Radfahrerin fährt schnell an nur unscharf zu erkennendem Schaufenster vorbei.
Zügig und sicher auf dem Rad durch die Stadt: In den meisten deutschen Städten eine Utopie. (Foto: Sascha Kohlmann/​Flickr)

Hier missachtet ein Zweirad die rote Ampel, dort parkt ein Auto auf dem Radweg: Vor allem in Großstädten gleicht das Nebeneinander von Auto- und Radfahrern eher einem Kampf. Der Ärger wird größer, der Platz wird kleiner und die Gesamtanzahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang ist – trotzdem gesunken.

Auf Deutschlands Straßen sind im ersten Halbjahr 1.465 Menschen ums Leben gekommen, 40 Verkehrstote weniger als im Vorjahreszeitraum, meldet das Statistische Bundesamt.

Doch während im Auto weniger Menschen starben, stieg die Anzahl der Radverkehrstoten von Januar bis Mai gegenüber dem Vorjahreszeitraum um elf Prozent. Allein für den Mai meldet das Statistikamt etwa 7.700 Fahrradunfälle, von denen 45 tödlich endeten.

Der Radfahrverband ADFC fordert daher den Ausbau der Radinfrastruktur. "Die Wege für Radfahrende sind nach wie vor erbärmlich", sagt ADFC-Geschäftsführer Burkhard Stork. "Gleichzeitig ist mehr Radverkehr als Lösung für unsere verstopften Städte ja hocherwünscht!" Damit spielt Stork auf die Verkehrswende an, zu deren Erfolg Fahrräder einen großen Beitrag bringen können.

Ministerium wertet Befragung aus

Das immerhin hat auch das Bundesverkehrsministerium erkannt. "Damit noch mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, fördert die Bundesregierung den Radverkehr", lobt sich das Ministerium auf seiner Website, schließlich habe das Radeln einen positiven Effekt auf Umwelt und Klima.

Als Signal für die Zweiradförderung hat das Verkehrsministerium vergangenes Wochenende erste Ergebnisse einer Online-Befragung zum neuen Nationalen Radverkehrsplan veröffentlicht. Der Plan soll eine Fortsetzung des jetzigen werden, der eine Steigerung des Radverkehrsanteils auf 15 Prozent bis 2020 für möglich hält.

Während Nachbarländer hier auf 18 Prozent wie Dänemark oder sogar 27 wie die Niederlande kommen, macht die Befragung deutlich, woran es in Deutschland fehlt. Jeder dritte der rund 2.400 Teilnehmer ist von der schlechten Rad-Infrastruktur genervt. Gefolgt vom zweiten Kritikpunkt: Ein Viertel der Befragten fürchtet ein hohes Unfallrisiko durch andere Verkehrsteilnehmer.

Das sind laut ADFC vor allem Autofahrer. Etwa zwei Drittel aller Radunfälle seien nämlich Kollisionen mit dem Auto, so ADFC-Chef Stork. Die Hauptschuld trage in den meisten Fällen der Autofahrer.

"Wir brauchen sofort mehr Tempo 30 in den Städten, schnelle Ausbauprogramme für geschützte Radwege an Hauptachsen – und vor allem geschützte Kreuzungen", fordert Stork daher. Kreuzungen seien für Radelnde "die gefährlichsten Punkte".

Scheuer ernennt sich zum "Fahrradminister"

Sicherheit ist nach eigenem Bekunden auch dem Verkehrsminister wichtig. "Mit klaren Regelungen stärken wir den Radverkehr und sorgen dafür, dass das Radfahren zügig spürbar attraktiver und sicherer wird", kündigte Andreas Scheuer (CSU) in diesem Sommer an. "Ich bin Verkehrsminister und damit auch der Fahrradminister."

Neben diversen Radl-Kampagnen und PR-Aktionen stellt sein Ministerium 160 Millionen für den Radverkehr zur Verfügung. Wie wenig das ist, zeigen die Ausgaben für Autobahnen und Bundesstraßen: Sie liegen bei 10,8 Milliarden Euro. Entsprechend gering – oder eigentlich nicht vorhanden – sind die Klimaschutzerfolge im Verkehr.

Fahrradaktivisten wollen sich auch nicht mehr mit flotten Sprüchen abspeisen lassen. Jeden zweiten Donnerstag im Monat protestieren sie vor dem Ministerium in Berlin und fordern eine "echte" Verkehrswende. Für den 12. September ist eine neue Demo angemeldet, um dem Minister die "Rote Karte" zu zeigen.

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