Hier ist ein ICE zu sehen, der gerade aus dem Bahnhof fährt
Leuchte der E-Mobilität: Die Bahn möchte Grünstrom-Vorbild sein, bleibt aber den Nachweis schuldig. (Foto: Erich Westendarp/​Pixabay)

"Bahnstrommix wird noch grüner" – so überschrieb die Deutsche Bahn kürzlich ihre Mitteilung, sie habe mit dem Energiekonzern RWE einen Liefervertrag über 190.000 Megawattstunden aus dem Offshore-Windpark Amrumbank West vor Helgoland abgeschlossen.

Mit dem Ergrünen dauert es aber noch bis 2025. Dann fallen weitere Teile des Windparks aus der EEG-Förderung. Damit kann der dort erzeugte Strom als "echter" Grünstrom frei vermarktet werden. Allein an dem ist die Bahn interessiert und hat sich die Strommengen über einen sogenannten PPA-Vertrag gesichert.

Bereits im vergangenen Herbst hatten die Bahn und der Windparkeigentümer ebenfalls per PPA eine Lieferung von 260.000 Megawattstunden vereinbart – ab dem Jahr 2024.

Letztes Jahr speiste der gesamte RWE-Windpark nach vorliegenden Angaben etwas mehr als eine Million Megawattstunden Strom ins Netz ein. Mit den jetzt vereinbarten weiteren 190.000 bezieht die Deutsche Bahn dann ab 2025 rund 450.000 Megawattstunden im Jahr. Dann wird der Offshore-Windpark also fast zur Hälfte allein für die Bahn laufen.

Mit den Verträgen bringe das Unternehmen "den noch jungen deutschen PPA-Markt voran", meint DB-Energie-Chef Torsten Schein. Da wäre es interessant zu erfahren, welche Preisregelung für den künftig zu liefernden Windstrom vereinbart worden ist. Dazu teilen aber beide Vertragspartner auch auf Nachfrage nichts mit. "Zu Vertragsdetails geben wir grundsätzlich keine Auskunft", lässt ein DB-Sprecher wissen.

Dafür rechnet die Bahn in ihrer Windpark-Meldung bereitwillig vor, mit dem ab 2025 zu beziehenden Windstrom würden jährlich bis zu 153.000 Tonnen CO2 eingespart – "verglichen mit der Lieferung aus Kohlekraft".

Warum die DB hier den Vergleich mit Kohlestrom wählt und welche CO2-Intensität der fossilen Elektrizität dabei angenommen wird, ist ebenfalls nicht genau zu erfahren. "Es wurde der CO2-Faktor der neuesten Generation von Kohlekraftwerken in Deutschland gewählt", teilt der DB-Sprecher nur mit.

Ein neues modernes Kohlekraftwerk wie Datteln 4, von dem die DB dauerhaft eine Leistung von mehr als 400 Megawatt beziehen soll, erzeugt nach Behördenangaben rund 780 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Der deutsche Strommix hatte 2019 eine CO2-Intensität von rund 400 Gramm je Kilowattstunde – wählte die Deutsche Bahn diesen Maßstab, würde die künftige Einsparung auf 80.000 Tonnen CO2 zusammenschrumpfen.

Außerdem tritt die CO2-Reduktion ja erst in ein paar Jahren ein. So gesehen sind die rund 150.000 Tonnen ein schöngerechneter Wechsel auf die Zukunft.

Der "grüne" Strom der Bahn ist teilweise nur umetikettiert

Wie grün der Bahnstrom der DB wirklich ist, lässt sich nach wie vor nicht genau ergründen. Der jährliche Stromverbrauch der Deutschen Bahn beträgt etwa zehn Millionen Megawattstunden. Sammelt man diverse Meldungen der Bahn und der Versorger dazu ein, kommen als Ökostrom-Lieferungen unter anderem jährlich 900.000 Megawattstunden seit 2011 aus einstigen Innogy-Wasserkraftwerken zusammen.

Diese Wasserkraftwerke gehören heute nach Auflösung von Innogy direkt zu RWE. Der Essener Konzern teilte letztes Jahr mit, seit 2014 lieferten RWE-Wasserkraftwerke jährlich rund 880.000 Megawattstunden grünen Strom an die Bahn. Sind das möglicherweise dieselben wie zuvor bei Innogy?

Außerdem hatte RWE 2019 mit der Deutschen Bahn einen weiteren Liefervertrag für Strom aus dem Windpark Nordsee Ost abgeschlossen – da geht es ebenfalls um Lieferungen ab 2024, aber nur um eine vergleichsweise geringe Leistung von 25 Megawatt. Die Bahn verkündet in ihrem Geschäftsbericht für 2020, mit drei neuen Verträgen im Umfang von rund 780.000 Megawattstunden habe sie sich Grünstrom für die kommenden Jahre gesichert.

"Echten" Grünstrom für die Bahn liefern nach DB-Angaben Wasserkraftwerke an Rhein, Mosel, Ruhr, Main, Donau, Lech, Isar, Inn und vom Edersee. Viele davon trugen früher das Firmenzeichen Innogy – und jetzt also RWE. DB-Energie-Chef Torsten Schein: "Wasserkraft hat sich bei der Bahn seit über hundert Jahren bewährt. Bei Sonnenenergie und Windkraft sehen wir großes Ausbaupotenzial."

Grünstrom "erzeugt" die Bahn aber auch, indem sie Herkunftsnachweise (HKN) erwirbt, mit denen der teils fossile Graustrom per Zertifikat in grünen "umgewandelt" wird. Dies eingerechnet, gibt die Deutsche Bahn an, der von ihr genutzte Bahnstrom bestehe aktuell zu 61 Prozent aus erneuerbaren Energien. Das liege "weit über dem öffentlichen Grünstrommix von zurzeit unter 50 Prozent", behauptet die DB.

Der Vergleich ist nicht nur gewagt, sondern eigentlich nicht zulässig: Der Anteil des Ökostroms im öffentlichen Strommix beruht nicht darauf, dass teils fossiler Strom per Zertifikat in grünen verwandelt wird – vielmehr sind die knapp 50 Prozent reale Kilowattstunden, die aus inländischen erneuerbaren Quellen stammen. Wie hoch dieser reale Erneuerbaren-Anteil beim grünen Bahnstrom ist, dazu gibt es bis dato keine konkreten Angaben der DB.

Auch die Frage, ob sie ihren per Zertifikat aufgeblähten Grünstromanteil weiter dem tatsächlich eingespeisten erneuerbaren Strom im deutschen Netz gegenüberstellen will, beantwortet die Deutsche Bahn bisher nicht.

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