Karikatur: Mann ruft: Mehr Solarenergie! Mehr Windenergie! Da wird es dunkel und windstill. Kind ruft: Mehr Energiespeicher!
Erneuerbare Energien brauchen ein passendes Stromsystem – ein Element sind Energiespeicher. (Foto: Karikatur: Gerhard Mester/​SFV/​Wikimedia Commons)

Die Leitung zur "grünen Batterie" für Deutschland ist 515 Kilometer lang. Sie verläuft von Schleswig-Holstein zur südnorwegischen Region Vest-Agder.

Das Kabel ist armdick und transportiert bis zu 1.400 Megawatt Strom, was der Spitzenleistung von 400 mittelgroßen Windkraftanlagen entspricht. Die Leitung auf dem Meeresboden, Nordlink genannt, erlaubt es, Elektrizität zwischen Deutschland und Norwegen quasi hin- und herzuschieben.

Als "Batterie" fungieren dabei die Wasserkraftwerke in dem skandinavischen Land. Das Konzept: Überschüssiger Windstrom aus norddeutschen Windrädern, der sonst nicht genutzt werden könnte, wird in Norwegen verbraucht. Wenn im Gegenzug bei Flaute und stillstehenden Rotoren in Deutschland Strom fehlt, wird Elektrizität aus den Wasserkraftwerken nach Süden geleitet.

Nordlink wurde 2021 eingeweiht. Seither funktioniert die Leitung, die knapp zwei Milliarden Euro gekostet hat. Rechnerisch kann damit die Versorgung von bis zu 3,6 Millionen Haushalten mit Ökostrom stabilisiert werden. Das entspricht einem guten Teil der Haushalte in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Doch diese Zahl macht auch klar: So wichtig Nordlink ist, um die fluktuierende Stromeinspeisung aus Solar- und Windkraft abzupuffern – als alleinige "Batterie" für Deutschland reicht das nicht.

Um bei einem System mit 100 Prozent erneuerbaren Energien auch in Zeiten der berüchtigten "Dunkelflaute" genügend Kapazitäten zu haben, also wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, braucht es deutlich mehr. Zumal die Zeiten mit wenig Solar- und Windstrom mehrere Tage dauern können.

Zentrale Großspeicher mit Wasser und Gas

Freilich kann neben der Norwegen-Connection eine ganz Reihe weiterer Speichertechnologien genutzt werden. Insgesamt gibt es rund ein Dutzend davon. Ihr Ausbau ist wichtiger Teil der Energiewende.

Die bekannteste Technologie, die schon seit 100 Jahren betrieben wird, ist das Pumpspeicherwerk. In nachfrageschwachen Zeiten nimmt es ein Überangebot von elektrischer Energie im Netz auf und gibt sie bei Spitzenlast wieder ab. Wasser wird dazu vom Unter- ins Oberbecken gepumpt und bei Bedarf über Turbinen, die Elektrizität produzieren, wieder abgelassen.

In Deutschland gibt es 26 dieser Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 6.300 Megawatt, das größte davon befindet sich in Goldisthal in Thüringen. Da ihr Bau starke Eingriffe in die Landschaft erfordert, erscheint eine starke Ausweitung dieser Technologie unrealistisch.

Anders ist das beim "Power-to-Gas"-Konzept. Hierbei wird Ökostrom in Überschuss-Zeiten dafür genutzt, um per Elektrolyse Wasserstoff zu gewinnen, der gespeichert und wieder "rückverstromt" werden kann (siehe Teil 3 der Serie).

Eine wichtige Variante hierbei: Mit dem Wasserstoff wird das Gas Methan hergestellt, das in den heute betriebenen Erdgas-Speichern langfristig eingelagert werden kann; Erdgas besteht zum größten Teil aus Methan.

Der größte deutsche Erdgasspeicher in Rheden in Niedersachsen fasst fast vier Milliarden Kubikmeter. Der Berliner Energieexperte Volker Quaschning sagt: "Diese Menge reicht theoretisch aus, um den heutigen Stromverbrauch zwei Wochen lang abzudecken."

Dezentrale Heimspeicher boomen

Zu diesen zentralen Speichertechnologien müssen allerdings noch dezentrale hinzukommen. Die wichtigste: Solarspeicher, die tagsüber den nicht sofort verbrauchten Strom aus Photovoltaik-Anlagen von Hausdächern "einlagern", um ihn dann abends oder nachts verfügbar zu machen. Vor allem im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern werden sie zunehmend eingesetzt.

Als Faustregel gilt: Bei einem Einfamilienhaus mit einer Solaranlage ohne Speicher können übers Jahr gesehen rund 30 Prozent des in dem Haus verbrauchten Stroms abgedeckt werden. Bei einem Haus mit gekoppeltem Speicher steigt die Selbstversorgung auf etwa 60 Prozent. Entsprechend stärker sinkt der noch notwendige Bezug von Strom vom Versorger.

Ein weiterer Vorteil ist hier: Das öffentliche Leitungsnetz, das künftig zusätzlichen Strom für E-Autos und elektrische Wärmepumpen zur Hausbeheizung liefern muss, wird entlastet. Der selbst auf dem Dach produzierte und selbst verbrauchte Strom verlässt das Haus ja nicht.

Wie ein Energiesystem ohne Fossile aussehen kann

2035 soll der Strom in Deutschland erneuerbar sein, zehn Jahre später die gesamte Energie. Damit das klappt, muss sich einiges ändern: bei den Stromnetzen, bei unserem Stromverbrauch, bei den Kraftwerken, bei unseren Heizungen. Was konkret passieren muss, beschreibt Klimareporter° in dieser Serie.

Die Themen der weiteren Teile:

  • 100 Prozent Ökostrom
  • Biogas statt Erdgas gegen die "Dunkelflaute"
  • Strom aus Wasserstoff statt aus Erdgas?
  • Vor-Ort-Versorgung mit mehr Effizienz und Suffizienz
  • Klimakonzepte für die Wärmeversorgung

Die Kosten für die Stromspeicher, die bei Einfamilienhäusern in etwa Kühlschrank-groß sind und meist im Keller untergebracht werden, sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Angesichts der stark gestiegenen Netz-Strompreise werden die Heimspeicher zunehmend rentabel, besonders bei Haushalten mit einem hohen Stromverbrauch – etwa durch ein E-Auto.

Der Verkauf boomt. Ende 2021 waren hierzulande knapp 400.000 Speicher installiert, vor zehn Jahren lag die Zahl noch unter 5.000. Allein im vorigen Jahr kamen 120.000 hinzu.

Bislang rieten viele Experten Interessierten, mit der Anschaffung eines Speichers noch etwas zu warten. Ihr Argument: Die Preise werden in den nächsten Jahren noch weiter fallen. Angesichts des Ukraine-Kriegs machen viele Menschen mit Blick auf die Selbstversorgung eine andere Rechnung auf.

Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen und Speichern jedenfalls ist seit Putins Attacke bei vielen Anbietern sprunghaft angestiegen. Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, drückt es so aus: Für immer mehr Haushalte würden Solaranlagen und Speicher zur "Energie-Unabhängigkeitserklärung".

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