Einige Arbeiter am Endmontage-Fließband für den 3er BMW in Leipzig.
Die IG Metall ist in der Autoindustrie stark – in der Windbranche weniger. (Foto: BMW/​Wikimedia Commons)

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sollte mal in seine Schublade schauen. Da liegt, abgelegt im Juli 2019, ein Eckpunkte-Papier mit dem schönen Titel "Die Klima- und Mobilitätswende gestalten".

Schön an dem Papier ist: Es trägt nicht nur die Logos der beiden großen Umweltverbände Nabu und BUND, sondern auch das der mächtigsten deutschen Gewerkschaft, der IG Metall, und ihrer "Fairwandel"-Initiative.

Auch an schönen Worten fehlt es in dem Papier nicht: "Uns eint die Überzeugung, dass Klimaschutz nur mit einer erfolgreichen Energie- und Mobilitätswende gelingt." Oder: "Nach Jahren des Zögerns und Zauderns müssen wir jetzt das Tempo deutlich erhöhen." Gemeint ist das bei der Verkehrswende.

Die IG Metall versäumt es dabei nicht, die eigene Branche ausgiebig zu loben. Große Teile der Autoindustrie hätten "endlich den Hochlauf der E-Mobilität in Angriff genommen". Allerdings sei das nicht das Verdienst der Autobosse. Den Hochlauf hätten "Vertrauensleute und Betriebsräte" – der IG Metall natürlich – durchsetzen müssen. Das musste doch mal gesagt werden!

Auch auf der begleitenden Website zum "Fairwandel" versprüht IG-Metall-Chef Hofmann grüne Gedanken. Die nötigen Maßnahmen zum Erreichen der nationalen Klimaziele lägen doch auf der Hand: Ausbau der flächendeckenden E-Ladeinfrastruktur, Milliarden zum Erhalt und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie für eine klimafreundlichere Güterlogistik.

Von einer Kaufprämie für "emissionsarme" Benzin- und Diesel-Pkw war vor Jahresfrist nicht die Rede. Warum auch? Die deutschen Hersteller verdienten prächtig an ihren SUVs, China kaufte ihnen die Fließbänder leer und die Bundesregierung sorgte dafür, dass die EU bei den Emissionsgrenzen beide Augen zudrückte. Da konnte man sich auch schöne Eckpunkte-Papiere leisten.

Mit der Corona-Krise allerdings blättert der grüne Metallanstrich schneller ab als Autolack im Säurebad. Die Klima- und Mobilitätswende gestalten? Kein Wort dazu jetzt vom IG-Metall-Boss. Dafür arbeitet sich Hofmann in einem Zeitungsinterview an der SPD-Spitze ab.

Auto-Kaufprämien als Schutzwall gegen die AfD?

Diese habe eine Kaufprämie für "schadstoffarme" Diesel und Benziner im Konjunkturpaket verhindert, wirft Hofmann den Genossen vor. Auch würden Aussagen wie "Kein Cent für Benziner und Diesel" zu einem massiven Vertrauensverlust bei den Beschäftigten der Autoindustrie und angrenzender Branchen gegenüber der Sozialdemokratie führen.

Und wie die CDU beim Windkraft-Abstand und die Kohlegewerkschaft IG BCE beim Kohleausstieg greift auch der IG-Metall-Chef zum Pappkameraden namens AfD. "Vor den Werkstoren demonstriert die AfD für den Diesel", so Hofmann wörtlich.

Kaufprämien für fossile (deutsche) Autos wären so gesehen eine Art Halteprämie gewesen, damit Metaller nicht zu den Rechtspopulisten überlaufen. Das hat schon bei der Windkraft und beim Kohleausstieg nicht funktioniert – aus dem einfachen Grund, dass es zwischen dem Aufkommen der AfD und den gesellschaftlichen Vorgängen eben keinen direkten Zusammenhang gibt, auch wenn Hofmann das glauben machen will.

Eher zeigt der Vorgang, dass die Autogewerkschaft IG Metall mit einer wirklichen Verkehrswende nicht viel anfangen kann. Aus dem gedanklichen Ghetto – individuelle Mobilität gleich Auto gleich deutsches Premiumprodukt – hat sich die Gewerkschaft bisher nicht befreien können.

Höhere Umweltsteuern und gekürzte Autosubventionen sind denn auch Hofmann ein Gräuel. Bei der gemeinsamen Vorstellung der Eckpunkte mit den Umweltverbänden vor einem Jahr wetterte Hofmann denn auch in bester FDP-Manier gegen den CO2-Preis (Klimareporter° berichtete). Damit habe man "einen rosaroten Elefanten im Schaufenster stehen", sinnierte der IG-Metall-Chef. Das Ganze sei ein "Riesenablenkungsmanöver".

Ein Ablenkungsmanöver – nichts anderes ist jetzt Hofmanns Angriff gegen die SPD-Spitze. Das jahrzehntealte Prinzip, laut dem es der IG Metall gut geht, wenn es der deutschen Autoindustrie gut geht, hat sich überlebt. Diese Gewerkschaft neu zu lackieren reicht nicht – sie braucht einen ökologischen Kulturwandel.

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