In fünf Sekunden brach letzte Woche in Spanien und Portugal das Stromnetz zusammen – ein Blackout für mehr als 50 Millionen Menschen. Das Ausnahmeereignis liefert der deutschen Solarindustrie auch neue Argumente, um Haushalten den Kauf privater Stromspeicher nahezulegen.
Zwar sei ein großflächiger Stromausfall zum Glück in Deutschland unwahrscheinlich, räumt Priwatt, ein Anbieter von Balkonkraftwerken, ein. Zugleich wirbt das Leipziger Unternehmen aber für seinen von einer Partnerfirma bezogenen "Speicher mit integrierter Steckdose". Dieser mache "in Krisensituationen den Unterschied", insistiert Priwatt.
Ansonsten gibt sich die Solarbranche beim Spanien-Thema zugeknöpft. Die These, für den Blackout sei möglicherweise ein Überangebot an Photovoltaik-Strom verantwortlich, sei "sehr unwahrscheinlich" und lasse sich nicht belegen, zitiert Carsten Körnig am Mittwoch Einschätzungen aus der wissenschaftlichen Welt.
Körnig, Chef des Branchenverbandes BSW Solar, verweist anlässlich der laufenden Messe Intersolar in München ebenfalls darauf, dass ein ähnlicher Zusammenbruch des Stromnetzes hierzulande "sehr unwahrscheinlich" sei. Im Unterschied zu Spanien verfüge Deutschland über viel mehr Stromkuppelstellen zu den Nachbarländern.
Um sich mit solchen Fragen zu befassen, brauche die Solarbranche auch keinen Blackout in Spanien, gibt Körnig weiter zu verstehen. Eine Vorsorgemaßnahme kann die Branche auf jeden Fall für sich reklamieren: Sie befindet sich im Speicherfieber.
Vier von fünf solaren Eigenheimbesitzern legen sich Speicher zu
In Deutschland wurde kürzlich der zweimillionste Solarstromspeicher in Betrieb genommen, hatte der BSW Solar vor Messebeginn bekannt gegeben. Allein 2024 wuchs der Bestand um rund 600.000 neue Solarbatterien. "Bei den Speichern kommt jetzt richtig Schwung in den Markt", umreißt Carsten Körnig am Mittwoch die Marktentwicklung.
Über 80 Prozent der Eigenheimbesitzer, die sich eine Solaranlage zulegten, bauten sich zugleich einen Speicher ein – dies sei inzwischen Standard, zählt Körnig auf. Auch werde in rund 40 Prozent der Eigenheime zugleich eine Wallbox zum Laden des Elektroautos oder eine Wärmepumpe eingebaut.

Die Branche selbst spricht hier inzwischen gar von einem solaren "Dreamteam" aus eigener Photovoltaik, Speicher, E‑Auto mit Wallbox sowie Wärmepumpe.
Für die Rentabilität des "Teams" ist die Quote des Strom-Eigenverbrauchs wichtig. Das betont auch Körnig und verweist auf neuere Untersuchungen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Die HTW-Ergebnisse zeigen: Mit einer Kombination aus Photovoltaik, Speicher und E‑Auto lassen sich durchschnittlich 70 Prozent des häuslichen Strombedarfs decken, abhängig von der Größe der Solaranlage. Kommt eine Wärmepumpe hinzu, beträgt der Selbstversorgungsgrad nach den Angaben im Schnitt knapp 60 Prozent.
Die Speicherkapazität aller stationären Batterien in Deutschland – großen wie kleinen – beträgt inzwischen laut BSW Solar 20 Gigawattstunden. Allein im ersten Quartal dieses Jahres kamen über 1,7 Gigawattstunden hinzu – ein Zuwachs von rund 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Eigenverbrauch und Netzdienlichkeit sind entscheidend
Für ein klimaneutrales Stromsystem müsste die Kapazität von Batteriespeichern inklusive mobiler Batterien, also auch denen in den E‑Autos, bis 2030 laut dem Fraunhofer-Institut ISE auf etwa 100 bis 150 Gigawattstunden wachsen. Eine Gigawattstunde sind eine Million Kilowattstunden.
Zuletzt ist besonders die Nachfrage nach Großspeichern der Megawattklasse gewachsen, die neben Solar- und Windparks errichtet werden, konstatiert der BSW Solar. Diese Großspeicher können erneuerbaren Strom nicht nur nutzen, wenn keine Sonne scheint oder kein Wind weht – sie vermeiden bei intelligenter Steuerung auch Kosten für den Ausbau der Stromnetze.
Photovoltaik in Deutschland
Gegenwärtig sind hierzulande 105.000 Megawatt Photovoltaik installiert, eine Verdopplung in nur fünf Jahren.
2024 lag der Zubau bei rund 17.500 Megawatt. Um das Ausbauziel für 2030 von 215.000 Megawatt zu erreichen, ist ein jährlicher Zuwachs von etwa 20.000 Megawatt nötig, weil zunehmend auch alte Anlagen außer Betrieb gehen.
2014 teilte sich der Photovoltaik-Markt wie folgt auf: 38 Prozent Dachanlagen unter 30 Kilowatt, 22 Prozent Dachanlagen über 30 Kilowatt, davon zwei Prozent ungefördert; 38 Prozent Freiflächenanlagen, davon elf Prozent ungefördert; zwei Prozent Steckersolargeräte.
Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz geförderte Freiflächen-Photovoltaik erhielt in den letzten beiden Jahren eine Einspeisevergütung von 4,5 bis 5,25 Cent je Kilowattstunde.
Von den zwei Millionen Batteriespeichern mit insgesamt 20.000 Gigawattstunden (GWh) Kapazität entfallen auf Heimspeicher (bis 20 Kilowattstunden) 15,4 GWh, auf Gewerbespeicher (bis 1.000 Kilowattstunden) 1,4 GWh und auf Großspeicher (darüber) 2,2 GWh.
Die Photovoltaikbranche beschäftigt dauerhaft 120.000 Menschen, davon 104.000 im Photovoltaik- und 16.000 im Speicherbereich.
Megawatt-Speicher nützen dem Klima tatsächlich dann, wenn sie Wind- oder Solarstrom, der wegen Überlastung des Netzes abgeregelt werden müsste, "aufheben" und später ins Netz einspeisen, wobei sie fossilen Strom verdrängen.
Im Heimbereich dagegen senken Speicher die CO2-Emissionen vor allem dann, wenn sie den Verbrauch des selbst erzeugten Ökostroms erhöhen. Dieser Eigenverbrauchs-Anteil steigt bei Heimspeichern im Schnitt um ein Drittel, ergaben ebenfalls von der HTW Berlin durchgeführte Tests. Dann bezieht der Haushalt weniger fossilen Netzstrom. Dieser Effekt wird allerdings mit steigendem Anteil von Ökostrom im Netz schwächer.
Zu berücksichtigen ist auch: Kleine wie große Speicher verursachen bei Herstellung und Installation selbst jede Menge CO2-Emissionen. Konkrete Studien dazu gibt es für Deutschland aber bisher nicht. Der Speicherverband BVES nennt auf Nachfrage für den "CO2-Rucksack" von Batterien Werte von 60 bis 100 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde Speicherkapazität.
Nachlass bei Netzentgelten und Anschlusskosten gefordert
Wie nützlich Speicher für Energiewende und Klima sind, hängt nach Einschätzung des BSW Solar von ihrer Netzdienlichkeit ab. Es komme auf das "intelligente Zusammenspiel" aller Elemente der Energiewende an, betont Carsten Körnig. Hier erwartet der Verband von der neuen Bundesregierung keinen generellen Richtungswechsel – aber ein paar Baustellen gebe es schon, meint Körnig.
Um das Ausbautempo gerade bei den Großspeichern weiter zu erhöhen, fordert die Solarbranche eine baurechtliche Privilegierung für Batteriespeicher sowie klare energiewirtschaftliche Anreize. Mit Letzterem sind vor allem Nachlässe bei den Netzentgelten und Anschlusskosten im Falle einer systemdienlichen Fahrweise gemeint. Die neue Bundesregierung soll sich auch um den im sogenannten Solarspitzengesetz beschlossenen flexiblen Betrieb von Batteriespeichern kümmern.
Zudem müsse die Digitalisierung des Stromsystems vorangetrieben werden. Manche der 800 Verteilnetzbetreiber würden wohl noch mit Faxgeräten arbeiten, merkt Körnig mit ironischem Unterton an.
Die derzeit 20 Gigawattstunden Kapazität großer und kleiner Batterien in Deutschland reichen nach Branchenangaben rechnerisch aus, um den täglichen privaten Stromverbrauch von etwa zwei bis vier Millionen Zwei-Personen-Haushalten zu speichern, je nach Elektrifizierungsgrad des Haushalts.
Statistisch gesehen gibt es hierzulande rund 40 Millionen Haushalte, in denen im Schnitt zwei Personen leben. Da lässt sich leicht überschlagen, wie viele Haushalte bei einem flächendeckenden Blackout trotz des Batteriebooms im Dunkeln säßen.