Andreas Knie. (Bild: David Außerhofer)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung.

Klimareporter°: Herr Knie, am morgigen Montag in der Früh endet der sechstägige Streik der Lokführer. Für welche Seite schlägt da eigentlich Ihr Herz, Gewerkschaft oder Deutsche Bahn?

Andreas Knie: Das Streikrecht ist in einer marktkapitalistischen Gesellschaftsordnung ein hohes Gut, das lange erkämpft werden musste. Es ist daher das Recht der Gewerkschaft GDL, dies für ihre Interessen unter den bestehenden Rahmenbedingungen zu nutzen.

Das Problem liegt darin, dass das Management der Deutschen Bahn AG diesen Forderungen völlig unprofessionell und ohne Ambitionen entgegentritt. Im Personalmanagement fehlt die Strategie, mit dem demografischen Wandel und mit dem Thema Rekrutierung durch Zuwanderung umzugehen.

Ärgerlich ist zudem, dass beide Verhandlungsführer nicht auf die Bahn angewiesen sind und mit Chauffeuren durch die Lande fahren. Eine Blaupause dafür, wie man sich auf Kosten Dritter bereichert.

Steigende E‑Auto-Zahlen sind der einzige Grund für sinkende CO2-Emissionen neuer Pkws, zeigt ein aktueller Bericht des EU-Rechnungshofs. Fortschritte bei den Emissionen von Benzin- und Diesel-Pkw blieben bisher weitgehend aus. Die meisten Autos auf Europas Straßen stoßen heute genauso viel CO2 aus wie vor zwölf Jahren. Droht der Klimaschutz per Elektrifizierung im Autoverkehr zu scheitern?

Die Zulassungszahlen der E‑Fahrzeuge lagen 2023 in Deutschland hinter denen der Verbrenner. Jetzt fallen noch die Prämien weg und der Ausbau der Ladeinfrastruktur stockt. Auf der anderen Seite erhalten die Verbrennerfahrzeuge weiterhin alle Privilegien wie vor 50 Jahren.

Wenn die deutsche Bundesregierung nicht endlich ein klares Bekenntnis zur E‑Mobilität auch in Taten umsetzt, wird es mit den CO2-Einsparungen nichts werden.

Ein einfacher Vorschlag: Die steuerliche Anrechnung für einen Dienstwagen entfällt für Verbrennerfahrzeuge komplett. Wer also noch von den Segnungen des Staates profitieren will, muss sich für ein E‑Fahrzeug entscheiden.

Das Umweltnetzwerk BBU hat vorgeschlagen, nach Schweizer Vorbild auch in deutschen Kommunen "0,5-Prozent-Initiativen" ins Leben zu rufen. Ziel ist es dabei, jährlich 0,5 Prozent des Straßenraums und der Parkplätze zu entsiegeln und mit Bäumen zu bepflanzen. Ist das nur eine weitere Idee für lebenswerte Städte, der in der Schublade verschwinden wird?

Das ist ein guter Vorschlag, aber leider ohne gesetzliche Verpflichtung. Kommunen müssen ihren Straßenraum – wenn sie wirklich gestalten wollen – auf Grundlage der jeweiligen Landesstraßengesetze neu widmen, um die Städte zukunftsfähig zu machen. Anders geht es nicht: Wir haben schon zu viele Initiativen erlebt, die auf freiwilliger Basis völlig ins Leere gelaufen sind. Jüngstes Beispiel ist die Einführung von Tempo 30.

Aber halt – an einer Stelle gibt es Gestaltungsraum: Kommunen können in Absprache mit den Ländern die Gebühren fürs Parken deutlich erhöhen. Sie trauen sich an diese zentrale Stellschraube aber nicht heran. Die Städte verlässt hier komplett der Mut und man bleibt lieber bei Absichtserklärungen.

Nach dem Beschluss der Verkehrsminister bleibt es für das Deutschlandticket im Jahr 2024 beim Preis von 49 Euro. Das ist auch deshalb möglich, weil nicht verbrauchte Gelder aus dem Vorjahr genutzt werden. Die monatelange Unsicherheit hat aber erst einmal ein Ende – eine gute Nachricht?

Wenn man plötzlich Geld findet, ist das immer gut. Aber es hilft nix: Mit dem 49-Euro-Ticket wird man nicht mehr Menschen für Busse und Bahnen begeistern. Besser wäre es, mit einem Superpreis von 29 Euro das Potenzial zu wecken und das Angebot endlich auszuweiten.

Wenn es aber bei 49 Euro bleiben soll oder jetzt auch kann, dann bitte inklusive der ersten und letzten Meile. Im Preis muss daher das Taxi für die ersten zehn Kilometer sowie die letzten zehn Kilometer eingeschlossen sein. Dann käme es im Verkehrsmarkt endlich zu Bewegung.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Auch wenn es nicht diese Woche war: Es bleibt für die Verkehrspolitik die böse Überraschung schlechthin, dass selbst eine klitzekleine Novelle des Straßenverkehrsgesetzes im Bundesrat scheitert, obwohl der Bundestag sie beschlossen hat und die Verkehrsminister der Länder sich verständigt haben, sie mitzutragen.

Dahinter steckt ein abgekartetes Spiel. SPD und Union haben sich auf Grundzüge einer großen Koalition gegen die Grünen für das Jahr 2024 entschieden und dabei festgelegt: Hände weg vom Auto! Freie Fahrt für freie Bürger bleibt das Motto, denn man möchte das Volk nicht weiter drangsalieren.

Damit gibt die Politik aber den Gestaltungsauftrag ab und folgt populistischen Forderungen. Die Rechten freut das, denn die AfD möchte das deutsche Auto mit den deutschen Verbrennungsmotoren ohne Wenn und Aber erhalten. Die Koalition für das Auto von gestern ist also größer als gedacht.

Fragen: Jörg Staude

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