Vor einigen Wochen schaltete sich Elon Musk in den vorweihnachtlichen Bundestags-Wahlkampf ein. Auf seiner Social-Media-Plattform X ließ er seine 208 Millionen Follower:innen wissen: "Nur die AfD kann Deutschland noch retten."

Nochmal nachgelegt hat Musk nun mit einem Gastbeitrag in der Zeitung Welt am Sonntag. Die darin wiederholte AfD-Werbung ging selbst der Leiterin des Meinungsressorts von Welt und Welt am Sonntag, Eva Marie Kogel, zu weit und sie reichte umgehend ihre Kündigung ein.

Das Posting wie der Gastbeitrag hätten vor nicht allzu langer Zeit noch viel Erstaunen ausgelöst. Mittlerweile aber wirken sie wie der natürliche Verlauf einer vor mindestens vier Jahren begonnenen Trajektorie nach rechts. Im US-Wahlkampf hat der Tesla-Chef mit haufenweise Falschnachrichten und rassistischer wie sexistischer Polemik Donald Trump aus vollen Rohren unterstützt.

Immer wieder lobte er auch die Politik des rechtspopulistischen Präsidenten Argentiniens, Javier Milei, und drückte seine Unterstützung für Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni von der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia aus. Nachdem er den britischen Labour-Premierminister Keir Starmer mehrmals zum Rücktritt aufgefordert hatte, traf er sich zu Gesprächen mit Nigel Farage und will ihn und seine rechtspopulistische Partei Reform UK wohl mit bis zu 100 Millionen US-Dollar unterstützen.

Der Germanist Adrian Daub von der US-Universität Stanford ordnet Musks Äußerungen mittlerweile als eindeutig rechtsradikal ein. Wer auf X notgedrungen immer wieder über seine Posts stolpert, dürfte von dieser Bewertung kaum überrascht sein.

Mal verklärt Musk den britischen Kolonialismus zu einer Heldengeschichte, mal unterstützt er eine sexistische Theorie, nach der nur "Alpha-Männer" mit hohem Testosteronlevel die Fähigkeit hätten, "frei zu denken", und deshalb auch nur sie in einer Gesellschaft Entscheidungen fällen sollten. Wes Geistes Kind er ist, führt Musk der Welt also immer wieder auf seiner eigenen Social-Media-Plattform vor.

Auch wenn er schon früher mit Polemik auffiel, hat sich das Profil des Unternehmers in den letzten Jahren doch grundlegend verändert. Es ist nicht lange her, da galt Elon Musk als der prototypische grüne Unternehmer. Statt mit großen Luxusyachten und opulenten Villen machte er mit Elektroautos und Rhetorik gegen fossile Konzerne von sich reden.

Musk warb einst für "Volksaufstand" gegen Fossile

Noch 2016 kritisierte der Tesla-Chef und Gründer des Raumfahrtunternehmens Space X in der National-Geographic-Dokumentation "Before the Flood" die Macht des fossilen Sektors. In dem Film erläuterte er seine Vision einer globalen Transformation hin zu einem dezentralen, klimafreundlichen Stromsystem mit Solarzellen und Batterien.

Die fossilen Konzerne stünden dieser Transformation im Weg. "Sie haben mehr Geld und Einfluss als jeder andere Sektor."

2010 wurde Elon Musk erstmals zum Milliardär. Sein Vermögen heute wird auf 430 Milliarden US-Dollar geschätzt. (Bild: Frederic Legrand/Shutterstock)

Im Gespräch mit dem Schauspieler und Moderator der Dokumentation, Leonardo DiCaprio, argumentierte Musk, dass es gegen die Fossilen besser früher als später "eine Art Volksaufstand" geben solle.

Immer wieder betonte Musk die Notwendigkeit einer CO2-Besteuerung. Für alle internen Tesla-Präsentationen machte er es zur Vorschrift, Grafiken aus Al Gores Klimawandel-Dokumentation "Eine unbequeme Wahrheit" zu zeigen.

Als die USA während der ersten Trump-Legislatur aus dem Pariser Klimaabkommen ausstiegen, schmiss der Tech-Milliardär seine Position als Regierungsberater hin. "Der Klimawandel ist real", schrieb Musk als Erklärung bei Twitter. Das Paris-Abkommen zu verlassen sei weder gut für die USA noch für die Welt.

Ob man das nun als Beleg für Musks frühere Überzeugung gelten lässt oder dahinter den Versuch erkennt, die eigene Marke zu schärfen und der fossilen Konkurrenz zu schaden, ist Ansichtssache. Aber dass Musk die Gefahr der Klimakrise ernst genommen hat, attestieren ihm zumindest auch viele seiner Weggefährt:innen.

Mit Berufung auf Musks nahes Umfeld versucht auch die US-Tageszeitung Washington Post in einem Artikel den Sinneswandel des reichsten Menschen der Welt nachzuvollziehen. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass die Klimakrise ein Problem sei, schreiben die Autor:innen.

Allerdings sei er mittlerweile der Überzeugung, dass die Gefahr überbewertet werde. Andere Themen seien seiner Ansicht nach drängender, wie die Risiken künstlicher Intelligenz, die sinkenden Geburtenraten in Industrienationen – und natürlich sein Herzensprojekt, die Besiedelung des Mars.

Persönliche Ereignisse sollen Radikalisierung bewirkt haben

Über die Klimakrise spricht der designierte Leiter der von Trump angekündigten Abteilung für Regierungseffizienz inzwischen kaum noch. Und wenn, dann verbreitet er Falschinformationen.

Im Gespräch mit Donald Trump, gestreamt auf X, versicherte er dem Präsidentschaftskandidaten noch im August, dass man sich mit dem Klimaschutz nicht beeilen müsse. Zwar führe CO2 bei sehr hohen Konzentrationen ab etwa 1.000 ppm – gegenwärtig liegt der CO2-Anteil in der Atmosphäre bei etwa 420 ppm – zu einer Reizung der Atemwege, weshalb ein Umstieg auf grüne Alternativen langfristig sinnvoll sei, es gebe aber keinen Grund zur Eile.

Wegen Klima-Falschinformationen wie diesen sowie der neuen Sympathie ihres Chefs für Rechtspopulist:innen und Verschwörungsideologien haben laut dem Washington-Post-Artikel bereits zahlreiche führende Tesla-Angestellte gekündigt. Auch dass Musk offenbar den Tesla-Plan, preisgünstige E-Kleinwagen auf den Markt zu bringen, eingestampft habe und stattdessen in künstliche Intelligenz für die Luxusmodelle investiere, sei ein Symptom für seinen Sinneswandel in Bezug auf Klimaschutz, heißt es weiter.

Um Musks Metamorphose nachzuvollziehen, hat die Washington Post mit fünf Vertrauten von ihm gesprochen, die alle anonym bleiben wollen. Diese machen eine Reihe von persönlichen Ereignissen verantwortlich.

2020 musste Musk aufgrund von Corona-Auflagen sein wichtigstes Tesla-Werk in Kalifornien schließen. Der Milliardär war außer sich und ordnete nur wenige Monate später den Umzug des Hauptsitzes in die Nähe von Austin in Texas an.

Etwa zur gleichen Zeit erhielt Musks Tochter Vivian Wilson – eine trans* Frau – eine geschlechtsangleichende Behandlung. Er sei darüber am Boden zerstört gewesen, erklärten Bekannte. Seitdem spricht Musk immer wieder davon, den "Woke-Mind-Virus", der "meinen Sohn getötet hat", zerstören zu wollen.

Beides habe Musk gegen die Politik der Demokratischen Partei aufgebracht und ihn in der Folge auch dazu bewogen, seine Haltung zur Klimakrise zu überdenken. Laut Musks Biograf Walter Isaacson hat auch die öffentliche Kritik an ihm von demokratischen Politiker:innen wie Alexandria Ocasio-Cortez zu seinem politischen Wandel beigetragen.

Ein Jahr später lud der scheidende Präsident Joe Biden große US-Autohersteller zu einem E‑Auto-Gipfel ein, Tesla erhielt keine Einladung. Musk sei außer sich gewesen und habe sich weiter von den Demokrat:innen abgewandt.

In der folgenden Zeit sei der 53-Jährige immer stärker in eine rechtskonservative Bubble eingetaucht, online wie offline.

Zu seinen neuen Bekanntschaften zählen der Software-Unternehmer Joe Lonsdale und der Pharma-Unternehmer Vivek Ramaswamy. Beide vertreten wissenschaftsfeindliche Positionen über die Klimakrise. Ramaswamy etwa hält es nicht für belegt, dass die Folgen des Klimawandels negativ statt förderlich für die Menschheit sein werden.

Alice Weidel freut sich, Christian Lindner spricht Einladung aus

Auch die Proteste von Umweltinitiativen hätten Elon Musk weiter radikalisiert, erklären Vertraute. Noch 2018 wurde bekannt, dass Musk eine hohe Summe an die bedeutende US-Naturschutzorganisation Sierra Club gespendet hatte. Nachdem einige Gruppen, auch der Sierra Club, immer wieder gegen geplante Tesla-Werkserweiterungen vorgegangen waren, änderte sich seine Position.

Auch die Proteste in Grünheide bei Berlin im vergangenen Frühjahr mit einer Waldbesetzung und großen Demonstrationen – zudem musste die Gigafactory auch aufgrund eines Sabotageaktes für mehrere Tage die Produktion einstellen – hätten starken Eindruck auf Musk gemacht. Auf X beschimpfte er die Protestierenden als entweder "extrem dumm" oder "Marionetten derjenigen, die keine guten Umweltziele verfolgen".

Welche Umweltziele Musk mittlerweile verfolgt, ist vollends unklar. Ob Trump, Milei oder die AfD, alle drei erfreuen sich nicht nur der Gunst des modernen Krösus, sondern leugnen auch den menschengemachten Klimawandel.

Der ideologische Werdegang von Elon Musk ist einer von Millionen. Besonders seit der Corona-Pandemie haben Verschwörungsideologien, vereinfachte, rechtspopulistische Erklärungsmuster und Wissenschaftsleugnung Hochkonjunktur.

Was die Entwicklung von Musk so wichtig macht, ist sein enormer Einfluss. Er ist der reichste Mensch der Welt, er besitzt eine der größten Social-Media-Plattformen der Welt, und wie die letzten Monate zweifelsohne gezeigt haben, will er diese Macht nutzen, um Einfluss auf Wahlen und politische Entscheidungen zu nehmen.

In der deutschen Politik fällt das Urteil über Musk unterschiedlich aus. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hat seine Wahlwerbung wenig überraschend begrüßt. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die Wahlempfehlung, lud aber Elon Musk gleich zu einem Gespräch ein. Er wolle ihm zeigen, wofür die FDP stehe. Schon zuvor hatte Lindner dafür geworben, "mehr Musk und Milei zu wagen".

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach hingegen von einer "unwürdigen und hochproblematischen" Einmischung.

CDU-Europaabgeordnete haben zudem gefordert, die Sichtbarkeit von Musks Beiträgen auf X zu untersuchen. Viele Nutzer:innen würden berichten, dass sie regelmäßig Beiträge von Musk sehen würden, ohne ihm zu folgen oder auf seine Beiträge zu reagieren, erklärte der CDU-Politiker Daniel Caspary. Das werfe grundlegende Fragen zu Transparenz und Neutralität des Netzwerks auf.