Vier Bauarbeiter arbeiten an einer Stahlbetonkonstruktion
Außereuropäische Hersteller von Stahl und Zement sollen zu den ersten gehören, die den Grenzausgleich zahlen müssen. (Foto: Peggy Lachmann-Anke/Pixabay)

Bislang waren die Klima- und die Handelspolitik strikt getrennt, doch das ändert sich gerade. Die größte Aufmerksamkeit bekommt derzeit das US‑Inflationsreduktionsgesetz. Es beinhaltet 369 Milliarden Dollar an Subventionen für erneuerbare Energien, Elektroautos und andere grüne Technologien. Anspruch auf dieses Geld hat aber nur, wer auch in den USA produziert.

Aus Sicht der EU verstößt diese "Buy American"-Klausel gegen die Regeln der Welt­handels­organisation WTO. Aber auch die EU diskutiert gerade eine durchaus kontroverse Maßnahme, um den Welthandel klimafreundlicher zu machen: den CO2-Grenz­ausgleichs­mechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM).

Noch im Dezember könnte entschieden werden, dass die Importeure von besonders CO2-intensiven Gütern einen Grenzausgleich, also eine Art Zoll, bezahlen müssen, wenn im Herstellungsland laxere Klimaregeln gelten als in der EU.

Anfangs soll dieser Zoll nur für fünf Produktgruppen gelten: für Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Dünger sowie Strom.

Wer diese Produkte in der EU produziert, muss für seine CO2-Emissionen Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems ETS erwerben. Diese kosten aktuell 85 Euro pro Tonne CO2. Dadurch haben EU-Produzenten einen Kostennachteil gegenüber Produzenten in Ländern ohne CO2-Preis.

Der Grenzausgleich soll daher zweierlei erreichen. Zum einen soll dieser Kostennachteil ausgeglichen werden, damit der Anreiz wegfällt, außerhalb der EU zu produzieren – ein Phänomen namens "Carbon Leakage".

Zum Zweiten sollen andere Länder einen Anreiz erhalten, ebenfalls einen CO2-Preis einzuführen, um den Grenzausgleich zu vermeiden. Das würde auch dem Klima nutzen.

Enger Zeitplan

Der neue Mechanismus könnte bereits im Januar eingeführt werden. In einer Übergangsphase von drei Jahren müssten die Importeure dann melden, wie viel CO2 bei der Produktion ihrer Güter emittiert wurde, und ab dem Jahr 2026 müssten sie für die Emissionen den Grenzausgleich bezahlen.

Damit hätten die Exportländer genug Zeit, auch einen CO2-Preis einzuführen. Ob dieser enge Zeitplan eingehalten werden kann, ist allerdings nicht sicher, da die Behandlung von EU-Exporten CO2-intensiver Güter noch nicht geklärt ist. Der Grenzausgleich stellt nur sicher, dass EU-Produzenten auf dem EU-Markt keinen Kostennachteil haben.

Beim Export konkurrieren EU-Produzenten aber weiterhin mit Herstellern aus Ländern ohne CO2-Preis. Dies lässt sich ausgleichen, indem man EU-Produzenten kostenlose Verschmutzungsrechte für Exporte zuteilt. Doch wie das geschehen soll, ist noch nicht entschieden.

Zudem soll der EU-Grenzausgleich unbedingt den WTO-Regeln entsprechen. Dazu muss die EU nachweisen können, dass sie Hersteller aus Drittländern nicht diskriminiert. Sobald der CBAM eingeführt wird, werden Exportländer CO2-intensiver Güter sofort per Klage prüfen, ob sich die EU an die WTO-Regeln hält.

Gleichzeitig deutet aber immer mehr darauf hin, dass diese Länder davon ausgehen, dass der Grenzausgleich WTO-konform ist, und sich darauf vorbereiten, indem sie einen CO2-Preis einführen. Damit würde eine EU-interne Regel eine Wirkung in Drittländern entfalten.

Dieser "Brüssel-Effekt" ist bei vielen Produkten bekannt. Viele multinationale Konzerne halten sich global an EU-Regeln, da diese am strengsten sind und es sich nicht lohnt, unterschiedliche Produkte für verschiedene Länder herzustellen. Welche Zusatzstoffe eine Zahnpasta enthalten darf, entscheidet Brüssel – für die ganze Welt.

"EU-Politik betrifft erstmals Emissionen in Drittländern"

Der Grenzausgleich könnte nun darüber entscheiden, wie hoch der CO2-Preis für Hersteller von Stahl, Aluminium oder Dünger in Ländern wie China, Südafrika oder Brasilien ist. Dies legt eine Studie des niederländischen Thinktanks Clingendael nahe. Die Experten schreiben: Der CO2-Grenzausgleich "wird die erste EU-Politik sein, die Emissionen der Industrie in Drittländern betrifft und nicht nur die Emissionen der Industrie innerhalb der EU".

Die Liste der Beispiele, die Clingendael aufführt, ist lang: China führt ein Emissionshandelssystem ein und "führende Vertreter der chinesischen Industrie glauben, dass China entweder nicht vom CBAM betroffen sein wird oder sogar einen Wettbewerbsvorteil haben wird, da viele Schwellenländer keinen CO2-Preis haben".

Auf den gleichen Effekt des Grenzausgleichs hoffen auch indische Hersteller: "CBAM könnte Indien einen Wettbewerbsvorteil für den Export in die EU verschaffen, da es weniger Konkurrenz hätte."

Sehr viel weniger Konkurrenz dürfte es aber nicht sein: Marokko, die Türkei, Kanada und die Staaten im Westbalkan überarbeiten derzeit ihre Klimapolitik und viele davon planen die Einführung eines Emissionshandelssystems. Das Gleiche trifft auf Malaysia, Australien, Südafrika und Brasilien zu.

Der "Brüssel-Effekt" hat aber auch seine Grenzen: Ob die USA jemals einen CO2-Preis einführen werden, wird in Washington entschieden.

Die Studie warnt zudem davor, dass einige Länder Hilfe benötigen könnten, um CBAM-konform zu werden. Genannt werden hier Ägypten, Algerien, Mosambik und Nigeria. Dank der dreijährigen Übergangsphase bleibt dafür aber Zeit.

Lesen Sie dazu auch den Gastbeitrag von Franz Alt:

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