Anfang Juli dieses Jahres herrschte in Deutschland rekordverdächtige Hitze. Weltweit wurde der heißeste Tag der Geschichte gemessen. Jetzt, Ende Juli, wissen wir, dass dieser Sommermonat der heißeste Juli seit 1870 war. Und das, obwohl die letzten Julitage bei uns regnerisch und kühl waren.
Wir haben noch immer nicht gelernt, zwischen kurzfristigem Wetter und langfristigem Klima zu unterscheiden. Wenn es am selben Tag in Süditalien heiß ist und in den Alpen schneit, dann ist das genau der von den Klimawissenschaftlern seit 40 Jahren prognostizierte Klimawandel – durch Extremwetter.
Ohne menschlich verursachte Treibhausgase wie CO2, Methan oder Lachgas wäre diese Situation nicht möglich geworden. Es ist eben ein fundamentaler Unterschied, ob wie noch vor 200 Jahren eine Milliarde Menschen Energie benötigen oder wie heute acht Milliarden.
Zudem verbrauchen hauptsächlich in den reichen Industriestaaten die Menschen pro Kopf heute etwa zwanzigmal so viel Energie wie noch vor 200 Jahren. Und in einem Schwellenland wie China ist der Pro-Kopf-Verbrauch heute etwa fünfmal so hoch wie noch vor 50 Jahren.
Deshalb ist die Klimakrise kein fernes Schreckgespenst, sondern schon heute die größte Herausforderung unserer Zeit.
Brutale Hitzesommer, extreme Eisschmelze, katastrophale Waldbrände und weltweites Korallensterben gibt es schon heute, und morgen wohl noch viel mehr. "So heiß war die Welt noch nie", titelt meine Lokalzeitung, die Badischen Neuesten Nachrichten.
Diese extreme Hitze ist menschenverursacht
In vielen Regionen wie China, Indien, Kalifornien, Kanada, Mexiko oder Südeuropa und Nordafrika eilen nun die Höchsttemperaturen von Rekord zu Rekord, und ebenso die Waldbrände. Es ist, als ob uns die Erde geradezu anbrüllen wollte mit ihren Stürmen, Feuersbrünsten und Hitzewellen.
Doch sie brüllt inzwischen auch unter dem scheinbar noch paradiesischen Meer. Auch im Nordatlantik ist es so warm wie noch nie. Vor Floridas Küste wurde in diesen Tagen 38 Grad Celsius gemessen – Badewannen-Temperatur. Eine Bedrohung für Tiere und Pflanzen, wie die katastrophalen Korallenbleichen zeigen.
Im wärmer werdenden Atlantik verändern sich die Meeresströmungen. "Der Golfstrom könnte schon in wenigen Jahren kollabieren", schreibt Klimareporter°. Obwohl die Forschung hier noch auf der Suche ist, wurde offenbar das Risiko einer kippenden Atlantikströmung – mit dramatischen Folgen für Europa – bisher unterschätzt.
Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise für uns Menschen. Schon im Hitzesommer 2003 starben in Westeuropa 61.000 Menschen an der Hitze, 2021 in China über eine halbe Million.
In Deutschland wird endlich über einen Hitzeschutzplan diskutiert. Das heißt auch: begrünte Fassaden, Wälder in der Stadt und grüne Schwammstädte, die bei dem zunehmenden Starkregen das immer kostbarer werdende Trinkwasser speichern.
Franz Alt
ist Journalist und Buchautor. Er leitete 20 Jahre das politische Magazin "Report" beim Südwestrundfunk, danach bis 2003 die Zukunftsredaktion des SWR. Als einer der ersten deutschsprachigen Journalisten informierte er über Klimawandel und Energiewende.
Unsere Erde hat Fieber
Bei 37 Grad liegt die Körpertemperatur des Menschen. Steigt sie höher, sprechen wir von Fieber. Lufttemperaturen von 42 Grad und mehr sind lebensgefährlich.
Schon im Sommer 2023 wird die Hitze für viele Menschen in Griechenland lebensgefährlich. Ende Juli lodern 500 Waldbrände in ganz Griechenland. Das war für deutsche Touristen dort zwar unangenehm, weil ihnen der Urlaub vermasselt wurde, aber Tausende Griechen haben ihr Hab und Gut verloren.
Die Zeit zieht unter der Überschrift "Alarmstufe Heiß" drei Lehren:
Erstens: Auch Deutschland hat in den letzten 30 Jahren den Klimawandel und den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien verschlafen, deshalb muss die Ampelregierung jetzt Gas geben.
Zweitens: Die Deutschen dürfen nicht nur bei Umfragen in Lippenbekenntnissen für die Energiewende sein. Sie müssen akzeptieren, dass es keine Energiewende ohne Wärmewende und Verkehrswende geben kann.
Und drittens: Nur die rasche Befreiung von den fossilen Energien kann uns überhaupt noch retten.
Wir erleben gerade das heißeste Jahr unseres Lebens und womöglich das kühlste für den Rest unseres Lebens. Das heißt konkret und praktisch: Unvorstellbare Hungersnöte und riesige Flüchtlingsströme, auch nach Deutschland, könnten uns bevorstehen.
Es gibt nur diesen einen Ausweg, sagt die Klimawissenschaft: bis 2035 komplett auf erneuerbare Energien umsteigen. Die Wissenschaftler haben sich nur an einem Punkt bisher geirrt: Die Klimakatastrophe kommt schneller als von ihnen prognostiziert.
Die US-Zeitschrift The New Yorker formuliert es so: "Wenn die Katastrophen, die wir in diesem Monat erleben, nicht ausreichen, um uns aus der Erstarrung aufzurütteln, dann erscheinen die Chancen, dass wir noch weitere 150.000 Jahre durchhalten, gering."