Der Corona-Lockdown hatte einen positiven Nebeneffekt für den Klimaschutz: Der globale Treibhausgas-Ausstoß ging stark zurück – in einzelnen Ländern um bis zu einem Viertel im Vergleich zum Vorjahr.
Doch Experten warnten: Eine Trendwende sei damit nicht eingeleitet worden, weil strukturelle Änderungen fehlen.
Das zeigen nun auch aktuelle Daten: Der Corona-Effekt ist schon wieder verpufft – und das faktisch im Handumdrehen.
Auf dem Höhepunkt des Lockdowns waren die Emissionen extrem gesunken – es gab kaum Flugverkehr, Homeoffice statt Fahrten zum Büro, eine gestoppte Produktion in Fabriken. Vor allem die drastischen Maßnahmen bei den globalen CO2-Obereinheizern wie China und anderen Industriestaaten wirkten sich hier aus.
Doch bereits im Mai erschien im Fachmagazin Nature Climate Change eine Studie der Universität von East Anglia im britischen Norwich, der zufolge die CO2-Emissionen 2020 im Schnitt wohl nur um etwas mehr als fünf Prozent unter dem Wert von 2019 liegen werden.
Anfang April lag der CO2-Ausstoß laut den britischen Forschern im weltweiten Schnitt noch um 17 Prozent unter dem 2019er Niveau – bei einer Spannbreite von elf bis 25 Prozent in den einzelnen Ländern.
Hochgerechnet auf das ganze Jahr 2020 rechneten die Experten damit, dass die Emissionen zwischen vier und sieben Prozent niedriger als 2019 ausfallen werden, je nachdem, wie schnell die wirtschaftliche Erholung vorankommt.
Vom Lockdown bleibt nur eine Delle
Ein aktuelles Update der Untersuchung zeigt nun, dass der CO2-Ausstoß am 11. Juni nur noch um fünf Prozent unter den "Normalwerten" lag, mit einer landesspezifischen Spanne zwischen einem und acht Prozent und weiter zügig sinkender Tendenz.
Die gesamten Emissionen des knappen halben Jahres vom 1. Januar bis zum 11. Juni lagen um 8,6 Prozent unter dem Wert für die gleiche Vorjahresperiode.
"Wir haben erwartet, dass die Emissionen wieder ansteigen. Doch dass das so schnell passieren würde, ist eine Riesen-Überraschung", sagte Corinne Le Quéré, Professorin in Norwich und Hauptautorin der Studie.
Mit anderen Worten: Im zweiten Halbjahr dürfte annähernd wieder das alte Niveau erreicht werden. 2020 wäre damit nur eine Delle in der weiter nach oben weisenden Emissionskurve – eine ähnliche Situation wie nach der Weltwirtschaftskrise 2008, als der globale CO2-Ausstoß kurz einbrach, aber aufgrund der von den Regierungen aufgelegten Konjunkturprogramme schnell wieder anstieg.
Im gesamten letzten Jahrzehnt waren die Emissionen stetig angewachsen. Um auf einen Pfad zu kommen, der das Einhalten der Pariser Klimaziele ermöglicht, müssten sie jedoch ab sofort spürbar sinken. So ist das 1,5-Grad-Erwärmungslimit laut dem Weltklimarat IPCC nur zu halten, wenn der CO2-Ausstoß pro Jahr um 7,6 Prozent sinkt.
Signal für Richtungswechsel fehlt
Studienautorin Le Quéré fürchtet sogar, dass die Emissionen künftig deutlich über dem Vor-Corona-Niveau liegen könnten. Nämlich dann, wenn die staatlichen Anreize zur Ankurbelung der Wirtschaft blind gegenüber dem Klimawandel sind. "Der Bau von Straßen zum Beispiel wäre sehr schädlich", sagte sie.
Das letzte Wort ist dabei noch nicht gesprochen. Eine Analyse der weltweit aufgelegten Konjunkturprogramme des Londoner Thinktanks E3G zeigt, dass eine Reihe von Ländern darin durchaus auch "grüne" Ansätze verfolgt – wie die Förderung der E-Mobilität oder die Energiesanierung von Häusern.
Vieles erscheine allerdings eher als Zusatz denn als Signal für einen echten Richtungswechsel, meinen die Experten.
Le Quéré hofft ihrerseits, dass die Regierungen hier nachsteuern. Die Chance dafür sei in diesem Jahr durchaus noch vorhanden.