Windpark in offener Landschaft mit Raps- und anderen Feldern.
Den Stoff, um Windräder und Solarparks zu flankieren, können statt russischer Erdgasfelder auch heimische Rapsfelder liefern, sagt die Branche. (Foto: Silke Kleinhückelkotten/​SMiG/​BMBF)

Putins Krieg gegen die Ukraine hat eine neue Energiewährung geschaffen. Nicht mehr Megawatt oder Petajoule sind der Maßstab, sondern die Angabe, wie viele Prozentpunkte des Anteils von Erdöl, Erdgas oder Kohle aus Russland ersetzt werden können.

Ein weiteres Flüssigerdgas-Terminal in Stade ab 2026? Das könnte, wird flugs von der konventionellen Gasbranche umgerechnet, bis zu zehn Prozent des deutschen Gasbedarfs decken – und den russischen Erdgasanteil um eben zehn Prozentpunkte senken.

Das erste neue LNG-Terminal wird es frühestens in drei Jahren geben. Die Biogasbranche könnte dagegen praktisch aus dem Stand und mit vergleichbar geringem Aufwand fossile Importe aus Putins Reich ablösen – und das sogar noch aus heimischen Quellen.

Es sei gut, dass die Ampelkoalition mit ihrem angekündigten "Osterpaket" die Nutzung der erneuerbaren Energien unter ein überragendes öffentliches Interesse stellen wolle, freute sich denn auch Simone Peter, Präsidentin der Erneuerbaren-Verbandes BEE, Anfang der Woche bei einem Pressegespräch.

Dieses überragende Interesse spiegle sich aber in dem vom Wirtschaftsministerium entworfenen Gesetzeswerk "noch nicht in allen Unterstrichen" wider, schränkte Peter zugleich ein.

"Teurer geht Stromerzeugung kaum"

Für Unmut sorgt vor allem der gesetzgeberische Unterstrich, die Förderung von Biomasse künftig auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke zu konzentrieren. Biomethan dürfe künftig nur noch in hochflexiblen Kraftwerken eingesetzt werden, die höchstens an zehn Prozent der Stunden eines Jahres Strom erzeugen, erläutert der zum Osterpaket gehörende Entwurf eines neuen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

 

Des Weiteren soll für Biomethananlagen auch die bisherige Begrenzung der Förderung auf zehn Megawatt entfallen. Das interpretiert die Branche im Umkehrschluss so: Die Koalition bevorzuge künftig große Kraftwerke, sogar jenseits der 20-Megawatt-Grenze.

Diese sollen aber eben nicht, sagt der EEG-Entwurf, wie herkömmliche Biogasanlagen 5.000 bis 7.000 Stunden im Jahr Strom und Wärme erzeugen. Die gesetzlich avisierten zehn Prozent wären nur knapp 900 Stunden, in denen die neuen großen Biomethan-Spitzenlastkraftwerke höchstens laufen dürfen.

Viel teurer kann man Strom kaum erzeugen, meint die Biogasbranche kopfschüttelnd. Der EEG-Entwurf hänge damit den auf der grünen Wiese neu errichteten handelsüblichen Erdgasturbinen nur ein grünes Mäntelchen um, indem diese in den wenigen Stunden Betriebszeit auch noch Biomethan verfeuern dürfen.

Es kursiert die Vermutung, das Ministerium habe nur mit den großen Herstellern der herkömmlichen Gasturbinen gesprochen. Die aber können eine spätere Umrüstung auf Wasserstoff bisher nur für Anlagen jenseits der 20 Megawatt anbieten, nicht für kleinere bis zehn Megawatt.

Biomasse-Anlagen könnten dagegen schon heute teilweise die Rolle der flexiblen, aber mit russischem Erdgas gespeisten Kraftwerke übernehmen. "Bioenergie ist speicherbar und kann jederzeit die Lücken schließen, die sich bei fluktuierender Sonnen- und Windenergie ergeben", betonte Simone Peter.

Dafür sei auch bereits ein "erklecklicher Teil" der Biogasanlagen bei der Bundesnetzagentur gemeldet, teilte sie mit. Bei deutlich besseren Anreizen ließe sich dieses Potenzial ausweiten.

Auch andere Bioenergie-Hürden sollen weg

Am aktuellen EEG-Entwurf findet Peter nicht nur den Förderumstieg auf neue große Biomethan-Anlagen kritikwürdig. Parallel sollen – um den nötigen Platz fürs die großen Biomethaner zu schaffen – auch die Ausschreibungen für "normale" Biogasanlagen zurückgefahren werden.

Am Ende bedeute das eine massive Stilllegung flexibler Vor-Ort-Biogasanlagen, kritisiert die BEE-Chefin. Diese würden aber nicht nur gebraucht, um Wind und Sonne zu flankieren, sondern auch für einen wirtschaftlichen Betrieb der Landwirtschaft.

Auch andere Hindernisse, die den Einsatz  von Bioenergie bremsen, sollten nach Ansicht der Branche jetzt fallen. Dazu gehört, dass – vereinfacht gesagt – nicht die gesamte Stromerzeugung einer Biogasanlage gefördert wird, sondern seit Jahren nur ein begrenzter Teil.

Wenn dieser Deckel wegfalle, könnte die Branche ad hoc 20 Prozent mehr Energie liefern. "Das sind rund fünf Prozent des russischen Gases", rechnete der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, dies beim Pressetermin in die aktuell gültige Währung um.

Mittelfristig hält Seide es für möglich, mit Biogas jährlich 216 Milliarden Kilowattstunden Strom und Wärme bereitzustellen und so 42 Prozent der russischen Gasimporte zu ersetzen.

Und dann macht der Biogas-Präsident eine noch beeindruckendere Rechnung auf. Würde beispielsweise auch Biomasse von Stilllegungsflächen genutzt oder Biogas mithilfe von Elektrolyseuren und preiswertem Ökostrom in grünes Methan umgewandelt, seien langfristig um die 450 Milliarden Kilowattstunden drin, sagte Seide. Das wiederum seien 80 Prozent des russischen Gases.

Hinzuzufügen ist allerdings auch: Es wäre sehr tragisch für die Welt, wenn die durch Putins Krieg ausgelöste russische Gaswährung so lange Bestand haben sollte.

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