Die Antwort der Deutschen Bahn zu Punkt eins des Fragenkatalogs kann sich sehen lassen: Wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Quellen am Strombedarf der Bahn im Jahr 2019? Genau 61,1 Prozent.
Viel mehr erfuhr die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei ihrer kürzlichen Ökostrom-Umfrage jedoch nicht von Deutschlands größtem Verkehrsunternehmen.
Wie viel von dem Bahn-Ökostrom stammt aus eigenen Anlagen? Keine Angabe.
Welchen Anteil hat bei der DB Ökostrom aus sogenannten PPA-Verträgen? Keine Angabe. (Bei PPA kaufen Unternehmen den Ökostrom direkt aus Anlagen, die nicht oder nicht mehr über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden.)
Und wie groß ist der Anteil an Bahn-Ökostrom, der mittels eingekaufter Herkunftsnachweise aus "grauem" Börsenstrom in Grünstrom verwandelt wird? Auch hier keine Angabe vom DB-Konzern.
Genauso "auskunftsfreudig" zeigt sich die Bahn auch Medien gegenüber. Nähere Angaben sind zum DB-Ökostrom nicht in Erfahrung zu bringen. Das hindert die Bahn allerdings nicht, sich als Klimaschutz-Vorreiterin zu präsentieren. Bis 2040 will sie klimaneutral werden, sogar fünf Jahre früher als Deutschland.
Zugutehalten muss man der DB: Sie antwortete wenigstens noch auf die Anfrage der Umwelthilfe. Insgesamt 66 der größten Stromverbraucher in Deutschland hatte die Umweltorganisation gefragt, woher sie ihren Ökostrom beziehen. Am Ende meldeten sich 19 Unternehmen zurück, wie die DUH jetzt mitteilte.
Von den 19 betreiben zwölf auch eigene erneuerbare Stromerzeugungsanlagen. Sieben haben direkte Bezugsverträge – ebenjene PPA – mit inländischen Grünstrom-Anlagen abgeschlossen. Neun Unternehmen nutzen zudem Herkunftsnachweise – alles nach eigener Auskunft.
Wer genau wie geantwortet hat und welche großen Markennamen dabei sind, die sich als besonders "öko" darstellen, lässt sich in einer von der DUH herausgegebenen Broschüre nachlesen.
DUH vermutet Greenwashing in großem Stil
Obwohl nicht einmal jedes dritte Unternehmen antwortete, hält DUH-Energieexperte Constantin Zerger die Ergebnisse für "sehr aussagekräftig".
Enttäuschend sind aus Sicht der Umwelthilfe zunächst die geringen Mengen echten Ökostroms selbst bei den Unternehmen, die geantwortet haben. Auch sie beschafften sich im Durchschnitt die dreifache Menge Strom per Herkunftsnachweis, verglichen mit der Menge selbst produzierten oder direkt bezogenen Ökostroms.
Zerger geht davon aus, dass die meisten Firmen, die nicht antworteten, in großem Stil Herkunftsnachweise einsetzen, um Strom grün einzufärben. "Wer mit seinem grünen Ökostrom-Portfolio wirbt und ambitionierte Ökostromanteile anstrebt, sollte eine solche Umfrage mit Leichtigkeit beantworten können", sagte er. Dass die meisten Unternehmen keine oder kaum auswertbare Daten geliefert hätten, erwecke den Verdacht, dass sie etwas zu verbergen haben.
Ein weiteres Indiz für Greenwashing in großem Stil sind für den Experten die 100 Milliarden Kilowattstunden Strom, für die in Deutschland Jahr für Jahr laut dem buchführenden Umweltbundesamt Herkunftsnachweise eingelöst werden. "Die müssen ja irgendwo im deutschen Markt bleiben", argumentiert Zerger.
Die allermeisten in Deutschland eingelösten Herkunftsnachweise stammen aus dem Ausland, vorzugsweise aus Skandinavien. Die Länder nutzen ihren Ökostrom selbst, verkaufen aber die Herkunftsnachweise – möglich ist das, weil die Nachweise vom Strom getrennt gehandelt werden dürfen.
Dabei ist in Deutschland eigentlich viel Ökostrom verfügbar. Im Jahr 2019, auf das sich die Umfrage bezieht, wurden hierzulande knapp 240 Milliarden Kilowattstunden Grünstrom erzeugt.
Der Löwenanteil dieses Stroms ist allerdings EEG-gefördert und kann rechtlich nicht als echter Ökostrom vermarktet werden. Diese deutsche Besonderheit erzeugt eine enorme Nachfrage nach Herkunftsnachweisen.
Um diese unbefriedigende Situation aufzulösen, schlagen Ökostromanbieter wie Lichtblick vor, dass künftig auch EEG-Strom Herkunftsnachweise generieren und als echter Ökostrom vermarktet werden kann.
"Echten Ökostrom gibt es nur mit Investitionen in echte Anlagen"
DUH-Experte Zerger spricht sich gegen diese Idee aus. EEG-Anlagen ihren Strom direkt vermarkten zu lassen – ob mit oder ohne begleitenden Herkunftsnachweis –, sei "sehr ambivalent".
Zwar wäre das eine, wie er sagt, "pragmatische Verbesserung" gegenüber dem Status quo. Andererseits hält Zerger auch den Grund für stichhaltig, weswegen EEG-Strom nicht direkt als Ökostrom vermarktet werden darf.
Denn wäre das möglich, könnten sich die Unternehmen mit günstig eingekauftem Ökostrom schmücken, der aber – per EEG-Umlage – bereits vor allem von den privaten Haushalten bezahlt wurde. Die Umwelthilfe schlägt deshalb vor, nur noch eine gemeinsame Vermarktung von Strom und Herkunftsnachweisen zuzulassen, eine sogenannte "gekoppelte Lieferung".
Das würde den Zustand beenden, dass die Unternehmen ihre hochtönenden Öko-Ziele erfüllen können, ohne sich groß anzustrengen, hofft Zerger.
Und es würde sie auch mehr kosten. Denn zurzeit ist die Variante Börsen-Graustrom plus Herkunftsnachweis unschlagbar preiswert – die Herkunftsnachweise kosten laut DUH zwischen 15 Cent und zwei Euro pro Megawattstunde.
Bei "gekoppelter Lieferung" liefe die Ökostrom-Beschaffung vermutlich so: Das an Ökostrom interessierte Unternehmen sucht sich eine EEG-Anlage aus, müsste von dort den Strom direkt abnehmen und mindestens die gleichen Konditionen bieten, die die Anlage bei der EEG-Förderung hat.
Die Anlage müsste praktisch "aus dem EEG herausgekauft" werden. Zerger: "Die Erfüllung der eigenen Ökoziele würde auf einmal viel teurer werden."
Für den DUH-Experten ist das aber nur folgerichtig. "Wenn die Unternehmen echte Ökostromziele voranbringen wollen, müssen sie eben auch auf die eine oder andere Weise in echte erneuerbare Anlagen investieren – ob das nun eigene sind oder der Bezug über PPA." Die Zeit des billigen Greenwashings wäre dann vorbei.
Von der nächsten Bundesregierung fordert die Deutsche Umwelthilfe, die Umetikettierung konventionellen Stroms zu untersagen. Diese Praxis bremse die Energiewende in Deutschland durch ausbleibende Investitionen regelrecht aus, meint Zerger. "Das derzeitige Marketing vieler Unternehmen mit hohen Ökostromzielen basiert auf einer Trickserei und wirkt sich nicht auf die Erfüllung der Klimaziele aus."
Sein Credo: Lieber niedrigere Ziele, die ehrlich sind und auch Wirkung zeigen.