Die Nachrichten von der Klimakrise in diesem Frühjahr sind dramatisch. Neue Temperaturrekorde bereits im April gab es in Bangladesch, Indien, Laos und Thailand, mit bis zu 45 Grad Celsius. Mancherorts betrug die "gefühlte Temperatur", bei der die Luftfeuchtigkeit mitberücksichtigt wird, sogar lebensbedrohliche knapp 54 Grad.

In Kanada wüten seit Mai nach einem extrem trockenen Winter verheerende Waldbrände, deren Rauch jetzt sogar New York einnebelt.

Und nun kommen auch aus China bedenkliche Meldungen. 578 nationale Wetterstationen verzeichneten die höchsten Temperaturen, die je in dieser Jahreszeit gemessen wurden. Die Süd-Provinz Sichuan gab eine Hitzewarnung heraus, weil bereits über 42 Grad erreicht wurden.

 

Das alles passt zu der neuen Studie einer Gruppe führender Klimaforscher, wonach die Erderhitzung seit dem 2021 vorgelegten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC weiter zugenommen hat – und zwar in "beispiellosen Tempo".

Das 50-köpfige Team hat eine Open-Data- und Open-Science-Plattform zu sechs "Indikatoren des globalen Klimawandels" entwickelt, die künftig jährlich aktualisiert werden soll. Danach lag die menschengemachte Erwärmung im letzten Jahrzehnt (2013 bis 2022), die laut dem Pariser Klimavertrag möglichst bei 1,5 Grad gestoppt werden soll, im Schnitt bereits um 1,14 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

Die Temperatur steige nun um mehr 0,2 Grad pro Jahrzehnt. Die Mittelwerte werden also ohne schnelle globale CO2-Minderung voraussichtlich im nächsten Jahrzehnt das 1,5-Grad-Limit dauerhaft reißen.

Halbiertes Restbudget

Auf der Plattform wird das "CO2-Restbudget", dessen Freisetzung die Erderhitzung noch mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad begrenzt, für Anfang 2023 auf etwa 250 Milliarden Tonnen geschätzt. Der IPCC hatte es 2020 noch auf das Doppelte beziffert. Im letzten Jahrzehnt wurden weltweit pro Jahr im Mittel 54 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen.

Laut dem Leitautor der Studie, Piers Forster, wird das CO2-Budget wegen einer dreifachen Belastung wohl bereits in wenigen Jahren erschöpft sein: weiterhin hohe CO2-Emissionen, mehr sonstige Treibhausgasemissionen und der Rückgang der Feinstaubbelastung in der Luft, die bisher eine kühlende Wirkung hatte.

"Wenn wir nicht wollen, dass das 1,5-Grad-Ziel in unserem Rückspiegel verschwindet, muss die Welt viel härter daran arbeiten, die Emissionen zu senken", meinte Forster, der das Priestley Centre for Climate Futures der Universität Leeds leitet.

Auch Mitautor Jan Minx vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC mahnte: "Die Analyse ist ein Weckruf, dass Tempo und Umfang der Klimaschutzmaßnahmen unzureichend sind."

Die Plattform wurde zur derzeit laufenden Bonner Vorkonferenz für den Weltklimagipfel COP 28 im Dezember in Dubai erstellt. Der Klimagipfel soll unter anderem eine Bestandsaufnahme bringen, welche Fortschritte auf dem Weg zur Begrenzung auf 1,5 Grad erzielt wurden.

"Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich das globale Klimasystem verändert, brauchen Politik, Klimadiplomatie und Zivilgesellschaft Zugang zu aktuellen und soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen als Entscheidungsgrundlage", meinte Minx.

Anzeige