Ein Mensch mit Sonnenhut liegt im Gras an einem See in der Sonne
Und wo fahrt ihr dieses Jahr hin? Diese Statusfrage muss jetzt wieder beantwortet werden. (Foto: Wokandapix/​Pixabay)

Endlich steht die schönste Zeit des Jahres vor der Tür und die Pandemie macht uns keinen Strich mehr durch die Rechnung: Es geht wieder in den Urlaub. Aktiver Wanderurlaub in den Bergen oder ein romantischer Trip auf eine Insel im Pazifik – alles ist wieder möglich in Zeiten grenzenloser Mobilität.

Die Tourismusbranche macht zehn Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung aus. Jeder elfte Arbeitsplatz entfällt auf diesen Sektor. Beim weltweiten Exportumsatz belegt der Tourismus Platz drei nach Brennstoffen und Chemie und liegt damit noch vor Lebensmitteln und Autos.

Im globalen Süden und vor allem für manche kleine Inselstaaten ist der Tourismus besonders wichtig. Nationalparks können sich vor allem in südlichen Ländern oftmals nur über die Einnahmen aus dem Tourismus finanzieren. Nicht zuletzt kann Tourismus auch den Dialog und die Toleranz zwischen Menschen verschiedener Weltregionen fördern und einen Beitrag zur Bildung leisten.

Klimakrise durch Tourismus 

Doch der Tourismus hat ein Umweltproblem. Genauer gesagt: viele Umweltprobleme, in beinahe allen Bereichen. Von der Anreise über die Unterbringung bis zu den verschiedenen Freizeitaktivitäten sind die Umweltbelastungen vielfältig und hoch.

Die An- und Abreise, vor allem wenn sie per Flugzeug erfolgt, sorgt für einen hohen Energieverbrauch mit den entsprechenden klimaschädlichen Emissionen. So war 2019 das Reisen für 22 Prozent der CO2-Emissionen aus dem gesamten Verkehrssektor verantwortlich. ⁠Aber auch der Fluglärm ist ein Umweltfaktor.

Während des Urlaubs verbrauchen die Reisenden Wasser und verursachen Abwasser und Müll, oft mehr als zu Hause und ungleich mehr als die Menschen in den Zielregionen. Weil Entsorgungssysteme häufig fehlen, wird der Müll nicht selten offen verbrannt oder sogar ins Meer gekippt, wobei teils hochgiftige Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden gelangen.

Zu alldem fällt die Hauptreisezeit meist in trockene, regenarme Jahreszeiten, wenn Wasser knapp ist und zur Versorgung der Bevölkerung sowie für die Landwirtschaft gebraucht wird. Die Touristen sorgen dann für eine doppelte Verknappung. Aber auch im Winter werden in den Skigebieten enorme Mengen Wasser mit Zusatzstoffen eingesetzt, um die Pisten künstlich zu beschneien.

Der Flächenverbrauch für Hotels und Infrastruktur wie Parkplätze, Flughäfen, Lifte oder Golfplätze erhöht die Bodenversiegelung und -verdichtung, wodurch die natürlichen Bodenfunktionen für Kleinklima und Wasserhaushalt schwinden.

Nicht nur das Landschaftsbild, auch die ökologischen Kreisläufe werden so durch die touristischen Eingriffe verändert. Anja Wollesen vom Deutschen Institut für Tourismusforschung in Heide (Holstein) fasst es so zusammen: "Der Tourismus lebt von einer intakten Natur, doch gleichzeitig belastet er die Natur stark."

Klimakrise gegen Tourismus

Der Tourismus ist nicht nur ein wichtiger Verursacher, er ist auch Betroffener. So verlieren Reiseziele mit fortschreitender Klimakrise an Attraktivität und überhitzen. Aber auch politische Maßnahmen zur Minderung des Treibhausgasausstoßes betreffen die Tourismuswirtschaft direkt und werden dies in Zukunft noch viel stärker tun.

Mehr als 60 Prozent aller Europäer reisen am liebsten ans Meer. In der US-Reisebranche entfallen sogar 80 Prozent auf den Küstentourismus. Genau dieser Zweig ist von der Klimakrise besonders betroffen.

Ein Meeresspiegelanstieg um einen Meter, wie er innerhalb weniger Generationen droht, würde zum Beispiel in der Karibik etwa die Hälfte aller Ferienanlagen beschädigen, 21 Flughäfen zerstören und die Landflächen rund um 35 Häfen überschwemmen.

Aber auch für Wander- und Naturbegeisterte wird der Urlaub sich verändern. Die Waldbrandsaison könnte sich verlängern und die Zahl der Tage mit hoher Waldbrandgefahr und Betretungsverboten zunehmen. Schon heute tragen Dürren und Schädlingsbefall zu einem neuen Waldsterben bei.

Wenn die Durchschnittstemperaturen steigen, wandern Tier- und Pflanzenarten in höher gelegene oder polnähere Gebiete ab. Da Schutzgebiete aber meist geografisch abgeschlossen sind und nicht einfach polwärts versetzt werden können, geht man in afrikanischen Nationalparks südlich der Sahara davon aus, dass in den kommenden 60 Jahren bis zu 40 Prozent der Arten bedroht sein werden.

Auch die Wasserknappheit wird in vielen Tourismusregionen zunehmen, verstärkt durch einen erhöhten Wasserbedarf in anderen Bereichen wie der Landwirtschaft. Sinkende Wasserqualität kann zusätzlich zur Gesundheitsgefahr werden. Zunehmende Wetterextreme können zu steigenden Versicherungsprämien führen, wenn die Versicherer auf die größeren Schäden reagieren.

Eine Zukunft für das Reisen

Der Tourismus wird sich also in der Klimakrise auf neue Bedingungen einstellen müssen. Bislang kümmern sich die meisten Tourismusunternehmen wenig ums Klima, abgesehen von Schaufensterprojekten. Kein Land hat eine Strategie für eine emissionsarme Tourismuswirtschaft entwickelt.

Doch bereits 27 Prozent der Reisenden geben an, bei der Urlaubsreise auf Nachhaltigkeitsaspekte zu achten. Im noch kleinen, aber wachsenden Sektor des nachhaltigen Reisens arbeiten viele Initiativen daran, Umweltbelastungen zu ermitteln und zu verringern.

"Nachhaltiges Reisen betrifft die Anreise, die Beherbergung, den Aufenthalt und Transporte vor Ort, außerdem die Arbeitsbedingungen, das gastronomische Angebot oder etwa die Aktivitäten in der Natur", zählt Tourismusforscherin Wollesen auf. "Damit der Tourismus als drittwichtigster Weltwirtschaftsfaktor dauerhaft überleben kann, braucht es klare Vorgaben zur Nachhaltigkeit."

Für die UN-Tourismusorganisation ist Reisen nachhaltig, wenn es "die gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen voll berücksichtigt, um den Bedürfnissen der Besucher, der Branche, der Umwelt und der gastgebenden Gemeinschaften gerecht zu werden".

Wiederfinden können sich in dieser Definition der sanfte Tourismus, der Ökotourismus sowie Slow Travel. Letzteres meint langsames, bewusstes Reisen nach dem Motto "Qualität statt Quantität". Es geht darum, die Ferienregion mit allen Sinnen zu erleben und sich bewusst Zeit für Menschen und Orte zu nehmen.

Für eine bessere Klimabilanz muss vor allem die Nachfrage nach Fernreisen sinken – zugunsten näher gelegener Reiseziele. Was die Reisezeit angeht, sind sich die Experten einig: Seltener und dafür länger zu verreisen, ist besser für Klima, Umwelt und Erholungseffekt. Anja Wollesen fände es am besten, für Fernreisen sogar zwei, drei Monate einzuplanen.

Dafür bräuchte es dann aber auch mehr Flexibilität bei den Arbeitgebern. Für Wollesen ein logischer nächster Schritt: Nachhaltiger Tourismus sei eben komplex und umfasse viele Bereiche.