Nach dem Treffen der vier Klimaaktivistinnen um Greta Thunberg mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einer Woche wunderten sich einige, warum die Vier relativ zugeknöpft über das Anderthalbstunden-Gespräch berichteten. Als wirkliche News blieb nur das Zitat hängen, Merkel habe versprochen, "zu versuchen, mutiger zu sein".
Heute bei ihrer Sommerpressekonferenz hätte Merkel es versuchen können, mutig zu sein. Zum Beispiel bei einem bundesweiten Tempolimit.
Dieses spart, je nach Geschwindigkeitsgrenze, ganz ohne Kosten mehrere Millionen Tonnen CO2 ein, und das auch noch im Bereich des Klima-Sorgenkinds Verkehr. Der hat seine CO2-Emissionen seit 1990 praktisch um null Gramm verringert.
Das Tempolimit verringert auch die Zahl schwerer Unfälle und damit die der Verkehrstoten deutlich. Es macht zudem die Straßen durchlässiger. Ein Tempolimit weist auch in die automobile Zukunft, denn Elektroautos kommen im Eco-Modus mit Tempo 100 am weitesten ohne Tankstopp. Und automatisierte Autos lieben ohnehin das gemächliche Dahingleiten. Die künstliche Intelligenz ist keine Raserin.
Nicht zuletzt befürworteten im Februar dieses Jahres fast 60 Prozent der befragten Deutschen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern, nur noch 33 Prozent lehnen es ab. Die Mehrheit der Bevölkerung ist also inzwischen – wie übrigens auch der ADAC – für ein Tempolimit.
Die Kanzlerin stellte sich heute aber mutig hinter die Minderheit und erklärte im besten Rasersprech: Sie sei der Meinung, dass die "heute ja gängigen, angepassten Geschwindigkeiten, die auch sehr variieren können mit der Tageszeit, ausreichen, um vernünftigen Verkehrsfluss hinzubekommen".
Stimmt – diejenigen, die den Gasfuß immer aufs Bodenblech durchdrücken, halten Tempo 180 oder 200 stets für eine sehr angepasste Geschwindigkeit ihrer Boliden.
Das ganze Klimagedöns
Um ein paar Worte zum Klimaschutz war die Kanzlerin auch nicht verlegen: Die Anstrengungen gegen den Klimawandel werde man in den nächsten Jahren eher beschleunigen als verlangsamen, sagte sie. Und sie, Merkel, hoffe, dass auch für CO2-Emissionen aus Mobilität und Heizungen ein EU-weiter Zertifikatehandel eingeführt werde.
Die Hoffnung, dass Deutschland dabei vorangeht, kann man getrost begraben. Denn ab 2021 gilt erstmal, mitbeschlossen von der Kanzlerin, bei Mobilität und Heizen ein nationaler Emissionshandel – womit der europaweite auf Jahre tot ist.
Wahrscheinlich geht das ganze Klimagedöns der Kanzlerin und den Spitzen der Koalition inzwischen auf die Nerven: Hat man nicht mit Kohleausstieg, Klimaschutzprogramm und Klimaneutralität bis 2050 alles Nötige getan? Und für die kommende Bundestagswahl gibt es aus ihrer Sicht weit wichtigere Themen: Anti-Corona, Wirtschaft und Arbeit.
Fridays for Future kann der Kanzlerin dennoch dankbar sein. Mit dem heutigen Tag ist nach einer Zeit der Irritationen wieder glasklar, dass die Kanzlerin – trotz physikalischem Verständnis qua Studium – keine heimliche FFF-Sympathisatin ist. Merkel fehlt es nicht an Mut, sondern an Willen.