Was macht man mit Kohlendioxid-Emissionen, die sich nicht durch die Umstellung auf erneuerbare Energien und andere technische Fortschritte vermeiden lassen? Eine Frage, mit der sich mittelfristig viele Staaten und Industriebranchen befassen müssen.

Das Forschungsprojekt Demoupcarma an der ETH Zürich sieht eine mögliche Antwort darin, das emittierte CO2 an Orte zu transportieren, die günstige Bedingungen für die dauerhafte unterirdische Speicherung des Treibhausgases haben – wie beispielsweise im 3.000 Kilometer entfernten Island.

Der Bundesrat in der Schweiz beschloss im Jahr 2019, dass das Land bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden soll, ähnlich wie die Europäische Union. Doch um das zu schaffen, müssen Emissionen auch in Bereichen verhindert oder ausgeglichen werden, für die es bislang keine guten Alternativen gibt.

Das gilt beispielsweise für sechs Zementwerke, die es in der Schweiz gibt. Diese stoßen nicht nur wegen der Verwendung fossiler Brennstoffe Kohlendioxid aus, sondern auch durch die chemischen Umwandlungsprozesse bei der Herstellung von Zementklinker.

Bei Zementwerken und anderen konzentrierten Emissionsquellen besteht eine Option darin, die CO2-Emissionen abzufangen und anschließend unterirdisch einzulagern. Derartige Methoden sind als Carbon Capture and Storage (CCS) bekannt. Allerdings gibt es in der Schweiz bislang keine geologischen CO2-Speicher, und es ist auch nicht absehbar, dass diese zeitnah bereitstehen.

CO2 wird zu Stein

Die Firma Carbfix aus Island hat eine Methode entwickelt, bei der Kohlendioxid in Wasser gelöst in Basaltgestein gepresst wird. Das CO2 reagiert hierbei chemisch mit dem Gestein. Das unterscheidet die Methode von anderen CCS-Projekten, bei denen das Kohlendioxid gasförmig im Untergrund verbleibt – die Gefahr, dass CO2 wieder entweicht, kann praktisch ausgeschlossen werden.

Zementwerk des Schweizer Konzerns Holcim am Rhein: Bei der Produktion entstehen gewaltige Mengen CO₂. (Bild: Joachim Kohler/​Wikimedia Commons)

Carbfix ist ein Tochterunternehmen des lokalen Energieversorgers der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Ursprünglich entwickelt wurde die Methode, um CO2-Emissionen aus Geothermiekraftwerken zu vermeiden. Geothermie gilt zwar als erneuerbare Energiequelle und ist vergleichsweise klimafreundlich.

Aber mit dem heißen Wasser aus dem Untergrund, das durch die Geothermiekraftwerke gefördert wird, kommen auch schädliche Gase an die Oberfläche. Neben Kohlendioxid ist das gesundheitsschädlicher Schwefelwasserstoff.

Carbfix hat in der Nähe des Geothermiekraftwerks Hellisheiði mehrere Bohrlöcher, um sowohl Schwefelwasserstoff als auch CO2 unter die Erde zu befördern. Seit 2021 betreibt dort zudem die Schweizer Firma Climeworks die bislang weltgrößte Direct-Air-Capture-Anlage, die Kohlendioxid direkt aus der Luft filtert.

Doch Carbfix hat inzwischen größere Pläne: Man will Abnehmer für CO2-Emissionen aus anderen Ländern werden. Geeignete Basaltformationen gibt es in Island reichlich.

"Negative Emissionen" durch CO2 aus einer Biogasanlage

Für die Schweizer Forscher war Carbfix somit ein naheliegender Partner. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird zudem getestet, ob sich die Carbfix-Methode auch mit Salzwasser betreiben lässt.

Für das Projekt wird Kohlendioxid aus einer Biogasanlage in Bern genutzt. In Biogasanlagen entsteht eine Mischung aus Methan und CO2, in der Berner Anlage wird das Methan ins dortige Gasnetz eingespeist. Dafür muss das CO2 vorher abgetrennt werden.

 

Ein Vorteil davon: Das Kohlendioxid, das hier anfällt, ist sehr rein. Das unterscheidet es etwa von dem CO2 aus den Abgasen von Verbrennungsprozessen, das mit Stickstoff gemischt ist und daher zunächst aufwendig abgetrennt werden muss.

Da es sich um CO2 aus biologischen Quellen handelt, entstehen sogar sogenannte Negativemissionen: Das in der Biogasanlage anfallende Kohlendioxid enthält Kohlenstoff, der vorher von Pflanzen aus der Luft gefiltert wurde.

Das CO2 aus der Biogasanlage wird anschließend verflüssigt und in standardisierte Container, sogenannte Isotainer, gefüllt. Die Isotainer werden dann zunächst per Lkw und anschließend mit der Bahn nach Rotterdam transportiert. Von dort gelangen sie via Schiff nach Island.

Eine Frage, die man sich bei einem solchen Projekt unweigerlich stellt, ist die, ob das den Aufwand gerechtfertigt – und wie viele Emissionen eigentlich durch den Transport und die ganze Infrastruktur entstehen.

Deutsche Kohlekraftwerke stören die Klimabilanz

Marco Mazzotti, Professor an der ETH Zürich und Leiter des Demoupcarma-Projekts, sagt hierzu im Gespräch, dass er die Antwort auch nicht kenne – "aber das ist es, was wir herausfinden wollen". Mazzotti hofft, dass am Ende in Bezug auf die Emissionen eine Effizienz von 80 Prozent erreicht werden kann – sprich: Für jede Tonne CO2, die nach Island transportiert wird, entstehen etwa 200 Kilogramm Emissionen durch die Infrastruktur und den Transport.

Die meisten Emissionen entstehen durch den Zug- und Schiffstransport. Negativ für die CO2-Bilanz ist hier laut Mazzotti ganz wesentlich die Fahrt durch Deutschland – mit einem Strommix, der immer noch viel Strom aus Kohlekraftwerken enthält.

 

Natürlich wird der Transport mit dem Zug langfristig klimafreundlicher – je mehr die Länder, die durchquert werden, ihre Stromversorgung auf sauberere Quellen umstellen. Auch beim Schiffstransport ist das denkbar. Carbfix spricht davon, dass Kohlendioxid künftig mit Schiffen angeliefert werden könnte, die mit grünem Methanol angetrieben werden. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es allerdings noch nicht.

CO2-Tankschiffe und -Pipelines

Das Demoupcarma-Projekt strebt zunächst an, 1.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr nach Island zu verschiffen. Ein Container transportiert 20 Tonnen, das bedeutet, dass 50 Transporte im Jahr nötig sind, im Schnitt also etwa ein Container pro Woche geliefert wird.

Will man allerdings größere Mengen an Kohlendioxid liefern, werden die Dimensionen schnell gigantisch. Für ein Zementwerk mit Jahresemissionen von 500.000 Tonnen CO2 – ein realistischer Wert – würde die Zahl der jährlich nötigen Containertransporte 25.000 im Jahr betragen.

Ob die Container allerdings dauerhaft die richtige Lösung sind, ist offen. Effizienter wären wohl Pipelines an Land und spezielle CO2-Tanker für den Seeweg. Bislang gibt es solche Kohlendioxid-Transportschiffe nicht, aber mehrere Firmen arbeiten daran.

Das norwegische Northern-Lights-Projekt gab kürzlich den Baubeginn seiner CO2-Schiffe in einer chinesischen Werft bekannt. Carbfix kooperiert mit einer Firma aus Dänemark namens Dan‑Unity, die plant, Kohlendioxid-Schiffe mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen pro Ladung zu bauen. Damit könnte man die 500.000 Tonnen aus dem Zementwerk mit etwa 20 Ladungen transportieren.

Die Schweiz verursacht heute etwa 37 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Marco Mazzotti geht davon aus, dass am Ende etwa zehn Millionen Tonnen CO2 entsorgt werden müssen. Er vergleicht es damit, dass die Schweiz heute etwa zwölf Millionen Tonnen Öl importiert. Auch das wird in Zügen und Tanklastern transportiert. Will sagen: Es ist zwar viel, aber machbar.

Die ersten Container des Schweizer Projekts trafen bereits in Island ein. Dabei stieß man aber auf unerwartete Probleme. Wie einem Projektbericht zu entnehmen ist, hatten die isländischen Behörden zunächst Schwierigkeiten zu entscheiden, wie sie mit den Importen umgehen sollen und unter welche Gesetze und Regulierungen das Ganze fällt. Das führte dazu, dass die Container einige Zeit nicht weitertransportiert werden durften.

Finanzierung durch Fördergelder und EU-Emissionshandel

Island hat die CCS-Richtlinie der EU in eigenes Recht umgesetzt. Die Richtlinie greift allerdings erst bei CO2-Importen von mehr als 100.000 Tonnen. Für die isländische Umweltbehörde war die Frage, ob es sich bei den Importen um Chemikalien oder um Abfall handelt – beides ist in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Letztendlich entschied man sich, es aber von der Abfallregulierung auszunehmen, da es sich um ein Forschungsprojekt handelt.

Mit Schweizer Kohlendioxid gefüllte Container in Island. (Bild: Hanno Böck)

Diese Episode zeigt vor allem eines: Mit dem internationalen Transport von Kohlendioxid betreten die Forscher auch regulatorisches Neuland. Denn Pläne für solche internationalen CCS-Großprojekte gibt es zwar schon länger, umgesetzt wurden sie aber bislang nicht.

Die Firma Carbfix hat Pläne, den CO2-Import deutlich auszuweiten. In Island soll ein eigenes Schiffsterminal für CO2-Tankschiffe entstehen. Das Projekt, das den Namen Coda Terminal trägt, hat von der Europäischen Union großzügige Förderzusagen erhalten. Im Rahmen des EU‑Innovationsfonds, der Klimaschutz-Großprojekte finanziert, sollen 115 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Neben der Finanzierung über Fördergelder baut Carbfix darauf, dass die Verschärfungen im europäischen Emissionshandel dazu führen, dass es für Industriebetriebe in der EU finanziell immer unattraktiver wird, ihr CO2 einfach in die Luft zu blasen. Gerade für Branchen wie die Zementindustrie, für die es keine einfachen Alternativen gibt, könnte der CO2-Transport nach Island eine Option sein.

Im Jahr 2026 soll laut Carbfix das erste CO2-Schiff einsatzfähig sein und 500.000 Tonnen im Jahr anliefern. 2031 sollen es dann bereits fünf Schiffe und drei Millionen Tonnen sein.

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