Weltweit bricht dieser Sommer Rekorde, aber keine, die gefeiert werden sollten. Und keine, die ohne den menschengemachten Klimawandel möglich wären. So das Ergebnis einer am Dienstag vorgestellten Studie der internationalen Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA).

"Die Rolle des Klimawandels ist absolut überragend", erklärte die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College London am Dienstag. Die Hitzewellen der vergangenen Wochen mit Rekordtemperaturen von teils über 45 Grad Celsius in Südeuropa, China, Mexiko und den USA wären ohne den Klimawandel extrem unwahrscheinlich gewesen.

Die Forschergruppe fokussierte sich in ihrer Analyse auf den Südwesten der USA und Nordmexiko sowie Südeuropa und das Tiefland Chinas. Die Wissenschaftler:innen nutzten Wetterdaten für die Zeiträume im Juli, in denen die Hitze in der jeweiligen Region am gefährlichsten war.

Die Studie muss noch unabhängig geprüft werden, die Methodik ist aber anerkannt und hat bisher zu zuverlässigen Ergebnissen geführt. Indem die Attributionsforscher:innen die aktuellen Hitzewellen mit Klimamodellsimulationen abgleichen, können sie herausfinden, mit welcher Wahrscheinlichkeit der menschengemachte Klimawandel für die extreme Hitze im Juli in diesen drei Regionen verantwortlich ist.

Sie fanden heraus: In China hat der Klimawandel Hitzewellen mindestens 50‑mal wahrscheinlicher gemacht. Ohne Klimawandel würden solche Extremereignisse in der Volksrepublik nur alle 250 Jahre auftreten. In den USA, Mexiko und Europa wäre eine Rekordhitze wie im Juli laut Studie sogar "praktisch unmöglich".

"Wir müssen für jedes Zehntelgrad kämpfen"

Damit könne auch nicht mehr von außergewöhnlichen und seltenen Ereignissen gesprochen werden. Alle 15 Jahre in Nordamerika, alle zehn Jahre in Südeuropa und alle fünf Jahre in China sind der Studie zufolge solche Hitzewellen unter den heutigen klimatischen Bedingungen zu erwarten.

Sollte aber ein globaler Temperaturanstieg von zwei Grad erreicht werden, dann prognostizieren die Forscher:innen solche Ereignisse sogar für alle zwei bis fünf Jahre. Bereits heute ist eine Erderwärmung von 1,2 Grad erreicht. Werden die Pariser Klimaziele nicht eingehalten, könne die globale Erwärmung schon in 30 Jahren zwei Grad betragen.

Dabei werden die Hitzewellen durch den Klimawandel nicht nur häufiger, sondern auch heißer und länger, warnen die Wissenschaftler:innen. Im Vergleich zu Hitzewellen ohne Klimawandel waren die jetzigen in Europa 2,5 Grad heißer, in Nordamerika zwei und in China ein Grad.

Trotz der eindringlichen Warnungen stellt Klimaforscherin Otto klar: "Diese Hitzewellen sind kein Beweis für eine unkontrollierte Erwärmung. Wir haben noch Zeit, eine sichere und gesunde Zukunft zu sichern." Andreas Becker vom Deutschen Wetterdienst bestätigt das: "Wir müssen für jedes Zehntelgrad kämpfen", erklärt er bei einem Medientermin am Mittwoch.

Die globalen CO2-Emissionen müssten drastisch gesenkt werden, um Folgen wie Wasserrationierung, Gesundheitsschäden und Ernteausfälle abzumildern. Klimaschutz rechne sich im Vergleich zu den Schadenskosten, so Becker.

Friederike Otto betont aber auch: "Selbst wenn wir heute aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, werden die Temperaturen nicht sinken, sondern erst noch weiter ansteigen. Mit den Hitzewellen, die wir im Moment erleben, müssen wir definitiv leben."

Deshalb müsse parallel zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen auch in die Klimaanpassung investiert werden. "Die Risiken steigen viel schneller, als wir uns anpassen", warnt Julie Arrighi vom Klimazentrum des Roten Kreuzes bei der Vorstellung der Studie.

Extreme Hitze ist tödlich

Hitze bedroht die Lebensmittel- und Wassersicherheit. In allen im Juli betroffenen Regionen wurden laut Studie großflächige Ernteschäden und Verluste in der Viehzucht gemeldet. In den USA und Südeuropa kam es zu Stromausfällen, in China gab es einen rekordverdächtigen Anstieg der Stromnachfrage. Kritische Infrastruktur wie die Strom- und Wasserversorgung müsse auf solche Hitzewellen vorbereitet werden, erklärt Arrighi.

Vor allem müssten aber Menschen geschützt werden. Hitzewellen gehören zu den tödlichsten Naturgefahren. Allein in Europa starben 2022 mindestens 61.000 Menschen an Hitze. In Mexiko starben in diesem Jahr bereits über 200 Menschen, vor allem Migrant:innen.

Es trifft besonders die Verletzlichsten, wie ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und diejenigen ohne eigene Wohnung oder ohne Zugang zu kühlen Räumen, die bei extremer Hitze lebenswichtig sein können.

Deutschland ist ebenfalls nicht gut gegen Hitzewellen gewappnet, sagt Dorothea Baltruks vom Centre for Planetary Health Policy in Berlin. Das Mitte Juli beschlossene Klimaanpassungsgesetz der Bundesregierung sei unzureichend, kritisiert die Expertin für Sozialpolitik.

Baltruks fordert einen Hitzeschutzplan nach dem Vorbild Frankreichs. Der Plan im Nachbarland definiert verschiedene Eskalationsstufen und schreibt detailliert vor, was in welcher Stufe passieren muss und wer zuständig ist.

 

Auch hierzulande müssten Kommunen und Länder auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein, fordert die Wissenschaftlerin. Von den Behörden bis zum Katastrophenschutz müsse jeder wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Dabei spiele vor allem das Gesundheitssystem eine wichtige Rolle.

Hitze als größte Gesundheitsgefahr führt jedes Jahr zu vielen hitzebedingten Krankenhauseinweisungen. Darauf müssten sich Krankenhäuser einrichten, so Baltruks weiter. "Die fehlende Vorbereitung auf Hitze und andere Folgen der ökologischen Belastungen sind zunehmende Gefahren für Individuen, das Gesundheitswesen, aber auch unsere Gesellschaft insgesamt."

Dieser Sommer bricht also nicht nur traurige Rekorde, sondern führt auch vor Augen: Hitzewellen und ihre drastischen Folgen werden zur neuen Normalität, erst recht, wenn 1,5 Grad Erderwärmung überschritten werden.

Redaktioneller Hinweis: Klimaforscherin Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.