Sie habe versprochen, beim Klimaschutz künftig mutiger zu sein, erzählten die Klimaaktivistinnen von Fridays for Future nach ihrem Treffen mit der Kanzlerin letzte Woche. Beim Tempolimit hat Merkel die Mutprobe schon mal nicht bestanden. Man möchte fast vermuten, dass das Problem gar nicht am Mutmangel liegt.
Der Klimawandel verändert zunehmend unser Alltagsleben, alle können es spüren. Doch die Politik in Deutschland hat die Dringlichkeit des Problems nur in der Theorie erkannt.
Mit dem nun beschlossenen Kohleausstieg verpasst die Bundesregierung die Chance, den jahrzehntelangen gesellschaftlichen Konflikt um die Kohle wirklich zu befrieden.
In Vorzeigerunden mit Umweltverbänden gibt sich die IG Metall gern grün angehaucht. In der Praxis bleibt davon bei der verkappten Autogewerkschaft nichts übrig, wie die Debatte um die verhinderte Kaufprämie für fossile Verbrenner-Pkw zeigt.
Keine Kaufprämie für Verbrenner: Die Autoindustrie kann nicht mehr einfach durchregieren wie bisher, zeigt das Konjunkturpaket der Bundesregierung. Gefördert wird die Branche trotzdem. Eine Mobilitätsprämie, von der nicht nur Autokäufer profitieren, wäre fürs Klima besser gewesen.
Der wirtschaftliche Neustart nach der Pandemie muss auch einer in der Klimapolitik werden. Beim Petersberger Klimadialog forderte Bundeskanzlerin Merkel, Konjunkturprogramme müssten dem Klimaschutz dienen. Nehmen wir sie ab sofort beim Wort.
Die Verkehrspolitik in Deutschland versagt klimapolitisch seit Jahrzehnten und steht fürs Zieljahr 2030 ordentlich unter Druck. Da ist es günstig, eine Studie heranrollen zu lassen, die jede Menge schlecht rechnender Autofahrer ausfindig macht.
Wenn die Bundesregierung 80.000 Erntehelfer einfliegen lässt, kann sie auf einmal beim Gesundheitsschutz beide Augen zudrücken. Auch für "saisonalen und regionalen", angeblich klimafreundlichen Spargel.
Die Coronakrise verzögert auch das Fortkommen der Klimadiplomatie: Die nächste Weltklimakonferenz muss verschoben werden. Das geht jetzt nicht anders – sollte aber für einen "Green Deal" nach Corona genutzt werden.
Bei der Coronakrise hat die Politik viel Zeit verloren mit Abwägen und Auf-Sicht-Fahren, jetzt vollzieht sie die Vollbremsung. Für die Klimakrise ist das kein gutes Vorbild.
Endlich sinken Deutschlands Treibhausgas-Emissionen mal nicht nur, weil es zu warm zum Heizen war, sondern wegen der erneuerbaren Energien. Die Bundesregierung kann sich trotzdem nicht zurücklehnen, denn klimapolitisch produziert sie Stillstand.
Wenn die Corona-Krise eins lehrt: Bei großen, die gesamte Gesellschaft bedrohenden Gefahren kann die Politik radikale Maßnahmen ergreifen. Warum soll das ausgerechnet bei der Klimakrise nicht auch gelten?
Umweltschützer sollten das Klimapaket der Bundesregierung wegen einiger fehlender Prozente zum Klimaziel nicht gleich verdammen, bemängeln Kommentatoren. Tatsächlich gehören die Gutachten, die die Lücke aufzeigen, schon zum Altpapier. Denn für den nötigen Beitrag zum Paris-Ziel reicht das Klimapaket ohnehin nicht aus.
Wieder richtet sich der Blick auf ein Fernziel: Die Europäische Union will 2050 klimaneutral sein. Viel entscheidender für den Klimaschutz ist, was in dieser Dekade passiert. Dazu hat das heute vorgelegte EU-Klimagesetz herzlich wenig zu bieten.
Wirtschaftsminister Altmaier wird beinahe dafür gefeiert, dass er sich bei den Mindestabständen für die Windkraft bewegt. Das aber ist eigentlich so selbstverständlich, wie es auch die Aufhebung des Solardeckels wäre. Derzeit stellt sich die Energiepolitik selbst ein Armutszeugnis aus.
Großbritannien hat die EU nun also verlassen. In der Debatte über die möglichen Folgen des Brexit sind die klimapolitischen Konsequenzen bislang kaum beachtet worden. Höchste Zeit, dass sich das ändert.
Die Nachrichtenagentur AP hat in einem Foto die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate weggeschnitten, sodass darauf nur noch vier europäische Fridays-for-Future-Vertreterinnen zu sehen waren. Der Fall macht deutlich, wie der Klimawandel mit den anderen Gerechtigkeitskrisen auf der Welt verwoben ist.
Der Kohlekompromiss ist tot. Umweltverbände und Wissenschaftler sind zu Recht sauer, denn es ist die Politik, die in wesentlichen Punkten davon abweicht. Damit ist klar, wer die Verantwortung trägt, wenn nun die Anti-Kohle-Proteste wieder aufleben.
Der Kohle-Ausstiegspfad der Bundesregierung verläuft nicht wie in der Kohlekommission vereinbart kontinuierlich, sondern gedrängt in den 2030er Jahren. Damit wiederholt die Regierung den Fehler vom Atomausstieg und verschiebt die Energiewende teuer in die Zukunft.