Als "weltweit erste kommerzielle CO2-Filteranlage" wird die Climeworks-Erfindung schon seit 2017 beworben, hier bei einem Besuch von US-Politikern an der ETH Zürich. (Bild: Gov. Jay Inslee/​Flickr)

Island ist mit knapp 400.000 Einwohnern das am dünnsten besiedelte Land Europas. Es ist bekannt für riesige Gletscher, Vulkane und heiße Quellen, was ihm viel Tourismus beschert.

Doch die Insel ganz im Nordwesten des Kontinents könnte auch eine wichtige Funktion für den weltweiten Klimaschutz bekommen – zumindest, wenn es nach der Schweizer Firma Climeworks geht, die dort jetzt eine neue Anlage zur Entfernung des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Atmosphäre in Betrieb genommen hat. Quasi einen "Staubsauger" für CO2. Ihr Name: "Mammoth", zu Deutsch Mammut.

Der Name soll anzeigen: Es geht um ein großes Projekt. Die Kapazität des Mammoth, um CO2 aus der Luft herauszufiltern, ist mit 36.000 Tonnen Jahreskapazität fast verzehnfacht gegenüber der Vorgängeranlage, die Climeworks seit 2021 ebenfalls in Island betreibt.

Es handle sich um "die weltweit größte Direct-Air-Capture-and-Storage-Anlage", so das Unternehmen. Im Endausbau sollen an dem Standort 72 haushohe Container mit CO2-Filtern betrieben werden.

Derzeit sind zwölf installiert, die auch bereits laufen und erste Mengen CO2 aus der Umgebungsluft herausgeholt haben. Das Gas wird bei dem Prozess dann von einem Projektpartner übernommen und in den Untergrund gepresst.

Angesichts der ungebremst fortschreitenden Erderwärmung, die inzwischen im globalen Durchschnitt erstmals das 1,5‑Grad-Limit gerissen hat, kommt der CO2-Speicherung zunehmend Bedeutung zu. Dafür bieten sich "naturbasierte" Lösungen wie die Aufforstung und das Wiedervernässen von Mooren an. Allerdings steigt auch das Interesse an technischen Verfahren wie CCS, bei denen das CO2 abgetrennt und unterirdisch gelagert wird.

Neue Methode zur CO2-Speicherung

Das Besondere bei Climeworks ist, dass das Gas direkt aus der normalen Umgebungsluft herausfiltert werden kann, wo es nur in sehr geringen Anteilen vorliegt, nämlich zu 0,04 Prozent. Andere Verfahren setzten bei CO2 in höheren Konzentrationen an, wie etwa im Abgasstrom von Kohlekraftwerken oder Zementfabriken.

Climeworks ist ein Spin-off der ETH Zürich. Das Unternehmen, 2009 gegründet von den deutschen Ingenieuren Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, begann damals mit der Entwicklung des "Direct Air Capture"-Verfahrens (DAC).

Die erste kommerzielle Anlage entstand 2017 in der Schweiz, sie gewann 900 Tonnen CO2 pro Jahr und lieferte das Gas an Coca-Cola Schweiz, das damit ein "erstes Mineralwasser mit CO2 aus der Luft" produzierte, sowie an einen Gewächshausbetreiber, der es als Wachstumsverstärker für Tomaten und Gurken einsetzte.

Die erste größere Anlage, Orca genannt, baute Climeworks dann in Island. Zwei Gründe gaben hierfür den Ausschlag.

Erstens konnte das Unternehmen die Anlagen für den energieaufwändigen Prozess hier mit reichlich vorhandener erneuerbarer Energie aus einem Geothermie-Kraftwerk im Südwesten Islands betreiben – pro Tonne CO2, die aus der Luft gefiltert wird, werden 2.500 Kilowattstunden eingesetzt, so viel, wie ein Zwei-Personen-Haushalt in Deutschland jährlich verbraucht.

Zweitens kann Climeworks hier mit dem Unternehmen Carbfix zusammenarbeiten, das eine Methode zur unterirdischen Speicherung des Gases CO2 entwickelt hat. Das CO2 wird dabei in Wasser gelöst und dann in bis zu 1.000 Metern Tiefe in Hohlräume im Basaltgestein gepumpt, wo es sich chemisch fest bindet.

Das unterscheidet die Methode von anderen Endlagerprojekten, bei denen das Kohlendioxid gasförmig im Untergrund verbleibt. Die Gefahr, dass das Gas wieder entweicht, kann bei Carbfix praktisch ausgeschlossen werden. Die Firma ist ein Tochterunternehmen des Energieversorgers der isländischen Hauptstadt Reykjavik.

Kosten liegen noch um ein Mehrfaches über dem CO2-Preis

Climeworks-Kochef Wurzbacher nannte die Mammoth-Inbetriebnahme einen "weiteren Meilenstein" bei der Skalierung der Technologie, um bis 2030 in den Kapazitätsbereich von Millionen Tonnen und bis 2050 sogar von Milliarden Tonnen zu kommen. Bis es so weit ist, müssen die Kosten allerdings noch deutlich sinken.

Bisher lauten Kostenschätzungen für Verfahren zur CO2-Entfernung auf mehrere hundert Euro pro Tonne. Laut einer aktuellen Studie der ETH Zürich muss auch 2050 noch mit mindestens 230 US‑Dollar gerechnet werden, und Studien-Leiter Bjarne Steffen geht nicht davon aus, dass Kosten unter 100 Dollar zu erreichen sind.

Dieses Preisniveau wurde im EU-Emissionshandel im vorigen Jahr erstmals erreicht. Inzwischen aber ist das Verschmutzungsrecht für die Tonne CO2 wieder deutlich billiger zu haben.

Ursprünglich hatten die Climeworks-Gründer gehofft, schneller voranzukommen. Ihr Ziel lautete, bis 2025 ein Prozent der jährlichen weltweiten CO2-Emissionen aus der Luft filtern zu können – bei dem aktuellen Ausstoß von rund 40 Milliarden Tonnen sind das 400 Millionen Tonnen. Die beiden Anlagen in Island sollen im Vollbetrieb rund 40.000 Tonnen schaffen – ein Zehntelpromille davon.

Trotzdem glaubt das Unternehmen, auf gutem Weg zu sein. Der Bau mehrerer produzierender Anlagen in rascher Abfolge mache Climeworks "zur heute fortschrittlichsten Direct-Air-Capture-Firma", meint Wurzbacher.

Bis 2030 sollen mehrere Anlagen der Millionen-Tonnen-Klasse entstehen. Man sei an drei solchen Projekten in den USA beteiligt, die vom US-Energieministerium mit insgesamt mehr als 600 Millionen Dollar gefördert werden. Zudem würden Projekte in Norwegen, Kenia und Kanada entwickelt und weitere potenzielle Standorte erkundet.

 

Unumstritten ist das Climeworks-Verfahren dennoch nicht. Zum Start von "Mammoth" hat sich die internationale Meeresschutzorganisation Oceancare mit Sitz in der Schweiz zu Wort gemeldet. Sie kritisiert, die Technologie verstelle den Blick "auf die eigentliche Aufgabe, nämlich den sofortigen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen".

Zudem binde sie wegen der hohen Kosten Ressourcen, die zur Bewältigung der Klimakrise an anderer Stelle dringend benötigt würden, sagte Oceancare-Experte James Kerry. Darüber hinaus gebe es auch Risiken durch die geplante Entnahme großer Mengen von Meerwasser, um das CO2 darin zu lösen und in die Erde zu verpressen.

Gerade Basaltgestein könne unter hohem Druck, wie er beim Verpressen entstehe, brüchig werden. "Auch wenn seismische Aktivitäten, die stark genug sind, um Tsunamis auszulösen, unwahrscheinlich sind, werden kleinere Erdbeben erhebliche Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben", warnte Kelly.

Bei Climeworks hieß es dazu auf Anfrage, man arbeite "nur mit Anbietern von CO2-Speichern zusammen, die bewährte Verfahren zur Überwachung von Lagerstätten anwenden". An den Speicher-Standorten würden "strenge sicherheitstechnische Protokolle" eingehalten.