Tempo-30-Schild vor einem Straßenbaum.
Die Vorteile von Tempo 30 sind stark – der Widerstand bei einigen Autofahrern auch. (Foto: Markus Winkler/​Unsplash)

In Spaniens Städten gilt seit dem vergangenen Jahr meist Tempo 30. Auch in 200 französischen Städten, darunter Paris, sowie in der belgischen Hauptstadt Brüssel gelten vergleichbare Regelungen.

Der Erfolg ist messbar: weniger Unfälle, weniger Tote, weniger Lärm, bessere Luft und mehr Lebensqualität. Seit der Einführung von Tempo 30 verzeichneten die Städte in Frankreich rund 70 Prozent weniger tödliche Verkehrsunfälle, gleichzeitig stieg die Zahl der Radfahrenden um 20 Prozent.

Der Straßenlärm konnte um zwei bis drei Dezibel verringert werden, was den Eindruck von halbiertem Verkehr vermittelt. Die Werte für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid sind deutlich gesunken.

Die Ergebnisse sind so eindeutig, dass sich auch die Weltgesundheitsorganisation WHO für Tempo 30 ausspricht – als zentrale Maßnahme zum Schutz von Menschenleben in allen Städten und Dörfern weltweit.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1957 die innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingeführt. Grundlegende Veränderungen blieben seitdem aus.

Dabei hat sich die Kenntnislage zur Bedeutung von Tempo 30 für Verkehrssicherheit, Lärmschutz, Klimaschutz, Luftreinhaltung, für die Förderung von Fuß- und Radverkehr und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den 65 Jahren drastisch verändert. Auch in der Bevölkerung hat ein Umdenken stattgefunden.

Kommunen können mehr tun als gedacht

Unter dem Motto "Für immer unter 30" will die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jetzt Druck von unten machen. Dazu veröffentlichte die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ein Rechtsgutachten, das zeigt: Kommunen haben deutlich mehr Möglichkeiten als gedacht, um Tempo 30 auf ihren Straßen voranzubringen.

"Lebenswerte, gesunde und sichere Städte bekommen wir nur mit Tempo 30", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch bei der Vorstellung des Gutachtens. "Darauf dürfen wir nicht weitere Jahre warten, bis irgendein Bundesverkehrsminister mal Politik für die Menschen macht und nicht für Autokonzerne."

Die DUH hat deswegen entsprechende Anträge an 335 Städte gestellt. Gleichzeitig ruft die Organisation die Bürger:innen auf, mit eigenen Anträgen nachzulegen. Die Umwelthilfe stellt dazu auf ihrer Website einfach auszufüllende Formulare bereit.

Silvia Ernst, Rechtsanwältin und Autorin des Gutachtens, räumt ein, dass die rechtlichen Hürden für die Anordnung von streckenbezogenem Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen nicht gering sind. Es gebe jedoch Ausnahmen, bei denen Tempo 30 relativ leicht umgesetzt werden kann, die in der Praxis bisher wenig genutzt würden.

So kann Tempo 30 zum Schutz der Bevölkerung vor Straßenverkehrslärm angeordnet werden. Anträge von Anwohner:innen haben laut der Juristin mehr Aussicht auf Erfolg, als in der Verwaltungspraxis oftmals angenommen wird.

"Wo ein Wille für Tempo 30 ist, da ist auch ein Weg"

Als strategisches Instrument steht Kommunen der Lärmaktionsplan aus der europäischen Umgebungslärmrichtlinie zur Verfügung, sodass sie auch großflächig Tempo 30 anordnen können. Damit, so Ernst, hätten Kommunen schon heute mehr Möglichkeiten für lärmschützende Städteplanung als vielfach gedacht.

Die DUH ruft Bürger:innen außerdem auf, "Freiwillig Tempo 30"-Schilder in ihrem Vorgarten, am Gartenzaun, an der Hauswand oder im Fenster anzubringen und sich damit für Tempo 30 starkzumachen. Schilder sind im Handel oder bei der DUH erhältlich oder lassen sich kreativ selbst gestalten. Rechtliche Hinweise zum Gestalten und Aufstellen hat die DUH in einem weiteren Rechtsgutachten zusammengestellt.

"Unsere Rechtsgutachten zeigen zweifelsfrei: Wo ein Wille für mehr Tempo 30 ist, da ist auch ein Weg", betonte Silvia Ernst. "Das gilt für Kommunen ebenso wie für Bürgerinnen und Bürger."

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