der Deutschen hat es jedenfalls nicht angekratzt, die Zulassungszahlen steigen noch stets und die deutschen Innenstädte sind immer noch Autoparadiese. Politische Mehrheiten zur wirklichen Einschränkung des Autos – siehe Dieselskandal – sind nicht in Sicht.
In Berlin gibt es zwar endlich ein Fahrradgesetz, doch gerade dieser Prozess hat gezeigt, wie schwer es immer noch ist, Selbstverständlichkeiten – wie sichere Radwege – politisch auf den Weg zu bringen. Die radgerechte Stadt scheint im Jahr 2018 vielleicht mehrheitsfähig. Aber der Abschied vom Auto an sich?
2030 muss Schluss sein mit der Zulassung von Verbrennern
Noch ist die pauschale Autokritik der Umweltverbände für viele Deutsche – vor allem auf dem Land – nicht anschlussfähig. Und der Abschied vom Verbrennungsmotor ist noch gar kein echtes Thema. Deshalb ist "Ja, aber ..." mit Blick auf das Elektroauto zwar eine respektable Haltung, aber keine politische Strategie. Besonders in einem Land, in dem Konzerne, Politik und viele Autofahrer steinzeitliche Benzin- und Dieselmotoren immer noch für alternativlos halten.
Zur Person
Martin Unfried ist Dozent am EIPA, dem Europäischen Institut für Öffentliche Verwaltung im niederländischen Maastricht, sowie Autor mehrerer Kolumnen, darunter der "Ökosex"-Kolumne auf den Blogseiten der Tageszeitung Taz. Seit drei Jahren ist er zudem an der Universität Maastricht am Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM tätig.
Es ist deshalb auch keine Überraschung, dass die Elektromobilität im EU-Vergleich gerade in Deutschland so schlecht vorankommt. Elektroautos haben hier einfach zu wenige Freunde und wirkliche Befürworter. Das wiederum ist mit Blick auf das Ende der Zulassung von Verbrennungsmotoren fatal.
Wenn spätestens 2030 nicht mit der Zulassung von Verbrennern Schluss ist und zügig Elektroautos mit erneuerbarem Strom auf die Straße kommen, dann scheitern die Klimaziele von Paris bereits am Verkehrssektor. Deutsche Benzin- und Dieselautos sind dann bis ins Jahr 2050 auf der Straße (wenn man sie nicht irgendwann verbietet).
Die E-Revolution beginnt auf dem Land
Viele Studien haben zudem gezeigt, dass auch erneuerbare Treibstoffe keine Alternative sind. Wir brauchen die synthetischen Treibstoffe oder den Wasserstoff, die mit vielen Verlusten aus erneuerbarem Strom gemacht werden, im Schiffs-, Flug- und Frachtverkehr. Batteriebetriebene Elektroautos haben dagegen einen unschlagbaren Vorteil: Sie können der Sektorenkopplung einen ganz neuen Schub geben.
Denn das Pendlerauto mit dem Strom vom Solardach aufzuladen, das ist gerade im ländlichen Raum durchaus anschlussfähig und eine Revolution nach 100 Jahren Abhängigkeit von Mineralölkonzernen. Und das funktioniert schon heute, da die Infrastruktur bereits steht. Es gibt in Deutschland rund 15 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser, die dafür infrage kommen. Die Elektrorevolution kommt nämlich erst auf dem Land und nicht in der Stadt.
Immerhin zwei Drittel aller deutschen Haushalte haben eine Garage oder einen Stellplatz. Für sie alle ist der Standard die Aufladung nachts an der eigenen Steckdose und nicht die bisher unzureichende öffentliche Ladeinfrastruktur. Was überraschenderweise kaum angesprochen wird: Anders als Benzin, Diesel und Wasserstoff ist Strom in Deutschland in jedem Haushalt verfügbar. Vielleicht sollten sich die Kampagnenleute im Bereich Erneuerbare mal mit den Verkehrswende-Freunden treffen.