Klimareporter°: Frau Kapfer, seit Anfang Februar hat Der Rabe Ralf, nach eigener Aussage die letzte Umweltzeitung Berlins, ein neues, frisches Design und ist zudem frei zugänglich online. Bei den Worten "Umwelt" und "Zeitung" rümpfen heutige eloquente Medienmanager meist nur die Nase und würden so einem Projekt keine große Chance einräumen. Ihr Verein Grüne Liga hat es trotzdem gewagt. Warum?

Claudia Kapfer: Den Raben Ralf gibt es gedruckt seit 1990. Als selbstfinanziertes, ehrenamtlich getragenes Zeitungsprojekt hat er schon oft schwere Zeiten erlebt. Zuletzt 2023, als der Vorstand der Grünen Liga Berlin schweren Herzens die Auflösung der Redaktion aus finanziellen Gründen zum Jahresende 2024 ankündigte.

Diese Nachricht mobilisierte viele Menschen, die sich öffentlich zum "Raben" bekannten, ihm Zeit und Engagement schenkten. Viele schlossen auch Abos ab, schickten Spenden oder buchten Anzeigen.

Es zeigte sich, dass unser Rabe ein zäher Vogel ist und wir unbedingt eine Perspektive für ihn entwickeln mussten – auch weil das Interesse an Umwelt-, Natur- und Klimaschutz in den Medien unterrepräsentiert ist.

Wir haben dann Fördermittel eingeworben, um den "Raben" zu modernisieren, ihn attraktiv im Netz zu präsentieren und mit einer Kommunikationskampagne zu beflügeln. Dadurch wird die traditionell in Berlin verortete Umweltzeitung im gesamten deutschsprachigen Raum verfügbar und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.

Medienmanager, die über "Ökos" die Nase rümpfen, sollten gut zuhören, wenn jetzt sogar das Weltwirtschaftsforum Umweltgefahren sowie Fehl- und Desinformation zu den wichtigsten Risiken für unsere Gesellschaft zählt. Für uns ist dabei auch die Frage, wie unsere Wirtschaft vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden kann. Dazu möchten wir mit der Zeitung einen Beitrag leisten.

Porträtaufnahme von Claudia Kapfer.
Bild: Sebastian Hennigs

Claudia Kapfer

ist Geschäfts­führerin der Grünen Liga Berlin. Der Umwelt­verband gibt seit 1990 die Zeitung "Der Rabe Ralf" heraus. Kapfer ist studierte Oeco­tropho­login und kam 2016 als Öko­markt­leiterin zur Grünen Liga.

Wie fallen denn die ersten Reaktionen der Leser:innen auf den neuen "Raben" aus?

Bis jetzt haben wir nur positive Rückmeldungen bekommen. Das liegt vielleicht daran, dass Anna Busdiecker und Sabine Meyer, die unser neues Print-Design entwickelten, sich stark an den ersten Raben-Ausgaben orientiert haben. Der Rabe Ralf war in seinen Anfängen auch künstlerisch geprägt, was wir wieder stärker in den Vordergrund stellen.

Mit Unterstützung von Bodo von Hodenberg vom Verlag Favoritenpresse können wir nun auf den Titel jeder neuen Ausgabe eine ansprechende Illustration bringen. Die erste stammt von Sina Schlerf, einer Studentin an der Universität der Künste Berlin.

Unsere Webdesigner Kristin Rabaschus und Jules Weigel von Karo3 haben dieses Konzept kongenial ins Digitale umgesetzt. Auch dafür gab es bisher nur Lob. Wir freuen uns aber natürlich auch über kritische Rückmeldungen.

Der Rabe Ralf kümmert sich nicht nur um ein derzeit wenig populäres Thema, er hat auch einen Ruf als besonders kritisches Blatt, das ökologische und soziale Interessen konsequent vertritt. Ist so eine kompromisslose Haltung denn noch zeitgemäß?

Ökologie wird vom rechten, wirtschaftsliberalen Zeitgeist als abgehobenes und elitäres Projekt von Besserverdienenden gebrandmarkt. Wir glauben aber, dass eine ökologische Wende nur dann funktionieren kann, wenn alle mitmachen und alle mitmachen können.

 

Wir wollen eine Graswurzel-Zeitung machen, die eine "Ökologie von unten" vertritt. Seit den ersten Ausgaben macht der Rabe Ralf deutlich, dass das Soziale und das Ökologische nicht voneinander zu trennen sind.

Man muss nicht linksradikal sein, um festzustellen, dass die Art und Weise, wie wir als Menschen miteinander leben, einen Einfluss darauf hat, wie wir mit der Natur umgehen. Wir glauben nicht daran, dass angeblich geniale Techmilliardäre wie Elon Musk oder Bill Gates die Welt im Alleingang retten werden.

Nur eine soziale Gesellschaft kann eine ökologische Gesellschaft sein. Die aktuellen Proteste gegen Rechtsruck und Klimavergessenheit zeigen, dass wir nicht die einzigen sind, die das so sehen.

Mit der Online-Präsenz verbindet sich der Anspruch, stärker auch bundesweit wahrgenommen zu werden. Wie wollen Sie dem gerecht werden?

Schon vor unserem Relaunch hatten wir Abos aus ganz Deutschland. Natürlich bietet die Online-Präsenz jetzt mehr Möglichkeiten. Wir hatten noch nie einen ausschließlichen Berlin-Fokus, der Rabe blickte schon immer über den Tellerrand.

Vielen unserer Autor:innen ist es wichtig zu zeigen, dass Umwelt- und Klimathemen nichts sind, was besserwissende Großstädter einer angeblich doofen Landbevölkerung predigen oder was Menschen aus der sogenannten westlichen Welt dem globalen Süden erklären müssen. Viele Beiträge bringen die bundesweite Relevanz und den globalen Blick also schon mit. Darüber hinaus wollen wir verstärkt unser Netzwerk und die sozialen Medien nutzen.

"Der Rabe Ralf" setzt weiter auf gedruckte Zeitungen, die kostenlos gelesen werden können – künftig aber auch online. (Bild: Sabine Meyer)

Bislang wird die Zeitung alle zwei Monate in 10.000 Exemplaren kostenlos in Berlin verteilt. Bleibt es dabei, wenn es nun eine Online-Version gibt?

Ja. Wir wissen natürlich, dass sich die Lesegewohnheiten geändert haben und sogar die Taz bald nur noch am Wochenende in gedruckter Form erscheinen wird. Auch nähren weiter steigende Kosten unsere Bedenken, an der Printausgabe festzuhalten. Wir haben aber gute Gründe und stellen uns bewusst gegen diesen Trend.

Da "Zufallsbekanntschaften" einen wesentlichen Teil unserer Leserschaft ausmachen, wollen wir unbedingt weiter als Printmedium erscheinen. Der "Rabe" liegt an vielen öffentlichen Orten wie Bibliotheken, Läden und Nachbarschaftszentren in Berlin kostenlos aus und ermöglicht so Menschen ohne ein festes Interesse an Umwelt und Klima und ohne Bezug zu digitalen Medien den Zugang zu Umweltinformationen. Vielleicht langweilt sich auch jemand in Wartezimmer einer Behörde, greift zum Raben und findet einen interessanten Artikel.

Bei aller Romantik und unserem niedrigschwelligen Ansatz muss ich aber auch ehrlich sein: Um langfristig gedruckt erscheinen zu können, brauchen wir noch viele Abos, Spenden und Anzeigen. Wir freuen uns da über jede Hilfe.

Die Grüne Liga gehört zu den eher kleineren unter den großen Umweltverbänden Deutschlands. Wie kann sie sich eine solche Umweltzeitung dauerhaft leisten?

Nur mit Unterstützung. Das Relaunch-Projekt – zu dem neben dem neuen Layout und der Website auch eine Ausstellung gehört, die am 10. April im Prenzlauer Berg Museum eröffnet wird – war nur möglich, weil wir eine finanzielle Förderung der Stiftung Naturschutz Berlin bekommen haben.

Bisher brachte die Grüne Liga Berlin die Hälfte der Produktionskosten für die Umweltzeitung aus eigenen Mitteln auf. Wegen der überall steigenden Kosten für Grafik, Druck, Postversand, Miete war der wachsende Eigenfinanzierungsanteil aber für einen gemeinnützigen Verein nicht mehr tragbar.

Anfang 2024 haben wir deshalb alle Kräfte mobilisiert, um das Finanzierungsmodell auf einen zukunftssicheren Weg zu bringen. Das Ziel eines ausgewogenen Haushalts für die Zeitung ist noch nicht erreicht, aber die ersten Schritte waren erfolgreich. Langfristig sind wir auf dauerhafte Spenden, Vereins-Neumitglieder, mindestens 1.000 weitere Abos und regelmäßige Anzeigenschaltungen angewiesen.

Da wir chronische Optimist:innen sind, alle einen großen Batzen Idealismus im Herzen tragen und viel Energie in unsere Zeitung stecken, sind wir überzeugt, den richtigen Weg zu gehen.

In Zeiten von Rechtsruck und Desinformation müssen wir uns ein solches Medium dauerhaft leisten, um über Klimakrise, Verkehrswende, Landwirtschaft, Naturschutz und sozial-ökonomische Alternativen zu berichten. Denn Der Rabe Ralf setzt mit hoher Kontinuität auf Themen, die gestern wie heute hochaktuell sind.

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