Kinder in New York demonstrieren mit Schildern wie: Ihr könnt uns ignorieren, aber ihr werdet es bereuen. - Oder: Wenn ihr nicht handelt wie Erwachsene, werden wir es tun!
Kinder bei einer Fridays-for-Future-Demo vor zwei Jahren in New York. (Foto: Mathias Wasik/​Flickr)

Kinder auf der ganzen Welt werden den höchsten Preis für den Anstieg der globalen Temperaturen zahlen müssen, obwohl sie nicht dafür verantwortlich sind. Mindestens eine Milliarde Kinder sind aufgrund der Klimakrise "extrem gefährdet", heißt es im ersten Klima-Risiko-Index für Kinder, den das UN-Kinderhilfswerk Unicef im August veröffentlichte.

Vor zwei Jahren hatten deshalb 15 Kinder zwischen acht und 16 Jahren, darunter die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, eine Beschwerde beim "Ausschuss für die Rechte des Kindes" der Vereinten Nationen eingereicht.

Die Kinder aus zwölf Ländern warfen den Regierungen von Deutschland, Frankreich, Brasilien, Argentinien und der Türkei vor, durch ungenügende klimapolitische Maßnahmen gegen die UN-Kinderrechtskonvention zu verstoßen. Die Staaten hätten die Rechte von Kindern auf Leben, Gesundheit und intakte Kultur verletzt.

Die seit 1990 geltende Konvention wurde mittlerweile dreimal ergänzt, zuletzt durch das "Dritte Zusatzprotokoll zum Individualbeschwerdeverfahren", das 2014 in Kraft trat und auch von den fünf betroffenen Staaten ratifiziert wurde.

Diese Regelung ermöglicht es Kindern, sich bei einer Verletzung ihrer Rechte beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf zu beschweren. Das Gremium, bestehend aus 18 unabhängigen Expert:innen, bearbeitet die Beschwerde dann in mehreren Schritten. Am Ende steht bestenfalls eine unverbindliche Handlungsempfehlung an betroffene Staaten.

So weit ist es aber gar nicht gekommen. Der Ausschuss kam zwar in dieser Woche zu dem Schluss, dass zwischen den Handlungen der fünf Länder und dem mutmaßlichen schweren Schaden für Kinder bei Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze ein "ausreichender kausaler Zusammenhang" bestehe. Damit wird die Beschwerde anerkannt.

Die nächste Hürde schafften die Kinder aber nicht. Das Komitee bestätigte vielmehr den Standpunkt der fünf Staaten, die Beschwerdeführenden hätten sich erst an ihre nationalen Gerichte wenden sollen. Falls diese Gerichte die Klagen nicht angemessen behandeln sollten, sei es möglich, sich wieder an die UN zu wenden.

In einem offenen Brief lobt der Ausschuss die Kinder als "mutig und zielstrebig". Alles in allem sei die Beschwerde doch erfolgreich: Sie übe Druck auf Staaten und ihre Gerichte aus und sende ein wichtiges Signal.

Außerdem bestätigt der offene Brief, dass der UN-Ausschuss Fälle behandeln kann, in denen Kinder in einem Land von Schäden durch die Emissionen eines anderen Landes betroffen sind. "Wir hoffen, ihr seid von den positiven Aspekten dieser Entscheidung gestärkt und handelt weiter lokal gegen die Klimakrise", heißt es am Ende des Briefes.

"Der Ausschuss wird seinen Fehler bereuen"

Die 15 Kinder und Jugendlichen sehen die Entscheidung aber alles andere als positiv, sondern eher als eine abweisende Botschaft der Vereinten Nationen an die Jugend: Ihr seid auf euch allein gestellt.

Der Weg über die nationalen Gerichte ist für sie keine überzeugende Option. Während des Verfahrens hatten sie bereits nachzuweisen versucht, dass dabei ein Misserfolg abzusehen wäre.

Die aus zwölf verschiedenen Ländern kommenden Kinder fragen sich, ob sie nun vor den fünf nationalen Gerichten jahrelang streiten sollen, nur um sich am Ende, nachdem sie verloren haben, zu den Vereinten Nationen zurückzukehren. Die Absicht ihrer Beschwerde war schließlich, die Verletzung der Kinderrechte in der sich zuspitzenden Klimakrise auf eine internationale Ebene zu bringen.

Für Litokne Kabua von den Marshallinseln im Südpazifik bleibt schlicht keine Zeit mehr, in jedem Land der Welt, das die Klimakrise mit antreibt, eine Klage einzureichen. Wenn die Treibhausgasemissionen in naher Zukunft nicht drastisch sinken, wird er noch erleben müssen, wie seine Heimatinseln im Meer versinken.

Alexandria Villaseñor aus New York ist sich sicher, dass die Entscheidung den Ausschuss weiter verfolgen wird. "Wenn die Klimakrise noch drastischer wird, wird das Komitee es bereuen, nicht das Richtige getan zu haben, als es die Chance dazu hatte", sagte sie. "Kinder befinden sich an den Frontlinien der Klimakrise, über 80 Prozent der klimabedingten Todesopfer sind Kinder. Die Erwachsenen haben wieder einmal dabei versagt, uns zu beschützen."

In weniger als drei Wochen beginnt die Klimakonferenz COP 26 in Glasgow. Junge Menschen auf der ganzen Welt rufen die dort vertretenen Regierungen der Welt zum entschlossenen Handeln auf – wie erst letzte Woche bei einer Demonstration von Fridays for Future mit laut Organisator:innen 70.000 Teilnehmenden in Brüssel.

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