Klimareporter°: Frau Hartmann, Bill Gates hat vor und nach der Weltklimakonferenz in Paris große Geldspritzen für die weitere Erforschung von "sauberer Energie" angekündigt. Die Rede ist von zwei Milliarden Dollar aus seinem persönlichen Besitz. Wieso ist Herr Gates so großzügig?
Kathrin Hartmann: Gates gehört mit seinem Privatvermögen von 80 Milliarden Dollar zu den 62 Personen, die mehr besitzen als die halbe Menschheit. Das reichste eine Prozent ist für 175-mal mehr CO2-Ausstoß verantwortlich als die ärmsten zehn Prozent.
Sein plötzliches privates Klimaengagement finde ich zweifelhaft. Seine Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat allein 2013 über 1,4 Milliarden Dollar in Öl, Kohle und andere fossile Energien investiert. Das Geld ging an Konzerne wie Exxon, Chevron, Shell und BP, denen neben Umweltzerstörung auch schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Die Forderungen der Divestment-Bewegung, das Kapital aus diesen "schmutzigen Geschäften" abzuziehen, hat Gates in seiner ganzen Arroganz immer abgelehnt. Mit seiner Stiftung treibt Gates den Klimawandel eher voran und ihre Hilfe wird mit Blutgeld bezahlt.
Aber ist es nicht trotzdem eine gute Sache, Geld in die Energiewende zu stecken?
Um eine Wende geht es ihm nicht. Gates will an der herrschenden Wirtschaftsordnung nichts ändern. Weder will er den Konsum oder den Energieverbrauch eindämmen noch stellt er das Wachstum in Frage. Er sagt einfach, dass wir mehr Energie brauchen. Mit sauberer Energie meint Gates auch nicht erneuerbare, sondern Technologien, die erst erforscht werden sollen. Das verschiebt das Problem in die Zukunft. Er glaubt, Kernspaltung und Kernfusion sei der Weg zu diesem Durchbruch – ebenso wie die hoch umstrittene Speicherung von Kohlendioxid im Boden.
Gates spricht auch von einem "Energiewunder". Was genau steckt dahinter?
Nach seinen Aussagen kann man dem wachsenden Energiehunger der Welt nicht mit so "niedlichen" Lösungen wie der Wind- oder Solarenergie beikommen. Er verspricht dafür so eine Art Zaubertechnologie, die massenhaft Energie bereitstellen soll. Dabei geht es um so abgefahrene Ideen wie Winddrachen, die in der Stratosphäre Strom erzeugen sollen.
All das führt dazu, dass sich Technologien wieder in wenigen Händen konzentrieren und Monopole errichtet werden. Die Energiewende-Pioniere wollten genau das Gegenteil: eine dezentrale Revolution von unten. Solche Bürgerenergie stellt die Hälfte des grünen Stroms in Deutschland bereit. Nicht die großen Konzerne tun das.
Nebenbei investiert Gates in die Atomenergieforschung: Er ist Hauptanteilseigner und Vorstandsvorsitzender der Washingtoner Firma Terra Power, die am bisher noch unausgereiften Laufwellenreaktor werkelt. Gates investiert außerdem in Geoengineering, also in hochgefährliche Technologien, bei denen man etwa Schwefel in die Atmosphäre injiziert, um die Sonne zu verdunkeln und damit das Klima herunterzukühlen. Das kann auf der Südhalbkugel sofort zu Naturkatastrophen führen.
Gates meint aber, dass Wind und Sonne allein nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen. Hat er da nicht recht?
Nein. Man braucht mehr vom Weniger. Es muss um ein Postwachstums-Modell gehen. Der Mythos vom grünen Wachstum ist, dass man die Umweltschäden und den Ressourcenverbrauch vom Wachstum entkoppeln könnte – mittels neuer Technologien. Das ist Unsinn. Die Frage ist: wofür braucht es mehr Energie? Für mehr Produktion, Konsum und Wachstum, das den Klimawandel vorantreibt.
Bill Gates sagt: Es geht um die Bekämpfung der Energiearmut, also darum, den Millionen Menschen auf der Welt zu helfen, die keinen Zugang zu Elektrizität haben ...
Das ist ein Mythos. Gerade das Engagement der "Breakthrough Energy Coalition", die Gates zusammen mit anderen Unternehmer-Bossen und Milliardären wie dem Börsenspekulanten George Soros oder dem Amazon-Chef Jeff Bezos gegründet hat, führt das ad absurdum. Viele der Mitglieder sind im Ölgeschäft tätig – etwa der Vorsitzende Mukesh Ambani, einer der reichsten Männer Asiens. Andere Mitglieder besitzen Bergbaukonzerne, investieren in Shoppingmalls oder bauen Raumstationen für reiche Weltall-Touristen, wie Virgin-Unternehmer Richard Branson.
Zur Person
Kathrin Hartmann studierte Kunstgeschichte und Philosophie und arbeitete bei der Frankfurter Rundschau als Politikredakteurin, später beim Jugendmagazin Neon. 2009 erschien ihr Buch "Ende der Märchenstunde" über die Verwandlung ökologischer Ideen in vermarktungsfähigen Lifestyle. Auch weitere Bücher über neue Armut und über Greenwashing erregten Aufsehen.
Das Einzige, wofür die Eliten die Armen brauchen, sind billige Arbeitskräfte und Konsumenten von morgen. Die Menschen in den Ländern des Südens haben aber von Energie-, Klima- und Ernährungsgerechtigkeit andere Vorstellungen als die reichen Herren der Klimainitiative.
In Paris hat sich Gates mit Regierungschefs wie Obama und dem indischen Premier Modi zusammengetan und die sogenannte Mission Innovation gegründet. Was macht dieses Programm?
Die "Mission Innovation" ist eine große Public-private-Partnership aus Regierungen und Industrie, vorangetrieben von Gates. Ich halte es für einen Skandal, dass in diesem wenig transparenten Programm öffentliches Geld für fragwürdige Großtechnologien gebunden wird. Das Geld wird der Allgemeinheit entzogen, die darüber nicht mehr demokratisch entscheiden kann, und landet am Ende wieder in den Taschen derer, die den Klimawandel vorantreiben.
Inwiefern geht es dabei um öffentliche Gelder?
Zum einen werden Regierungen die "Mission Innovation" mit öffentlichem Geld unterstützen. Zum anderen ist der private Reichtum ihrer Mitglieder durchaus fragwürdig. Gates' Vermögen – und auch das seiner Stiftung – kommt auch dadurch zustande, dass sein Unternehmen Microsoft maximale Steuervermeidung betrieben hat. Die Milliarden, die wiederum in seiner Stiftung stecken, sind ebenfalls steuerbefreit. Damit wird der Öffentlichkeit Geld entzogen und unterliegt keiner Kontrolle mehr.
Viele Politiker – auch die Bundesregierung – sind aber froh, wenn private Investoren ihren unter die Arme greifen, gerade in der Forschung.
Es ist ja genau andersherum! Die Politik könnte jederzeit die Reichen und die großen Unternehmen via Steuern dazu zwingen, mehr Geld abzugeben, das zum Nutzen der Allgemeinheit verwendet werden könnte – zum Beispiel für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, der dem Klimaschutz sehr viel mehr nützen würde als irgendwelche Energiewunder. Stattdessen wirft sie ihnen öffentliches Geld in den Rachen, zementiert damit ihre Macht und die Kluft zwischen Arm und Reich.
Es ist eine fatale Idee, die Zerstörer als Retter zu feiern. Leute wie Gates glauben ernsthaft in ihrer maßlosen Arroganz und Hybris, sie seien die einzigen, die die Welt retten könnten. Leider unterstützt die Politik aber ihren weltweiten Raubbau an Ressourcen – auch die Bundesregierung, sei es in den TTIP-Verhandlungen oder bei der Rohstoffstrategie. Es wird vorgeschoben, dass man erst neue Technologien erfinden müsse. Dabei könnten wir viele Missstände sofort beheben. Wenn wir wollten.
Hinweis: Das Interview ist auch in englischer Sprache erschienen