Eine koffergroße Holzkiste mit Griffen, Beschlägen und einem Schloss steht auf einem Schemel vor einer holzgetäfelten Wand.
"Tetzelkasten" in der Kirche von Mestlin in Mecklenburg. Der Ablasshandel im Mittelalter hatte keine wissenschaftliche Grundlage, war aber gängige Praxis. (Bild: G. Freihalter/​Wikimedia Commons)

Emissionshandel? So etwas kannte man in Europa und Deutschland gar nicht. Geld zahlen, damit man Treibhausgase ausstoßen darf. Das kam uns seltsam vor.

So etwas Ähnliches wie der Ablasshandel im Mittelalter? Johann Tetzel in modern. Etwa so: "Wenn das Glöckchen klingt, die Seele des Verschmutzers in den Himmel springt."

Die US-Regierung hatte das Prinzip in den 1980er Jahren eingeführt, um den Schwefelausstoß ihrer Kohlekraftwerke herunterzufahren. Und setzte es dann 1997 bei den Verhandlungen zum Kyoto-Klimaprotokoll als Möglichkeit auch für den Handel mit CO2 durch.

Und siehe da: Die EU wurde zum Vorreiter des CO2-Handels. Er ist in der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten seit 2005 ein etabliertes Instrument des Klimaschutzes. Was allerdings nicht heißt, dass alle Leute begriffen haben, wie er läuft.

Denn wie sonst könnte es sein, dass Verwunderung ausbricht, wenn plötzlich der CO2-Preis, der die Unternehmen zum Energiesparen und Umstieg auf Ökoenergien animieren soll, in den Keller rauscht? "Der große Absturz des CO2-Preises", liest man. Und: "CO2 zum Schleuderpreis." Auch: "Verschmutzen lohnt sich wieder."

Kraftwerke, Industrieunternehmen und Airlines (für innereuropäische Flüge) brauchen CO2-Zertifikate. Der Preis bildet sich an der Börse nach Angebot und Nachfrage, und zuletzt war die Nachfrage gering: wegen geringer Kohleverstromung, schwacher Konjunktur, niedriger Industrieproduktion.

Der CO2-Preis pro Tonne sank von der historischen Höchstmarke bei rund 100 Euro im letzten Frühjahr auf 51 Euro, war also fast halbiert, und aktuell liegt er immer noch unter 60. Läuft da etwas schief?

Nein, es ist so gedacht. Es kommt, so die Logik des Emissionshandels, nur darauf an, dass die Gesamtmenge an handelbaren Zertifikaten Jahr um Jahr sinkt, sodass das EU‑Klimaziel für 2030 erreicht wird. Und das tut sie.

Joachim Wille ist Co-Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Trotzdem ist damit nicht alles paletti. Denn Fachleute warnen zu Recht, dass die Unternehmen bei niedrigen CO2-Preisen zu wenig in die Elektrifizierung ihrer Produktion oder die Umstellung auf grünen Wasserstoff investieren – und die CO2-Preise dann nach einiger Zeit förmlich explodieren könnten.

Der Vorschlag, eine Art Klima-Zentralbank zu gründen, hat hier einen großen Charme. Die Bank würde sicherstellen, dass der CO2-Preis in einem langfristigen, aufwärts gerichteten Korridor verläuft, so ähnlich, wie es die EZB mit ihrem Inflationsziel handhabt. Das wäre es doch.

 

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