Weiße Wasserstoffleitungen mit der Aufschrift
Beim Wasserstoff sieht alles clean und easy aus – in der Werbung. (Foto: Petr Malinak/​Shutterstock)

Putins Krieg in der Ukraine rückt Infrastrukturen ins Licht, bei denen das öffentliche Interesse bisher nahe null lag. Zum Beispiel, wem die deutschen Erdgasspeicher gehören und wie viel da hineinpasst.

Inzwischen wissen alle: Der größte deutsche Speicher in Rehden, gelegen zwischen Osnabrück und Bremen, gehört dem russischen Konzern Gazprom. Und ein weiterer gehört ihm ebenfalls.

Insgesamt zählt der Branchenverband Ines 47 Untertagespeicher für Gas in Deutschland. Wären diese hundertprozentig voll – was praktisch nie vorkommt –, würden sie eine Energiemenge von 225 Terawattstunden speichern. Eine Terawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden.

Das meiste Erdgas wird hierzulande fürs Heizen verwendet. Das erklärt die Sorge um die nächsten Winter. Fürs deutsche Stromnetz spielt Erdgas eine eher untergeordnete Rolle. Nur jede siebente Kilowattstunde wird mithilfe des fossilen Brennstoffs erzeugt, fast jede zweite dagegen aus erneuerbaren Energien.

Lange Zeit galten Gaskraftwerke, meist gespeist mit russischem Erdgas, als "ideale Partner" für die Erneuerbaren, weil sie die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne "stabil und flexibel ausgleichen können", wie die Lobbyinitiative Zukunft Gas auf ihrer Website schreibt.

Falsch ist das auch künftig nicht. Denn fester Bestandteil so gut wie jeder Studie, die ein klimaneutrales Deutschland entwirft, ist auch ein Gas: Wasserstoff.

Mit der Beendigung der Kohleverstromung, einem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren sowie einem Einstieg in die Wasserstoffnutzung in Gaskraftwerken können die Treibhausgasemissionen schon bis 2030 gedrittelt werden, heißt es in einer Prognos-Studie zu Klimaneutralität und sicherer Versorgung.

Flexible Gaskraftwerke, die mit Wasserstoff befeuert werden, seien dabei durch ihr schnelles An- und Abfahren gut zum Bereitstellen von Regelleistung geeignet, heißt es in der Studie weiter. Regelleistung sorgt dafür, dass der Strom immer genau mit der Frequenz von 50 Hertz aus der Steckdose kommt.

Lücke bei unterirdischen Wasserstoffspeichern

Dass Wasserstoff – klimaneutraler "grüner" – an die Stelle von Erdgas tritt und für ein sicheres Stromsystem sorgt, klingt bestechend einfach. Allerdings: Damit auch längere Dunkelflauten zu überstehen sind, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint, muss der Wasserstoff in rauen Mengen gespeichert werden.

"Alle Wege in die Treibhausgasneutralität benötigen in erheblichem Umfang Wasserstoffspeicher", schreibt auch der Speicherverband Ines nicht ganz uneigennützig, kann sich dabei aber auf regierungsoffizielle Studien berufen. Diese beziffern den klimaneutralen Bedarf an unterirdischen Wasserstoffspeichern auf 47 bis 73 Terawattstunden.

Das erscheint zunächst leicht machbar, schaut man auf die heute maximal mögliche Speichermenge von 225 Terawattstunden. An dem Punkt aber macht der Wasserstoff sich selbst einen Strich durch die Rechnung.

Gegenüber Erdgas hat Wasserstoff nur einen Brennwert von einem Drittel. Dazu kommt, wie der Nationale Wasserstoffrat im Januar in einem Grundlagenpapier festhielt, ein anderes Kompressionsverhalten von Wasserstoff. Deswegen reduziere sich die energetische Speicherkapazität gegenüber Erdgas um 80 Prozent, rechnete der Rat vor.

Damit nicht genug: Um Wasserstoff zu speichern, eignen sich aus heutiger Sicht nur sogenannte Kavernenspeicher. Das sind meist stillgelegte Salzförderstöcke. Sie stellen zwei Drittel der untergründigen Speicherkapazität, das restliche Drittel sind für Wasserstoff unbrauchbare Porenspeicher.

So schnurrt der verfügbare Speicherraum stark zusammen – von 225 auf nur noch schätzungsweise 30 Terawattstunden. Das ist zu wenig, um jederzeit genügend Wasserstoff für ein klimaneutrales und sicheres Stromsystem zu haben.

Der Speicherverband Ines hält deswegen einen Ausbau der Speicherkapazität für nötig – ein veritables Milliardenprogramm. Für Wasserstoff müssen zudem auch die Kavernenspeicher, die Gasleitungen zu den Kraftwerken und die heute noch erdgasbefeuerten Gaskraftwerke umgerüstet werden. Wie viele Milliarden das kostet, hat noch niemand so genau ausgerechnet.

Wo soll der viele Wasserstoff herkommen?

Auch die erst vor einigen Monaten veröffentlichte Dena-Leitstudie zur Klimaneutralität weist Wasserstoff eine wichtige Rolle im künftigen Stromsystem zu. Für 2045 nimmt die Dena, die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur, dabei einen Gesamtstromverbrauch von 910 Terawattstunden an, ein Plus von fast 60 Prozent gegenüber heute.

Wie ein Energiesystem ohne Fossile aussehen kann

2035 soll der Strom in Deutschland erneuerbar sein, zehn Jahre später die gesamte Energie. Damit das klappt, muss sich einiges ändern: bei den Stromnetzen, bei unserem Stromverbrauch, bei den Kraftwerken, bei unseren Heizungen. Was konkret passieren muss, beschreibt Klimareporter° in dieser Serie.

Die Themen der weiteren Teile:

  • 100 Prozent Ökostrom
  • Biogas statt Erdgas gegen die "Dunkelflaute"
  • zentrale Großspeicher und dezentrale Heimspeicher
  • Vor-Ort-Versorgung mit mehr Effizienz und Suffizienz
  • Klimakonzepte für die Wärmeversorgung

Die netzstabilisierende Verstromung von Wasserstoff in Gaskraftwerken soll 2045 laut Studie einen Anteil von acht Prozent haben. So könnten aus Sicht der Dena dann – gemeinsam mit Pumpspeicherkraftwerken, Batteriespeichern sowie einer intelligenten Laststeuerung und europäischen Stromimporten – die Stunden mit geringer erneuerbarer Einspeisung überbrückt werden.

Der für 2045 anvisierte Acht-Prozent-Anteil entspricht dann rund 73 Terawattstunden. Heute werden in Deutschland mithilfe von Erdgas jedes Jahr noch rund 90 Terawattstunden erzeugt. Das, was der fossile Brennstoff heute im Stromnetz leistet, soll also 2045 laut Dena der grüne Wasserstoff übernehmen.

Da stellt sich, abgesehen von der Speicherung, vor allem die Frage, wo die dafür nötigen Mengen an Wasserstoff überhaupt herkommen sollen. Den Ökostoff bietet die Natur ja nicht gratis an wie Erdgas, sondern er muss aufwendig mit viel Ökostrom aus Wasser hergestellt werden.

Die Dena setzt in großem Stil auf Wasserstoff-Importe. Bleibt zu hoffen, dass dann nicht wieder ein oder mehrere Herrscher mit Hang zur Despotie über den Öko-Brennstoff verfügen.

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