In einem Birkenwald lodern an zwei Stellen hohe Flammen.
Immer mehr Trockenperioden bedeuten immer mehr Waldbrände. (Foto: Ylvers/​Pixabay)

Maria Cantwell, demokratische Senatorin des US-Bundesstaates Washington, erklärte in diesen Tagen sarkastisch: "Der Staat Washington wurde nicht für solche Extrem-Temperaturen gemacht."

Die Klimawissenschaftler haben sich in einem Punkt getäuscht: Die Erhitzung kommt schneller, früher und drastischer als noch vor 20 Jahren prognostiziert.

Im kanadischen Dorf Lytton, 250 Kilometer nordöstlich von Vancouver, zeigte das Thermometer am 27. Juni den Rekordwert von 46,6 Grad, am 28. Juni waren es schon 47,9 Grad und am 29. Juni bereits lebensfeindliche 49,5 Grad. Seit Temperaturen gemessen werden, war es hier noch nie so heiß.

Einen Tag später gab es Lytton praktisch nicht mehr. "90 Prozent des Dorfes sind verbrannt", sagte der Abgeordnete Brad Vis.

Diese Hitzewelle ist historisch. Ganze Ortschaften mussten evakuiert werden. Wir erleben die Vorboten der Heißzeit. Immer häufiger spielt das Wetter völlig verrückt. Die Extremhitze hat im Juni in Kanada über 100 Waldbrände entfacht.

Auch in Kalifornien mussten in diesen Tagen wegen der Waldbrände ganze Orte evakuiert werden. Der Grundwasserspiegel sinkt dramatisch. Strom aus Wasserkraft wird knapp wegen fehlendem Regen und wegen der Hitze.

In Brasilien haben im Juni am Amazonas 2.300 Waldbrände gewütet. Ein Rekordwert.

In Japan fiel in der Provinz Atami binnen 48 Stunden mehr Regen als sonst im gesamten Juli. Es kam zu Schlammlawinen und Toten. Der Klimawandel verstärke die Wetterextreme, sagen Klimaforscher.

Auch Deutschland erlebt in diesen Wochen Wetterextreme. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat errechnet, dass sich seit 1951 die Zahl der Hitzetage über 30 Grad mehr als verdreifacht hat, die Zahl der Schneetage aber halbiert. Das Institut warnt, dass in den nächsten 25 Jahren siebenmal mehr Menschen von Überflutung gefährdet seien als heute.

Verschobene Maßstäbe

Und was tut die nordrhein-westfälische CDU-FDP-Regierung des Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet in dieser dramatischen Klimasituation? Sie ergänzt das Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2013 mit dem Zusatz: "Subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen werden durch oder auf Grund dieses Gesetzes nicht begründet."

Soll damit Bürgerinnen und Bürgern verboten werden, wegen mangelnder Klimaschutzmaßnahmen vor Gericht zu gehen? Soll damit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April, das mehr Klimaschutz fordert, ausgehebelt werden? Wird gar der Rechtsstaat infrage gestellt, wie der Energieprofessor Volker Quaschning meint? Darüber kann man streiten.

Franz Alt

ist Journalist und Buchautor. Er leitete 20 Jahre das politische Magazin "Report" beim Südwest­rundfunk, danach bis 2003 die Zukunfts­redaktion des SWR. Als einer der ersten deutsch­sprachigen Journalisten informierte er über den Klima­wandel und die nötige Energie­wende.

Fakt ist, dass Armin Laschet den deutschen Kohleausstieg erst für das Jahr 2038 befürwortet.

Fakt ist, dass Armin Laschet meint, ein Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen bringe nichts fürs Klima.

Fakt ist seine Aussage: "Wir müssen besser darin werden, den jungen Menschen zu erklären, warum das mit dem Klimaschutz nicht so schnell geht."

Damit soll verdrängt werden, dass die Unionsparteien – wenn auch nicht sie allein – 30 Jahre lang den Klimaschutz schlicht verpennt haben. Unser Haus brennt, aber Laschet bestellt die Feuerwehr für das Jahr 2038. Kann jemand Bundeskanzler eines Industriestaates sein, der wesentlich mitverantwortlich für die Klimaerhitzung ist?

Es stimmt, die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, hat bei Angaben zu ihrer Vita und ihren Nebeneinkünften geschludert. Darüber regen sich zurzeit fast alle Journalisten auf. Ist die Haltung des Unionskanzlerkandidaten zur Überlebensfrage der Menschheit nicht der größere Aufreger? Auch viele Medien verdrängen die Dramatik der Klimaerhitzung und deren Folgen noch immer.

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