Anfahrt zum Schloss Elmau, einem Fünf-Sterne-Hotel in sogenannter Reformarchitektur aus dem Ersten Weltkrieg.
Auf Schloss Elmau in Oberbayern findet wieder der G7-Gipfel statt. Proteste sind hier nur schwer möglich. (Foto: Horst Reinelt/​Wikimedia Commons)

Mehr Tempo beim Klimaschutz oder mehr Versorgungssicherheit? Oder geht beides zusammen? Der G7‑Gipfel, der an diesem Wochenende unter deutscher Präsidentschaft in Elmau stattfindet, muss weitreichende Fragen beantworten.

Das jährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben größten westlichen Industriestaaten hat zwar nur informellen Charakter, seine Beschlüsse sind nicht bindend. Doch was im Abschlussdokument stehen wird, bedeutet dann eben doch eine Weichenstellung für die Zukunft.

Es ist ein Signal, wie sich die G7‑Staaten angesichts des Ukrainekriegs und stark gestiegener Gaspreise in der Klima- und Energiepolitik aufstellen wollen. Treiben sie die Energiewende voran? Investieren sie in Erneuerbare und Energieeffizienz? Oder haben Kohle und Flüssigerdgas nun Priorität?

Ende Mai, als sich die G7‑Minister:innen für Klima, Energie und Umwelt in Berlin trafen, war jedenfalls viel von Fortschritten die Rede. Umweltverbände lobten die Beschlüsse.

"Es gab ein paar Schritte nach vorn", sagt Viviane Raddatz von der Umweltorganisation WWF. Zum ersten Mal wird hier in einem G7‑Abschlusskommuniqué von der Dekarbonisierung des Verkehrssektors gesprochen. Bis 2030 soll dies "in hohem Maße" gelungen sein.

Ebenfalls zum ersten Mal wird ein Ende der Kohleverstromung erwähnt – wenn auch nur vage: Spätestens 2035 soll die Stromerzeugung in den sieben Volkswirtschaften "überwiegend" dekarbonisiert sein, ein früheres Enddatum scheiterte am Widerstand Japans und der USA.

Erstmals auch bekennt sich die G7 dazu, dass sie arme Länder bei der Bewältigung klimabedingter Schäden und Verluste stärker unterstützen muss.

Hochflexibler Umgang mit Beschlüssen

Die weiteren Beschlüsse bekräftigen indes lediglich vorherige Zusagen.

Die G7‑Staaten wollen ihre Klimaziele für 2030 nachschärfen. Das wurde bereits auf der Klimakonferenz in Glasgow vereinbart und ist auch dringend nötig. Denn alle sieben Länder haben zwar mittlerweile sogenannte Netto-Null-Ziele, doch ihre Pläne passen bislang nicht zum 1,5-Grad-Limit des Paris-Abkommens.

Geplant ist auch, mit der bisherigen Praxis Schluss zu machen, Unsummen in fossile Energien zu pumpen und damit den Klimaschutz massiv auszubremsen. Die Finanzierung von Gas-, Öl- und Kohleprojekten im Ausland soll Ende 2022 auslaufen, die Subventionierung der fossilen Energienutzung bis 2025. Außerdem sollen Entwicklungsländer mehr Klimagelder erhalten.

Allerdings sind die gut klingenden Worte kaum mit konkreten Maßnahmen unterlegt. "Da fehlt noch ganz viel an Ambition", sagt Raddatz. "Die G7 muss noch deutlich nachlegen", sagt Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care.

Danach sieht es nicht unbedingt aus. Entgegen den Beschlüssen der Klimaminister:innen kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz wenige Tage zuvor eine Korrektur der Politik an, nicht mehr in fossile Projekte zu investieren.

Bei seiner Afrika-Reise bot er Senegal eine Zusammenarbeit bei der Gasförderung an. Ab Herbst 2023 will Senegal flüssiges Erdgas exportieren, auch nach Deutschland. Zur Begründung verwies Scholz auf den Ukrainekrieg. Dieser erfordere, "dass wir die Situation in der Welt neu betrachten müssen".

Genauso hochflexibel ist der Umgang mit den fossilen Subventionen. Anfang Juni trat der Tankrabatt in Kraft, mit dem Sprit verbilligt, also subventioniert wird. Dies muss nicht mal im Gegensatz zu dem G7‑Beschluss stehen, denn dort ist nur von einem Ausstieg aus "ineffizienten" Subventionen die Rede. Das kann alles und nichts bedeuten und bleibt deshalb folgenlos.

Schon seit 2009 taucht die Formulierung in jedem Abschlussdokument der G7 auf. Das klingt zwar gut, aber verringert wurden die Hilfen für die Fossilen seitdem nicht, sondern immer weiter erhöht. Laut Studien wird der größte Teil der Gelder sogar ohne jegliche Klimaschutz-Auflagen vergeben.

Entwicklungshilfe-Gelder zu Klimahilfen erklärt

Auch bei der Klimafinanzierung hält die tatsächliche Praxis den Ankündigungen nicht stand. Eigentlich haben die Industriestaaten den Entwicklungsländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar versprochen, damit diese ihren Treibhausgasausstoß verringern und sich an die Erderwärmung anpassen können. Eingehalten wurde das bislang nur teilweise.

Was an Geldern fließt, sind auch größtenteils keine "neuen und zusätzlichen" Finanzmittel, wie es vereinbart war. Stattdessen werden die Mittel aus den Entwicklungshilfebudgets abgezweigt und zu Klimahilfen erklärt, wie eine neue Care-Studie zeigt.

Bei der Vielzahl an Lücken und Schlupflöchern bleibt für die deutschen G7‑Präsidentschaft beim Gipfeltreffen in Elmau noch sehr viel zu tun, wenn sie sich "der Verantwortung stellen" will, wie Kanzler Scholz in seiner Regierungserklärung am Mittwoch formulierte. "Wir brauchen dringend Fortschritte beim Klimaschutz", sagte er.

Was er sich darunter vorstellt, ist aber vor allem der von ihm vorgeschlagene "Klimaklub" mit Ländern, die ab Mitte des Jahrhunderts keine Treibhausgase mehr emittieren und bei diesem Ziel kooperieren wollen. In Elmau will Scholz dafür um neue Mitglieder werben. Ob mehr als Gutklingendes herauskommt, wird sich zeigen.

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